Ansprache zur Beerdigung - Plötzlicher Tod eines 75jährigen Ps. 23,4 Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde! Wie oft haben sie das wohl schon gehört in den vergangenen kaum zwei Tagen: "Ich kann das gar nicht glauben!" Wie viele Male mögen Sie, liebe Angehörige, das wohl gesagt bekommen haben: "Das kann doch nicht sein! So plötzlich... so rasch..." Und wirklich: Das ist heute anders als sonst meist, wenn wir einen Menschen betrauern! So schnell müssen unsere Lieben sonst nicht dahin, Gott sei Dank! Ja, ich glaube, das ist das Schlimmste an diesem Sterben, das ist das Schwere, das uns zusätzlich zu diesem Abschied auferlegt ist: Daß es so schnell ging, so schrecklich schnell! Sie hätten Ihrem Verstorbenen so gern noch dies und das ge- sagt. Sie hätten ihm gern noch gedankt, für so manches, was er ihnen bedeutet hat...und er hat ihnen ja so viel bedeutet. Sie konnten es nicht. Sie durften nicht noch einmal reden, danken...eben Ab- schiednehmen. Ein Mensch hat sie verlassen - buchstäblich von einer Minute auf die andere - um nie mehr zurückzukehren! Er trat aus ihrem Leben hinaus - ohne ein Wort, ohne einen Gruß, ohne eine letzte Geste der Verbundenheit. Ich glaube, das macht alles so besonders schwer. Wenn ich da das Wort lese, das wir unserem Verstorbenen und uns jetzt widmen wollen, wird mir bewußt, daß auch dieser Vers anders ist als sonst die Worte zum Begräbnis. Es ist ein Vers, der mir aber wie bestimmt erscheint für diese Stunde des Abschieds von K. R., denn er spricht nicht zuerst zu ihm oder über ihn und sein Leben - sondern zu uns. Denn wir sind es ja, die jetzt Trost brauchen. Wir sind ja jetzt so allein. Wir wurden ja so im Nu verlassen. - Das ist dieser Vers: Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück! Gewiß: Dieses Wort hätte sicher auch mit unserem Verstorbenen geredet! Er hat ja auch schwere Zeiten gehabt in seinem Leben: So früh hat er schon den Vater verloren, so lange im Krieg, die harte Arbeit in der Landwirtschaft und im Holzwald, dann die Frau so früh und auch so plötzlich hergeben müssen... Und schließlich die letzte Lebenszeit - gesundheitlich sehr beeinträchtigt, oft Beschwer- den, häufig Tage, an denen ihm nicht wohl war. Er hat "dunkle Lebenstäler" kennengelernt. Er ist - allem nach, was Menschen voneinander wissen können - auch mit der Hilfe seines Glaubens hin- durchgekommen! Er hat sich begleiten lassen durch den, von dem in diesem Wort die Rede ist, den wir unseren "guten Hirten" nennen. Gewiß wäre das also auch ein passendes Wort an ihn... Dennoch scheint es mir jetzt mehr an sie gerichtet, liebe Angehörige: Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück! Sie, die so plötzlich und unerwartet allein gelassen sind von ihm, sie stehen jetzt doch mitten drin im "dunklen Tal", wissen weder Weg noch Richtung. Was soll denn nun werden? Eine ganze Familie ist einsam. Eine Hausgemeinschaft mußte die Mitte hergeben, den Vater, den Schwiegervater, den Opa, den Hausgenossen und Freund, der immer da war, und der auch für alle da war, den sie liebhatten und der ihnen jetzt im gemeinsamen Leben so fehlt - und erst recht in ihren den Herzen... Und an das kommende Fest können sie gewiß gar nicht denken! Und seine Kraft - so belastet er durch die Krankheit auch war - werden sie auch vermissen: Eine Familie braucht ja viele Hände, viele Ver- richtungen, Einsatz von allen, an ihrem Ort, bei dem, womit sie sich in der Gemeinschaft einbringen können. Keiner kann ihn ersetzen, weder