Ansprache zur Beerdigung - Früher, plötzlicher Tod Jona 2,10 Liebe Frau S., liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde! Die Worte, die zum Abschied von einem lieben Menschen gesagt werden, sollen persönlich sein. Wir möchten darin die Züge des Verstorbenen erkennen, möchten sagen können: "Ja, so war er. So hat er gelebt. Das war ihm immer ein Anliegen." Auf der anderen Seite: Am Grab muß das Wort Gottes gepredigt werden. Hier, wie nirgends anders, ist der Ort für die Botschaft vom Opfer Jesu Christi für seine Menschen und von der Aufer- stehung der Toten. Auch das wird von vielen erwartet. Und es hat sein Recht! Denn schnell, sehr schnell wird zuviel von einem verstorbenen Menschen gesprochen und zu wenig vom lebendigen Gott. - Wie also sollen wir reden - in einer solchen Stunde? Persönlich, daß wir spüren, die Erinnerung an den Verstorbenen ist unter uns lebendig...oder mit den Worten der Schrift, über das biblische Zeugnis von Tod und Auferstehung, als Stärkung unseres Glaubens? Ob wir nicht beides verbinden können? Ob sich nicht ein Schriftvers finden läßt, der zum Leben dieses Men- schen, um den wir trauern, paßt und der doch auch von den göttlichen Dingen redet, die wir Christen ange- sichts des Todes Jesu bezeugen müssen? Und ob das nicht gar in einer Weise zusammenpaßt, daß wir hinter- her nicht sagen müssen: Der Pfarrer hat den Verstorbenen ja zu sehr gelobt oder: das Wort der Schrift ist aber heute zu kurz gekommen? Diese Fragen haben mich bewegt, als ich eine Widmung für diese Stunde suchte - und für das Leben von H. S., das so rasch Zuende ging. Und ich glaube, ich habe ein solches Wort gefunden und ich möchte vor dem Hintergrund dieses Wortes in aller Wahrheit und der nötigen Klarheit persönlich sprechen und auch das Wort von Kreuz und Auferstehung Jesu verkündigen. Im Buch Jona in 2. Kapitel steht dieses Wort: "Was ich ge- lobt habe, will ich erfüllen! Die Hilfe steht bei dem Herrn." "Was ich gelobt habe, will ich erfüllen!" Korrekt war der Verstorbene. Was er versprach, hielt er. Unge- radheiten waren ihm ein Greuel. Wenn du einen Weg beschritten hast, mußt du ihn auch zu Ende gehen. Was du anfängst, führe auch aus. Du willst dich auf andere verlassen - dann sei selbst auch verläßlich. So lebte er. Das war ihm Gebot, das er sich selbst auferlegt hat. "Was ich gelobt habe, will ich erfüllen!" Seine Freunde im Gesangverein, in dem er keine Chorstunde dieses Jahres versäumt hat, würden das nur bestätigen können. Und gerecht war er, so kannten ihn auch die Menschen, unter denen er lebte. "Fünfe gerade sein lassen", war nicht seine Sache, aber die Hochachtung vor Treue und Wahrhaftigkeit. Das hat er von Jugend an mitbekom- men: Seine Angelegenheiten jederzeit in Ordnung haben, äußerlich - und auch innen, im Herzen. "Was ich ge- lobt habe, will ich erfüllen." Und arbeitsam war er, fleißig, oder wie soll man es nennen? Er konnte viel von sich fordern, sehr viel - und ging dabei wohl manchesmal über die Grenze hinaus, über das Maß dessen, was sich ein gesundheitlich angeschlagener Mensch an Lasten aufladen soll...und darf... Aber, da war ja immer auch die andere Seite: Hätte er's nicht getan und getragen, ein anderer hätte sich damit beschweren müssen! Ob ihn das zu diesem unermüdlichen Einsatz brachte, den wir an ihm gesehen haben? Ob ihn solche Gedanken bewegten, wenn er immer und immer wieder