Ansprache zur Beerdigung - Tod eines alten Menschen Ps. 31,16 Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde! Wir dürfen heute zwar traurig sein, aber wir müßten doch als Christen ja sagen können zu diesem Sterben! ------------ war ----- Jahre alt. Ihr/sein Leben war gewiß erfüllt. Sie/er ist am ------ (ganz friedlich und ohne jeden Kampf) hinübergegangen und ist jetzt bei Gott - nach unserem Glauben. Wahrhaftig: Wir müßten ja sagen können zu diesem Abschied! Wir Menschen dieser Zeit denken aber nicht gern an den Tod. Wir schieben den Gedanken an ihn beiseite, wir verdrängen seine grausame Macht. Wir wollen nicht wahrnehmen und nicht wahrhaben, daß es ihn gibt und wir wollen möglichst nicht mit ihm in Berührung kommen. Zu schrecklich er- scheint er uns. Zu furchtbar und angsterregend. Neulich sagte eine Frau nach einer Beerdigung: "Ih- re Ansprache war ja ganz schön, aber sie haben zuviel vom "Tod" gesprochen!" Als ließe sich das vermeiden! Als könnten wir unser ganzes Leben lang darum herumkommen, Bekanntschaft mit dem Tod zu machen oder auch nur seinen Namen zu nennen. - Wir können es nicht, und wir wissen es: Dem Tod kann keiner entrinnen. Er ist ja ständig um uns. Er bringt sich in unsere Erinnerung in den täglichen Nachrichten und auf mancherlei andere Weise – immer wieder. Und die Gedanken an ihn lassen sich auf die Dauer auch nicht wegschieben. Er ist unausweichlich. Auch für uns selbst. Wir gehen alle auf ihn zu. Auch wenn wir das nicht wahrhaben wollen. Gerade jetzt - in dieser Stunde am Sarg von ------------ drängt er sich ja förmlich auf, und es will uns nicht gelingen, seiner Macht zu widerstehen. Früher war das Verhältnis zum Tod einmal anders. Es gab eine Zeit, in der die Menschen "natürli- cher" mit dem Tod umgegangen sind. Unseren Eltern und schon gar unseren Großeltern war der Tod selbstverständlich. Deshalb konnten sie auch viel gelassener auf ihr eigenes Sterben zugehen. Für die Alten war der Tod so etwas wie die Liebe des Lebens, wie das Glück, die Saat und die Ern- te. Sie wußten: Der Tod ist nichts Schreckliches, nichts Grausames und Fremdes. Sie wollten auch nicht am liebsten vor ihm fliehen und sie mußten das Denken an ihn nicht verdrängen. Das lag sicher auch daran, daß frühere Generationen noch mehr davon wußten, daß der Tod ja in Gottes Hand liegt. Genau wie alle Dinge, alle Geschichte der Welt, alle Menschen... Und die Alten waren in ihrem Glauben noch viel gewisser, daß uns auch der Tod nicht von Gott trennen kann. Ja, es kam oft vor, öfter als heute, daß einem Menschen nach einem erfüllten, arbeitsreichen Leben der Tod wie ein Freund entgegentrat, ersehnt, herbeigewünscht. "Freund Hein", haben die Menschen den Tod ge- nannt, der sie dann nach Hause führte, zu Gott, der - wie man im Glauben wußte - schon auf seine Kinder wartet. So ist es heute nicht mehr. Meistens jedenfalls. Leider. Das hat sicher viele Gründe, auch manche, die in dieser Zeit und ihrem weltlichen Wesen und den zahlreichen Ablenkungen und Zerstreuungen liegen, die uns heute bestimmen. Liebe Angehörige, ich möchte uns heute, beim Abschied von ------------, zwei Gedanken sagen, die uns helfen wollen, wieder einen anderen Umgang mit dem Tod zu lernen. Denn es wäre wohl gut, wenn wir uns gegen das Unausweichliche nicht immer nur sträuben, sondern uns mit ihm vertraut machen, solange uns Gott mit unserem Leben dazu Zeit läßt. Der erste Gedanke hat mit dem Vers zu tun, den wir unserer/m Verstorbenen heute widmen wollen: Meine Zeit steht in deinen Händen, Gott. Da wird es ausgesprochen, daß ja nicht nur unsere Le- benszeit hier in Gottes Hand ist, sondern alle Zeit - auch die Zeit, die nach unserem Tod für uns an- bricht. Darum ist auch das, was nach der Schwelle des Todes für uns kommt, nichts, vor dem wir uns fürchten müßten. Alle Zeit ist in Gottes Händen! Die in diesem Leben und die Ewigkeit auch. Um unseres Herrn Jesus Christus willen, ist das so. Er hat uns das Leben und die Ewigkeit verdient. Darum müssen wir den Tod nicht fürchten. Durch ihn ist uns der Tod ein Freund geworden! Der zweite Gedanke geht uns auf, wenn wir das Leben selbst betrachten, auch dieses, das da am ---- --------- zuende ging: Wie ein Kreis ist so ein Leben. Es ist nicht eine Linie, die ansteigt oder fällt und irgendwann einmal zuende ist, abgeschnitten wird vom Tod. Nein, das Leben schlägt einen Bogen. Es geht aus - von Gott - und es kehrt einmal zu ihm zurück. Es ist wie ein Tag, der vom Morgen über den Mittag bis zum Abend reicht - und der sich schließlich in einem neuen Tag unter der Sonne der Ewigkeit voll- enden wird. Ich denke, sie spüren jetzt, wie gut und tröstlich diese Sicht des Lebens doch ist und wie sie uns helfen kann, auch den Tod zuzulassen, ihn nicht mehr zu verdrängen oder mühsam ins Vergessen abzuschieben. Das Leben schlägt einen Bogen. Es ist wie ein Tageslauf, der allemal einem neuen Tag weichen muß. Gehen wir zusammen einmal einem solchen Lebens-Tag entlang. Und nehmen wir dabei wahr, wieviel Trost in diesem Gedanken liegt: Stellen wir jetzt einmal einen solchen Lebens-Kreis vor unser geistiges Auge, dieses vollkommene Gebilde ohne Anfang und Ende... Irgendwo, vielleicht unten, beginnt die Linie des Lebens. Die Ge- burtsstunde, die Kindheit, mit ihrer engen und innigen Beziehung zu Mutter und Vater... Das ist die Zeit, in der die Menschen ganz abhängig sind von anderen, schwach und hilflos, der Liebe und Pfle- ge besonders bedürftig. Dann kommt die Jugend, die Schule, die Ausbildung... Die Menschen wer- den selbständig und der eigenen Kräfte bewußt. Dann geht es nach oben immer weiter der Lebens- bahn entlang. Die Arbeit, der Beruf, die Heirat... Dann vielleicht ganz oben: die Mitte des Lebens. die Zeit, in der es viel Glück gibt, die Freude der Ehe und an den Kindern. Aber gehen wir weiter in unseren Gedanken. Verfolgen wir den Kreis des Lebens. Langsam senkt sich die Linie wieder. Sie nähert sich unaufhaltsam und unausweichlich dem uns bestimmten Ende. Die Kräfte nehmen ab. Oft kommen Krankheiten und Beschwerden. Das Alter ist da. Die Schwäche - ähnlich der in der Kindheit - stellt sich ein. Wenn nicht körperlich, dann doch seelisch und oft auch geistig. Vielleicht versagen die Beine ihren Dienst. Oder die Augen werden schlechter. Das Interesse am Tagesgeschehen erlahmt. Immer mehr zieht sich ein Mensch dann in sich selbst zurück. Wie ganz am Anfang wird er hilfsbedürftig und braucht wieder die Pflege und Aufwartung - wie ein Kind. Ja, manchmal hören wir dann alte Leute wieder viel von der längst verstorbenen Mutter sprechen und gar in Stunden der Einsamkeit und Angst nach ihr rufen. Und dann geschieht etwas Entscheidendes. Plötzlich ist die Sehnsucht da: Wenn man doch auch ge- hen könnte. Wenn man doch Abschied nehmen dürfte. Heimgehen... sich heimführen lassen vom Tod. "Freund Hein" wird erwartet. Wir - auf der Höhe unserer Zeit oder auch schon darüber - kön- nen uns das jetzt vielleicht nur schwer vorstellen. Aber das gibt es. Und ich sage: Gott sei Dank, gibt es das! Denn das ist ein großer Segen! Weil es dem Tod den Schrecken nimmt und sein für uns doch so grausames Gesicht in ein freundliches verkehrt. Es hilft dem Menschen, sich loszulassen und den guten Händen Gottes zu überlassen, der ja mehr vorhat mit uns als dieses Leben. (Ja, und so wird es auch bei unserer/m Verstorbenen gewesen sein. Daß sie/er sich zuletzt gesehnt hat, heimzukehren, eben dorthin, wo sie das Ende aller Schwäche, aller Gebrechen, aller Hinfällig- keit erwartete. Und vielleicht wünschte sie/er sich ja auch dort zu sein, wo es ein Wiedersehen mit allen geben wird, die vorausgingen: Mit dem Mann/der Frau, der Mutter, dem Vater, den Geschwi- stern und Freunden...) Und so ist es das zweite, was wir von heute mitnehmen wollen: Das Leben ist ein Kreis. Es nimmt seinen Lauf wie ein Tag: Vom Morgen über den Mittag bis zum Abend. Und dieser Lauf geht aus von Gott und er kehrt heim zu ihm. Und er geht bei ihm in einen neuen Lauf, einen neuen ewigen Tag über. Und Gott selbst hat dieser Bahn des Lebens mitgegeben, was uns helfen soll, sie zu beste- hen: Wie wir ausgehen von Schwäche und Abhängigkeit, so führt er uns am Ende dahin zurück. Das soll es uns leicht machen, das Leben zuletzt wegzulegen wie ein aufgebrauchtes Kleid. Das soll in uns die Sehnsucht wecken, daß wir gerne Abschied nehmen, gern heimkommen, dorthin, wo er selbst uns schon erwartet. Meine Zeit steht in deinen Händen, Gott! So hat es der Beter des 31. Psalms ausgedrückt. So ist es. So war es, und so wird es immer sein, solange Menschen auf dieser Erde wohnen. Und das Le- ben ist ein Kreis. Es beginnt in Gottes Hand und es vollendet sich darin. Dazwischen liegt unsere Zeit hier mit ihren Höhen und Tiefen. Dazwischen schenkt Gott uns Liebe und Glück. Aber auch Trauer und Leid wollen bestanden werden. Und dazwischen legt Gott uns auch seine Botschaft vor, daß er in Jesus Christus unserem Leben ein Ziel und eine Richtung gesetzt hat. Schließlich hilft Gott selbst uns am Ende mit der Schwäche und Hinfälligkeit, die er uns schickt. Wir sollen daran lernen, uns gerne seiner Verheißung zu überlassen und uns auf die Zukunft, die er uns schenken will, zu freuen. So ist es bei unserer/m Verstorbenen gewesen. Wir dürfen dankbar sein und sie/ihn nun getrost den guten Händen Gottes übergeben. Für uns selbst wollen wir das von heute mitnehmen: Meine Zeit steht in deinen Händen, Gott. Das Leben ist ein Kreis. Es vollendet sich einmal bei Gott. Er will uns helfen, es zu bestehen. Das Leben ist keine Irrfahrt, sondern eine Heimkehr. Wir müssen das Leben nicht fürchten und nicht den Tod - durch Jesus Christus unseren Herrn. AMEN