in den Beziehungen noch in den Aufgaben, die Ihre Haus- gemeinschaft hat. Wahrhaftig: Dunkel ist das alles. Da kommen Fragen: Werden wir den Mut nicht verlieren, ohne ihn? Werden wir zurechtkommen? Wird es je wieder hell und vor allem: Ob wir jetzt nicht die Hand des "guten Hirten" verlieren, der uns diesen Menschen so jäh genommen hat? Und "warum" fragen wir auch, warum schon und warum auf diese Weise, so schnell, ohne rechten Ab- schied? Und wir wollen auch von den Ängsten sprechen, die uns jetzt überfallen: Ob die Einsamkeit nicht zu groß wird, ohne diesen Menschen? Ob wir die Trauer durchstehen können? Ob je wieder Freude in unser Herz einziehen kann und ein Lächeln auf unser Gesicht? Und ob ich schon wanderte im finstern Tal... Wirklich: Das beschreibt Ihre Gefühle in dieser Stunde, in diesen Tagen, nachdem er von Ihnen ging. - Aber hören wir weiter, denn der Vers ist noch nicht zuende: ...fürchte ich kein Unglück! Ihnen wird zugemutet, die unbeantworteten Fragen nicht zu groß werden zu lassen! Ihnen wird zugemutet, die Angst im Zaum zu halten, daß sie nicht zu mächtig wird! Ihnen wird zugemutet, sich nicht zu fürchten in ihrem Unglück. Und es wird ihnen auch gesagt, warum; lesen wir den Vers weiter: Denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trö- sten mich. Liebe Angehörige, ich möchte das jetzt nicht nur sagen...ich will es ihnen zu-sagen: Sie sind nicht allein im Dunkel, sie werden begleitet, geführt, beschützt... Das mag uns schwer vor zu- stellen sein, daß da jetzt einer neben uns ist, den wir zwar nicht sehen, der aber doch die Hand über uns hält und uns jetzt hindurchbewahrt. Aber wir werden es erfahren! Immer wenn wir an K. R. denken, was er uns bedeutet hat und daß es jetzt nicht mehr sein kann...und wenn uns dann die Trä- nen in die Augen treten, wird ER da sein, der gute Hirte, mit den Gedanken seines Trostes, mit einer guten Erinnerung, die uns ruhig macht und stark. Immer wenn uns so ganz bewußt wird - am Abend vielleicht - wie allein wir jetzt sind ohne ihn, dann wird ER unseren Blick auf die anderen Familien- angehörigen lenken, die uns ja auch liebhaben und unser Leben mit uns teilen! Immer wenn in der nächsten Zeit die Ängste und die Fragen über uns herfallen, jetzt im Advent, wenn die Herzen so empfindsam und empfänglich sind, dann wird ER bei uns sein - mit seinem Beistand, seiner Hilfe, seiner Verheißung: Wir werden dann wissen, daß unser Verstorbener ja nur von uns gegangen ist, aber nicht ins Nichts gegangen, sondern in Gottes Hände. Das wird uns still machen und getrost. Denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Das ist kein leeres Wort; das ist die Beschreibung für das, was unser Glaube weiß und was auch Sie wissen dürfen: Sie sind jetzt nicht allein in ihrem Unglück. Sie sind begleitet und bewahrt, geführt und geleitet von den Augen des gu- ten Hirten. Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde! Ich glaube fest, daß die Kraft dieses guten Wortes noch viel größer ist, als die Schwere dieses allzu raschen Abschieds. Ich bin gewiß, daß die Hilfe des guten Hirten stärker sein wird, als die Macht der Fragen und Ängste die jetzt nach ihnen greifen. Ich bin sicher, daß der Beistand, den sie erfahren werden, sie nur noch fester im Glauben machen wird und sie durch das Dunkel hindurchbringt. Und ob ich schon wanderte im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Ich wünsche ihnen, liebe Familie R., daß Sie sich fest auf den guten Hirten verlassen können.