Arbeit und neue Mühen auf sich nahm und wieder und wieder neue Aufgaben anging... "Was ich gelobt habe, will ich erfüllen!" Sicher hat niemand je ein solches Versprechen aus seinem Munde gehört. Keinem Menschen war er die Einlö- sung schuldig. Dennoch: Ihn band dieses Wort, dieser Gedanke - wie einen nur sein innerstes Wesen, sein Charakter binden kann. So war seine Einstellung: Treu und beharrlich gegenüber den einmal gesteckten Zie- len, geradlinig und mit ganzer Kraft und Treue darauf zugehen und viel - oft zu viel - von sich selbst verlan- gen. Das ist ihm ja gar nicht leicht gefallen, wenn er beim Jubiläum seines Vereins vorn an und auf der Bühne stand. Und um die Ehre ist es ihm dabei schon gar nicht gegangen! Nur zu gern hätte er das abgegeben, anderen überlassen...nur hätte das dann eben andere beschwert, für andere Mühe bedeutet. Und das wollte er nicht. Aber getan werden mußte es ja. "Was ich gelobt habe, will ich erfüllen!" Und denken wir doch nur nicht, er hätte sich danach gedrängt, wenn es hieß, von einem Freund, einem Ver- einskameraden auf dem Friedhof Abschied nehmen und dann mit dem Kranz in der Hand letzte Worte sa- gen...diese so schweren Worte, bei denen es uns im Halse würgt und wir die Tränen niederkämpfen müssen... Gut hat er das gemacht! Und sicher gern - aber um der Kameraden willen und nicht um dort dann zu stehen... Was wissen wir, wie viele schlaflose Nächte ihn solche Aufgaben gekostet haben, davor... Und wieviel Kraft und Überwindung und Selbstdisziplin... Aber der Vers geht ja noch weiter: "Die Hilfe steht bei dem Herrn!" Davon hätte er wohl auch zeugen kön- nen. Er hat viel erreicht in den 62 Jahren seines Lebens, viel konnte er, durfte er, schaffen und aufbauen. Wer ermißt, was es heißt, im Ruhestand, in den er ja aus Gesundheitsgründen getreten war, noch solche Aufgaben angehen und bewältigen, wie er es tat und wagte? "Die Hilfe steht bei dem Herrn!" Wir wollen hier nicht über die innersten, persönlichsten Dinge eines Menschen mutmaßen und spekulieren. Aber so viel leisten, wenn man so angeschlagen ist, kann man nur, wenn man von einer Quelle weiß und aus ihr schöpft, die nicht von dieser Welt ist und die nicht versiegt, wie menschliche Hilfe und menschliche Kraft. H. S. muß damit Erfahrungen gemacht haben - so könnten wir uns auch die Gelassenheit erklären, die er im- mer zeigte, wenn eine große Aufgabe für ihn anstand. Er wußte wohl, daß ein anderer ihm die Kraft geben oder ihm die Menschen schicken würde, die ihm dann nahe sind und mit anpacken. (Und schön, daß er diese Menschen immer gefunden hat, wenn es darauf ankam!) Das führt uns zu dem andern, worüber am Sarge zu sprechen ist: Da ist eben eine Macht über uns, die uns hält und auf die wir uns verlassen dürfen. Der Gott, an den wir glauben, hält uns in diesem und einmal in einem ewigen Leben. Das hat er uns versprochen. Auch er sagt uns: "Was ich gelobt habe, will ich erfüllen." Ewiges Leben wartet auf uns, in seiner Nähe. Um Christi willen soll uns das geschenkt werden, der ein Mensch war nach dem Gefallen Gottes: In allem gehorsam, in allem tat er den Willen des Vaters, bis ins Leiden, bis in den Tod für die Schuld aller Menschen - für dich und für mich. Christus hat uns das verdient, wenn Gott uns Auf- erstehung und ewige Freude verheißt. Das steht hinter diesen Worten, wenn Gott nun spricht: "Was ich ge- lobt habe, will ich