Ansprache zur Beerdigung - Tod eines Mannes nach langem Leiden Ps. 119,105 Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde! Je länger ich Pfarrer bin, um so mehr erfahre ich, daß jeder Abschied eine Botschaft an die Men- schen hat, die zurückbleiben. Wenn wir einen sehr frühen Tod beklagen, dann heißt die Botschaft vielleicht: Es geht nicht der Reihe nach. Bedenke, daß auch du sterben kannst, so jung oder alt du bist. Stirbt ein Mensch alt und satt an einem guten, gesunden Leben, dann will uns das vielleicht aus- richten: Wie gütig Gott doch ist, daß er einem Menschen schon hier so viel Gnade schenkt. Wird ei- ner mitten aus der Arbeit gerissen, mitten aus vielen Aufgaben im Verein, in der Politik oder der dörflichen Gemeinschaft, dann sehen und lernen wir vielleicht daran, daß zuletzt keiner unersetzlich ist, auch der aktivste nicht, ohne den wir uns das Leben nicht haben vorstellen können. Und immer ist die Botschaft, die uns ein Abschied sagt, so hart und schmerzlich sie auf der einen Seite sein mag, auch gut, auch positiv und freundlich. Sie kann unser Denken zum Wesentlichen füh- ren. Sie kann unser Leben und Handeln dahin beeinflussen, daß wir das wirklich Wichtige tun und das Nichtige, das Unbedeutende lassen. So kann uns ein früher Tod, den wir beklagen müssen, auch dazu helfen, daß wir uns endlich auf das besinnen, was unserem Leben Halt gibt und Tiefe. Vielleicht bringt uns das dann endlich oder wieder auf die Suche nach Gott und dem Glauben an Jesus Christus? Und wenn einer in hohem Alter stirbt - dann sagt mir das, wenn ich selbst auch schon alt sein darf und noch gesund, wie dankbar ich doch sein müßte, daß es mir so gut geht. Und schließlich, wenn einer vom Tod mitten aus seinen Aufga- ben geholt wird, dann könnte mich das dahin bringen, daß ich mich auf das besinne, was es neben aller Arbeit, allem Schaffen und Schuften doch auch noch gibt: Gottes Sache, seine Verheißung des Lebens - über den Tod hinaus. Denn es könnte ja so schnell auch für mich der Tag kommen, an dem alle Arbeit ruhen muß und mich nur noch die Hoffnung trägt und nur noch der Glaube hält. Liebe Trauergemeinde, so hat gewiß auch das Sterben von E. K. seine Botschaft, die wir hören sollten, die uns zurechtbringen und helfen will. Was könnte diese Botschaft sein? Wir wissen, daß unser Verstorbener sich zuletzt weggesehnt hat aus diesem Leben. Sagen wir es ganz deutlich: Er wollte sterben. Immer wieder hat er davon geredet. Immer wieder hat er es ausge- sprochen: Warum kann es nicht endlich vorbei sein? Wir wissen auch, daß E. K. von jahrelangem Leiden schwer geplagt war. Und wir möchten von daher denken, er hätte halt einfach genug gehabt! Die täglichen Schmerzen, die vielen Einschränkungen der Bewegung, die Lebensfreude so beein- trächtigt von vielen täglichen Pflegemaßnahmen, die Ängste bei den Anfällen... Ja, gern glauben wir, das alles hätte ihn zermürbt und ihn den Tod einem solchen Leben vorziehen lassen. Dieses Denken wäre aber nur die halbe Wahrheit und gewiß nicht die ganze Botschaft dieses Abschieds! Denn wir haben auch solche Worte von ihm gehört: Warum holt Gott mich denn nicht? Warum darf ich nicht heimgehen? Und sie spüren das jetzt, liebe Trauergemeinde, das ist etwas anderes, das ist viel mehr! Hier hat also ein Mensch nicht nur endlich ein böses, leidvolles Leben hinter sich haben wollen, son- dern hier hat ein Mensch auch weit über dieses Leben hinausgeblickt und wollte daheim sein, wollte sehen, was er geglaubt hat, wollte bei Gott sein. Und das, erst das ist jetzt das Ganze, was dieses Sterben uns ausrichtet. Darin liegt die volle Botschaft. Wollen wir sie hören? - Dann sagt sie uns heute: Ihr, die ihr noch im Leben seid, einem guten, gesunden Leben vielleicht, vergeßt nicht, daß diese Spanne zwischen Geburt und Tod nicht alles ist! Uns ist mehr versprochen als 70 oder 80 Jahre, mehr als diese paar Dutzend Sommer und Winter, mehr als dieses Werden, Wachsen, Blühen und Vergehen... Auf uns wartet eine Ewigkeit! Und die können wir uns nicht mit eines ganzen - vielleicht langen - Lebens Arbeit verdienen. Die hat gar nichts zu tun mit dem, was wir uns aufbauen, ob wir ein Haus in dieser Zeit und viel Besitz haben, wieviel Ansehen oder Einfluß wir hier gewinnen... Ach, im Gegenteil! Manchmal meint man ja wirklich, das hindere nur den Glau- ben und die Gedanken an eine ewige Zukunft! Denn wer sich nur mit Geld und Gut beschäftigt, wen nur die Ausstattung seines Lebens hier interessiert und bewegt, der wird seinen Blick nur schwer he- ben können und hinausbekommen über diese