Ansprache zur Beerdigung - Tod nach längerem Leiden Hebr. 13,8 Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde! Das erlebe ich, wenn ich mit den Angehörigen von einem lieben Menschen Abschied nehmen muß, im- mer wieder neu: Jedes Sterben hat seine ganz besondere Botschaft! Jeder Tod will uns etwas mitteilen. Er ist sozusagen wie ein geöffneter Brief an uns, die zurückbleiben: Manchmal ist dieser Brief sehr per- sönlich gehalten, manchesmal spricht er von Freude und Hoffnung auf das zukünftige Leben, manchmal will er uns aber auch mahnen oder gar warnen. Vielleicht so: Ihr, die ihr noch lebt, noch zu leben habt, vergeßt nicht, daß auch ihr einmal diesen Weg gehen müßt! Wenn wir es so sehen, wollen wir dann nicht jetzt den Brief lesen, den uns G. B. hinterläßt? Ja, ich denke, es ist unsere schuldigste Pflicht, mit der wir den Verstorbenen ehren! Wir wollen sehen, was er uns - sozusagen als sein Vermächtnis - zurückläßt. Und G. B. hat uns auch wirklich schriftlich etwas hinterlassen. Der "Brief" den er uns für diese Stunde zu lesen gibt, trägt als Überschrift ein Wort aus der Offenbarung. Es wurde vor über 60 Jahren für die- sen Anlaß aufgeschrieben. Es ist sein Konfirmationsspruch gewesen, ein Wort, das heute sozusagen auch wie die Summe unter seinem Leben steht und als sein letztes Wort an uns, zum Hören und Beher- zigen. Es ist ein Bibelvers, der uns erinnern, mahnen und vielleicht zurechtbringen will. So heißt dieses Wort: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Lesen wir jetzt sozusagen den Brief, den uns der Verstorbene bei diesem Abschied vorlegt: G. B., wie ich ihn gekannt habe, hat in seinem Leben früh diesen Christus kennen- und an ihn glauben gelernt. Er wußte, wer dieser Christus ist: der verborgenen Herr der Welt, der Heiland der Menschen, der den rettet, der ihm vertraut, der siegreiche Auferstandene, der uns die Ewigkeit schenken will: Je- sus Christus gestern und heute... G. B. hat mit diesem Christus mancherlei Erfahrung im Leben ge- macht. Nicht nur in den 9 Jahren Krieg und Gefangenschaft, aber da wohl besonders. So hat er es klar diesem Herrn zugeschrieben, daß er überhaupt nach Hause zurückkehren durfte, daß es für ihn ein Le- ben nach den schlimmen Kriegsjahren gab! Und der Verstorbene hat all die frohen, glücklichen Zeiten, die ihm geschenkt waren, genau so aus der Hand dieses Herrn genommen, wohlwissend, wer ihm die Freude und die Erfüllung in Ehe, Familie und Arbeit zugemessen hat. Und G. B. wußte auch, wer auf uns zukommt, wenn das Leben zur Neige geht und wir hinübergehen in die andere Welt: Das ist Jesus Christus - und kein namenloses Schicksal, kein "alles aus", wie manche sagen und kein "tot und verges- sen", wie viele glauben, sondern Christus, der Herr und Richter, der alle Menschen einmal vor seinen Thron stellt, seien sie nun gläubig oder ungläubig, gut oder böse gewesen. Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Für unseren Verstorbenen ist er jetzt gekommen, wie er für jeden von uns kommt, wenn wir die Augen schließen. Müssen wir uns davor fürchten? Hat er sich gefürchtet, um den wir trauern? Lesen wir weiter in seinem Lebensbrief, seinem Vermächtnis: Ich denke und habe ihn zuletzt so erlebt, er konnte ganz gelassen auf das Ende hier blicken: Er wußte wohl, wir werden keinem gnadenlosen Richter begegnen, der jedem das Urteil zumißt, das er verdient. Nein, bei ihm kriegt auch der noch den "vollen Tageslohn", der "nur eine Stunde gearbeitet" hat! Christus ist kein Rechenmeister! Ja, manchmal denke ich, er kann über- haupt nicht rechnen. Schon damals, als er über diese Erde ging, hat er die am meisten geliebt, die leere Hände hatten. Das Einmaleins frommer Gerechtigkeit hat er nicht beherrscht: Nicht die gesetzestreuen Pharisäer ruft er zu sich, sondern die Zöllner, die Dirnen und die Sünder. Was verlangt er von ihnen, wenn die Rechnung in Ewigkeit einmal aufgehen soll? Nicht gute Werke, nicht Opfer und Selbstver- leugnung, sondern daß sie werden wie die Kinder: Daß sie staunend die Augen aufreißen über die Güte Gottes, die leeren Hände öffnen und sich beschenken lassen...mit der Vergebung der Schuld, mit seiner Liebe und Gemeinschaft, mit dem ewigen Leben. Das erfährt jeder Mensch, der diesem Christus ver- traut: Das