erfüllen!" - Wem gilt dieser Vers? Allen Menschen? Wer darf auf Gottes Verheißung hoffen? Jedermann? Liebe Trauergemeinde, ja - ohne Bedingung! Für H. S. ist Christus gestorben. Für dich, wenn du diese Worte hörst, hat er gelitten und genug getan. Für mich - und ich kann mich nur daran freuen - hat er sich mit seinem Sterben bei Gott eingesetzt und mir damit das ewige Leben verdient. Ich weiß, wie viele Menschen unserer Tage damit ihre Schwierigkeiten haben. Sie klügeln daran herum, sie fragen, wer denn je zurückgekommen wäre, sie zweifeln und können’s nicht glauben... Lassen wir's uns heute sagen. Wieder ein- mal. Und nehmen wir's auf. Und vor allem: freuen wir uns dran: Wir werden auferstehen und leben! "Was ich gelobt habe, will ich erfüllen!" Diese Gedanken, diese Aussichten sind groß, zu groß vielleicht für die Enge unseres Denkens: Das Leben bei Gott, Zukunft über den Tod hinaus, geschenkt, ohne Bedingung!? Wir kennen das anders: Verstrickt sind wir in das eiserne Gesetz "nur Leistung ist des Lohnes wert". Gefangen sind wir in der Vorstellung, jede Gabe müsse vergolten werden. - Bei Gott gibt es nichts zu verdienen, was nicht schon unser ist. Bei ihm ist - um Christi willen - nichts mehr abzugelten. Beschenkte Menschen sind wir. Unverdient beschenkt von einem rei- chen Gott, auf dessen Wort Verlaß ist: "Was ich gelobt habe, will ich erfüllen!" Was bleibt uns zu tun? Danken könnten wir diesem Gott mit unserem Leben und der Art, wie wir's führen. Korrekt könnten auch wir sein, in allem, was uns anvertraut ist. Ungeradheiten könnten wir meiden und den Weg, den wir mit diesem Gott einmal beschritten haben - bis Zuende gehen. Verläßlich für unsere Mitmen- schen könnten wir sein, wie auf unseren Gott Verlaß ist. Auch wir könnten so sprechen, drinnen in unserem Herzen: "Was ich gelobt habe, will ich erfüllen!" Gerecht sollten wir sein, allen Menschen gegenüber. Um den eigenen Vorteil zu wahren, nicht "fünfe gerade sein lassen", aber Hochachtung haben vor Wahrheit und Treue - auch wo sie Mühe und Arbeit kostet. Und unsere Dinge in Ordnung haben, sollten wir, äußerlich und drinnen - im Herzen. So würde das auch bei uns wahr: "Was ich gelobt habe, will ich erfüllen!" Und arbeiten könnten wir - aus Dankbarkeit - für Gott und seine Sache: Ruhig von sich selbst etwas fordern - um der an- dern willen. An den Lasten der Mitmenschen mit-tragen und niemanden beschweren mit dem, was wir gut al- lein schaffen können. So würde das heute unser Versprechen: "Was ich gelobt habe, will ich erfüllen!" Gott hat uns eine große Verheißung gegeben: Auferstehung und ewiges Leben. Wir haben Grund dankbar zu sein und unseren Dank auch zu leben. Selbst wenn uns das vielleicht recht unvollkommen gelingt, versuchen sollten wir's. Gott wird bei uns sein in allem, was wir aus seinem Willen und in seinem Namen beginnen. Er wird ergänzen, wenn unser Bemühen und unsere Kräfte scheitern. Denken wir daran, wie dieser Vers weiter- ging: "Die Hilfe steht bei dem Herrn!" So geben wir nun getrost und im Vertrauen auf Gott unseren Verstorbenen in die Hände dessen, der ihn ge- macht hat. Er gebe ihm, was er ihm und uns allen versprochen hat. Wir wollen Gott glauben: "Was ich gelobt habe, will ich erfüllen!" Wir selbst werden in unserem Leben - solange Gott uns dazu Zeit läßt - ganz gewiß das immer wieder erfah- ren dürfen: "Die Hilfe steht bei dem Herrn." AMEN