Reiseerfahrungen - am 6. So.n.Trin. (Taufsonntag) verarbeitet Liebe Gemeinde! Dieser Sonntag ist seit alters ein Gedenktag für die Taufe. Aber ich sage ihnen ganz ehrlich, für so etwas Schönes wie die Taufe war mir der Predigttext heute zu schwer und zu dunkel. Allenfalls mit diesem Gedanken konnte ich etwas anfangen: ...damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln. Aber wenn wir nur diesen Satz besprechen wollen, können wir den 'Text für heute auch gleich ganz beiseite legen. Aber worüber dann predigen? Warum nicht über den Wochenspruch für diesen Sonntag? Der gefällt mir viel besser und über den möchte und kann ich auch reden: So spricht der Herr, der dich geschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst; ich habe dich bei deinem Namen gerufen: du bist mein! (Jes. 43,1) Nicht wahr, ein schönes Wort, und wunderbar passend zur besonderen Widmung dieses Sonntags: Denn seit wir getauft sind, müssen wir uns ja nicht fürchten, seit wir getauft sind, weiß Gott unseren Namen, seit wir getauft sind, gehören wir ihm und er hat uns erlöst... Aber - so schön und richtig das alles ist - zunächst bleiben es nur Worte. Wie gewinnen sie wirklich Einfluß auf uns? Wie kann unsere Taufe kräftig werden in unserem Leben? Wie verändern uns diese guten Worte und machen uns fröhlicher oder mutiger: Fürchte dich nicht...? Ich habe mich dazu an ein Erlebnis von vor 6 Jahren erinnert...ich habe bei anderer Gelegenheit schon davon erzählt. Sie sollen jetzt davon in einer Predigt hören, denn irgendwie paßt das heute: Die Hüttstadtmühle bei Ansprung im Erzgebirge ist das Erholungsheim der landeskirchlichen Gemeinschaft von Sachsen. Sie ist, nachdem sie vor Jahrzehnten schon als Mühle ausgedient hat, lange vor der Wende ein christliches Freizeitenheim geworden, in dem meist kirchliche Freizeitgruppen ein Wochenende, ein paar Tage oder auch 2 oder 3 Wochen verbringen. Die Gästezimmer sind in diesem Haus numeriert wie in anderen Heimen auch. (Selbst die "13" ist dabei, die man anderswo vermißt!) Nur hat man den Zimmern dort - zusätzlich zu den Zahlen - auch noch Namen gegeben, Namen von christlichen Tugenden wie Treue, Freude, Sanftmut, Frieden...Keuschheit. Außen an den Türen sind kleine Holzschildchen angebracht, auf denen die jeweilige Tugend in dunkelbrauner Schrift eingebrannt ist. In diesem Haus hatten wir vor sechs Jahren unsere Familienfreizeit. Vielleicht erinnern sie sich noch? Als ich jedem am Anfang seinen Raum zugeteilt habe, mußte ich natürlich in erster Linie auf die Bettenzahl der Räume achten und ob sie etwa auch für Gehbehinderte leicht erreichbar waren. Keinesfalls (ich schwör's!) aber habe ich dem einen oder anderen eine bestimmte Tugend zugewiesen, um vielleicht damit zu sagen: "Dir würde ein bißchen mehr Sanftmut oder Wahrheit guttun." Und unsere Freizeitteilnehmer wußten auch, daß die Namen mehr oder weniger zufällig verteilt worden waren... Trotzdem: Die Bewohner der Zimmer haben dann doch gefragt, warum sie gerade diesen oder jenen Namen an ihrer Tür lesen konnten! Und - ich gebe es zu! - auch mir selbst ist es so gegangen: Ich habe lange darüber nachgedacht, ob es nicht vielleicht doch einen höheren Sinn haben könnte, was da an den Türen stand. Die Tugend an meiner Tür zum Beispiel war die "Besonnenheit". Mehr als einmal habe ich überlegt, ob mir das nicht wirklich fehlt oder ob ich mich hierin nicht wenigstens noch vervollkommnen müßte. Mit der Bewohnerin des Zimmers "Sanftmut" habe ich ein Gespräch darüber geführt, inwieweit sie wohl diese Eigenschaft nötig hat und auch sie meinte dann lachend, daß sie wohl noch eine gute Portion davon vertrüge. Andere wieder konnten weniger mit ihrer Tugend anfangen oder sie gefiel ihnen auch überhaupt nicht. In jedem Fall aber sind damals unsere Freizeitteilnehmer nicht an den Namen ihrer Zimmer vorbeigekommen. Sie mußten sich mit ihnen auseinandersetzen, ob sie nun wollten oder nicht. Diese Namen waren sozusagen in den 14 Freizeittagen über ihrem Leben ausgerufen: "Bemühe dich um Treue!", hieß dieser Ruf vielleicht. Oder: "Sei ein bißchen besonnener, friedfertiger, fröhlicher!" Oder auch: "Denke an die Gnade, von der du lebst und gib sie als Barmherzigkeit an deine Mitmenschen weiter." Vielleicht zehnmal täglich ist man ja durch die Tür mit der entsprechenden Aufschrift hindurchgegangen - klar, daß so das Auge immer wieder auf das Wort auf dem Schild gefallen ist: Liebe, Sanftmut, Treue, Zucht... "Ich zum Beispiel werde das sicher nie vergessen, daß mich meine Tür damals so oft zur Besonnenheit gemahnt hat!" Und ich bemühe mich immer noch darum! - Liebe Gemeinde, was haben die Schilder an den Türen eines Freizeitheims im Erzgebirge mit der Taufe zu tun und mit dem Vers: "Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst"? Ich glaube, über uns allen, die wir getauft sind, ist auch so ein Name ausgerufen. Nicht nur einer für 14 Tage oder eine begrenzte Zeit, sondern für unser ganzes Leben. Da steht also an der Tür unseres Lebens ein Wort von Gott. Ich buchstabiere es als: "Du bist getauft!" Oder auch: ,,Du bist Gottes Kind!" Andere lesen es wieder anders, aber es bleibt am Ende dasselbe. An unser aller Tür steht: Daß uns Gott geschaffen hat, daß wir ihm gehören, daß wir uns nicht fürchten müssen, daß wir bei ihm einen Namen haben, daß er uns erlöst hat... Und es ist alles so wie bei den Türschildchen in der Hüttstadtmühle: Wir finden das Wort über unserem Leben schon vor, wir können es nur wahrnehmen und vielleicht annehmen, daß es an unserer Tür steht: "Getauft, Gottes Kind". Und auch das ist bei uns genau so wie in diesem Haus im Erzgebirge: Das mag uns gefallen oder nicht, mag uns anspornen, daß wir dem Namen über uns gerecht werden, oder wir lehnen uns dagegen auf. Oder es beglückt uns, zu wissen, daß wir Gott gehören? Vielleicht meinen wir aber auch - in unserem menschlichen Übermut - das machte uns unfrei und wir könnten uns nun selbst nicht mehr so recht entfalten? Und schließlich ist auch das ähnlich wie bei den Türschildern im Freizeitheim: Täglich kommen wir mehrfach an diesem Wort vorbei, immer wieder fällt unser Auge ja doch darauf...müßte darauf fallen: Getauft - du gehörst zu Gott - wie lieb hat er dich, wie beschenkt er dich mit Brot und einem Zuhause, mit Menschen, die in deiner Nähe sind und mit 1000 guten Gaben. Und daß du "Gottes Kind" bist, kannst du an der Liebe ablesen, mit der dich Gott überschüttet, an den Talenten, die er dir mitgegeben hat, an jeder Bewahrung, die dir widerfahren ist, an deiner Lebensgeschichte bis heute, deinem Hab und Gut, allen Geschenken seiner Güte. Gewiß, daran kann man auch mit verschlossenen Augen vorübergehen, wie an der "Treue", der "Gnade" und der "Liebe" auf den Türschildern der Hüttstadtmühle. Aber es steht da geschrieben! Es meint uns, und ist die Verheißung für unser Leben. Und wenn wir's beachten, dann kann es kräftig und bedeutsam für uns werden: "Getauft, Gottes Kind..." Eins allerdings ist anders als bei den Türschildern im Freizeitenheim: Es ist nämlich ganz sicher kein Zufall, daß Gott uns ausgerechnet dieses Wort an die Tür unseres Lebens geschrieben hat! Im Gegenteil! Das war die festeste (und beste!) Absicht. Davon soll und davon darf jeder in seinem Leben ausgehen: "Ich bin getauft. Gott hat mich geschaffen. Ich bin erlöst. Ich muß mich nicht fürchten. Ich habe einen Namen bei Gott." Wenn wir uns darauf einmal einlassen, daß solche Worte an unserer Lebenstür geschrieben stehen, vielleicht gehen wir dann nicht mit geschlossenen Augen oder abgewandtem Blick an diesem Worten vorbei, sondern lassen sie uns sagen, lassen uns von ihnen verwandeln, täglich neu und versuchen ihnen in unserem Reden und Handeln, unserem Denken und Hoffen immer mehr zu entsprechen? So spricht der Herr, der dich geschaffen hat: Fürchte dich nicht, denn ich habe dich erlöst, ich habe dich bei deinem Namen gerufen: du bist mein!