Welt und ihre Dinge. Aber da ist und da bleibt - Gott sei Dank! - diese andere Wahrheit, die nicht von dieser Welt ist: Wir sind nicht für den Tod ge- schaffen! Gott will, daß wir leben, daß wir immer bei ihm sind und uns einmal ewig seiner Nähe freuen. Dazu ist sein Sohn Jesus Christus in diese Welt gekommen. Dazu ist er gestorben und aufer- standen. An ihm können wir sehen, glauben und begreifen, daß unser Leben viel mehr ist als die paar Jahrzehnte zwischen Wiege und Bahre. Das Leben - mit diesem ewigen Ausblick - ist eine Herrlich- keit! Aber die Botschaft, die uns dieser Abschied nahebringt, geht noch weiter: All denen, die leiden müs- sen in diesem Leben, sagt sie: Da kommt eine Welt für uns, in der wir all dessen nicht mehr geden- ken werden, was uns hier beschwert hat, worunter und woran wir gelitten, was uns die Tage vergällt und die Nächte zum Weinen gebracht hat. All unsere Schmerzen werden vorbei sein. Alle Tränen werden getrocknet, unsere Fragen beantwortet und der Sinn all unseres Leids wird uns einleuchten. Denn es liegt ein für alle Mal ein Sinn - auch im Leid! Und wenn es nur dieser wäre: Daß es uns im- mer wieder fragen läßt, warum? Daß es uns immer aufs Neue die Augen nach drüben heben läßt und unser Sehnen wachhält nach diesem anderen, neuen, unbeschreiblich weiten Leben in Gottes ewiger Welt. Wohlgemerkt: Wir sollen nicht ver-tröstet werden, aber ge-tröstet. Denn es ist der Trost im Leiden, wenn wir wissen, daß es einmal aufhört, daß es einmal hell wird, und aller Schmerz und alles Dunkel einem herrlichen, ewigen Morgen weichen muß. Und ich wage es, auch noch diese Botschaft auszusprechen: Vor dem Hintergrund dieser großen Zukunft, die Gottes Leuten versprochen ist, muß uns das Leid nicht mehr nur als das böse, schreckliche Verhängnis erscheinen. Es hat auch diese andere Seite: Daß es in uns die Sehnsucht nach dem Ende des leidvollen Lebens weckt und erhält und den Glauben an die Welt ohne Leid, Angst und Tränen stärkt! Denn es ist sicher kein Zufall, daß gerade leidende Menschen sich ganz fest an die Hoffnung klammern und sich daran mit gewissem Glauben halten, daß nach dem Tod das Eigentliche kommt, das unbeschreiblich Schöne, das Land, in dem nur Freude ist und nur Lachen. Es ist dieser Glaube, aus dem heraus Menschen dann so spre- chen können: Warum holt Gott mich denn nicht? Warum darf ich nicht heimgehen? Liebe Trauergemeinde, ich habe lange nachgedacht, wie ich diese Gedanken um die Botschaft des Sterbens von E. K. nun zusammenbringe mit dem Wort, daß einmal der Trauspruch der Eheleute Krämer war, und das ich ihm und uns jetzt widmen möchte: Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege. Ganz plötzlich ist mir dann klar geworden, daß es wohl für E. K. dieses Wort Gottes war, das seinem Fuß geleuchtet und seinem Weg Licht gegeben hat: Gottes Zusage nämlich, daß wir leben sollen. Gottes Versprechen, daß er uns aus dem Tod heraus- holt um Jesu willen. Gottes große Verheißung, daß er uns bei sich haben will, eine ganze Ewigkeit lang! Gewiß umfaßt Gottes Wort noch viel mehr! Und gewiß kann auch anderes an diesem Wort unseren Weg hell und unsere Schritte sicher machen. Aber ist es nicht zuletzt die Mitte des Wortes Gottes, daß es uns Leben schenken will, ewige Hoffnung geben will und eine Aussicht über die dunkle To- desgrenze hinaus? Was wären denn Gottes Worte der Liebe - wenn diese Liebe dann am Tod ihr Ende hätte? Was wären denn Gottes Mahnungen, das Leben nicht auf die Güter zu bauen, sondern auf den Felsen Christus, wenn das Leben dann doch ins Nichts fiele und keine Spur davon bliebe? Und was wären schließlich alle Nöte und Leiden der Menschen, wenn Gott nicht irgendwann auch einen Ausgleich dafür schenken und eine Ruhe von ihnen geben würde? Herr, dein Wort ist meines Fußes Leuchte und ein Licht auf meinem Wege. Doch: Wir können nur leben mit dieser Verheißung! Sie ist der tiefste Grund aller anderen Worte Gottes! Wir tun gut daran, uns heute wieder einmal auf diese Verheißung Gottes aufmerksam machen zu lassen: Dieses Leben ist nicht das Ganze! Ich habe mehr mit euch vor als diese Spanne zwischen Kommen und Ge- hen. Haltet euch an Jesus Christus, der um dieser Hoffnung willen gestorben ist und um eures Glau- bens willen auferstanden ist. Liebe Trauergemeinde, lassen wir uns von der Botschaft dieses Ster- bens zu diesem Glauben führen: Ob wir ein gesundes, frohes Leben haben oder ob wir im Leid sind: Es gibt das Wort Gottes vom ewigen Leben! Es gibt drüben ein Auferstehen, eine Welt der Freude, des Lachens, es gibt ein Wiedersehen... Amen.