Geschenk, frei von Sünde und Schuld einmal vor dem Richter zu stehen und zu bestehen: schon heute in dieser Welt und dann einmal an der Schwelle der Ewigkeit. Wer dann auf sein Recht pocht: Aber mir steht dieser Lohn doch zu; ich habe doch den ganzen Tag ge- arbeitet, der geht leer aus! Wer dann erwartet: Nun werde aber Gut und Böse zusammengezählt und die Summe gezogen, der hat sich verrechnet. Jesus Christus gestern und heute... Und der steht uns für Liebe und Vergebung, für Güte und Leben hier und ewig - aber als Geschenk! Zu verdienen gibt es gar nichts! Verdient hat es der, von dem wir hier hören: Jesus Christus! Mit Kreuz und Blut hat er's erworben. Mit Leid und Tränen verdient. Für uns. Tun wir die Hände auf und lassen wir uns beschen- ken! Und dann: Halten wir diesen Glauben fest, daß es nicht unser Werk und Verdienst macht! Halten wir diesen Glauben fest, daß der Himmel nicht zu kaufen ist, nur als Gabe zu empfangen. Aber halten wir das auch fest: Ohne diesen Christus gehen wir leer aus, ohne ihn haben wir uns entschieden, unser Leben selbst zu machen. Und wir können es nicht! Ein solches Leben hat weder Mitte noch Ziel. Es hat keine Tiefe und letztlich keinen Sinn. Weil das gilt: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Wir spüren jetzt, wie diese letzte Botschaft von G. B. uns doch auch drängt, angeht und mahnt: Wenn du diesen Glauben einmal in deinem Leben gefaßt hast, dann halte ihn - um Gottes Willen - fest! Denn es hängt viel und zuletzt alles daran! Und - wir wissen es alle - das ist ja gar nicht so leicht heute, in ei- ner Welt, die Leistung und Verdienst immer mehr zu Götzen macht! Da gehört Stehvermögen dazu in einer Gesellschaft, in der es recht wenig "geschenkt" gibt und in unseren Tagen ja immer weniger. Wir müssen es wohl sogar verstehen, wenn einer in dieser Zeit den Glauben aufgibt und ihm Jesus Christus abhanden kommt. Zu allgemein ist inzwischen die Lebensregel: Du bist, was du hast und du hast, was du dir erwirbst. Wie aus einer anderen Welt kommt das zu uns: Christus hat schon alles verdient und du mußt dich beschenken lassen! Das scheint nicht in diese Zeit zu passen. Das steht quer in einer Ge- sellschaft, in der Gottes geschenkte Güte tagtäglich tausendfach verraten wird. Trotzdem - oder gerade deshalb: Halte, das fest: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Verlaß' dich vor Gott nicht auf irgend etwas, was du kannst oder bist oder hast oder leistest... Christus ist für dich gestorben. Deshalb bist du frei. Das ist dein "Verdienst". Er schenkt es dir. Das ist genug für die- ses und das ewige Leben! Darum hör' auf, deine Werke vorzuzeigen, deine Vorzüge herauszustreichen und auf dein Recht zu pochen... Sei bescheiden. Freu’ dich an Gottes Gaben. Jesus Christus gestern und heute... Und nur er und sonst keiner. Liebe Trauergemeinde, so lese ich den Brief, den uns G. B. hinterlassen hat. Ich kann nur sagen, daß ich an ihm erfahren habe, daß er das selbst versucht hat zu beherzigen. Es gibt schon ein paar Zeichen, an denen man ablesen kann, ob einem Menschen Jesus Christus wichtig ist oder ob er sich um die eige- nen Verdienste bemüht. Ich habe G. B. in besseren Tagen viel in unserer Kirche gesehen. Er hat die Gemeinschaft mit den Mitchristen gesucht, die uns ja immer helfen will, am gemeinsamen Glauben fest- zuhalten. Das Gebet war ihm vertraute Übung; wer wird auch nicht mit dem sprechen wollen, der ihn so reich beschenkt und der gestern und heute und in Ewigkeit unser Herr und Richter sein wird? Seiner Frau hat er versucht ein guter Mann zu sein, seinen anderen Angehörigen ein guter Vater, Groß- und Schwiegervater. - Das alles ist jetzt gewiß nicht sein "Verdienst", für das wir ihn jetzt loben müßten. Aber es spricht für sein Bemühen, das selbst auch zu tun, was er uns in seiner letzten Botschaft vorlegt: Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. Wir schließen jetzt den letzten Brief von G. B.. Ich bitte Gott um Kraft für uns alle, daß wir ihn recht verstehen und seiner Mahnung folgen können. Halten wir den Glauben fest, daß Christus alles für uns getan hat! Und leben wir so, daß man es uns ansieht, daß wir diesen Glauben im Herzen und nicht nur auf den Lippen haben. Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit.