Ansprache zur Beerdigung - Früher, plötzlicher Tod eines Mannes Offb. 2,10 Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde! Ich glaube, das empfinden wir alle jetzt...wie besonders traurig das doch ist bei diesem Abschied: Die Frau des Verstorbenen liegt schon länger im Krankenhaus. Jeden Tag in dieser Zeit hat E. R. sie besucht. Und dann - vor drei Tagen - kommt er nicht zur gewohnten Zeit. Die Frau wartet auf in, grämt sich, macht sich Sor- gen...um dann zu erfahren, er ist gestorben...ohne, daß einer bei ihm war, irgendwann über Tag...allein. Und wir können auch nachfühlen, was das heißt: Man konnte nicht Abschied nehmen, von einem Augenblick auf den anderen ist ein Mann hinausgegangen aus dieser Welt, diesem Leben, aus allen Beziehungen... Kein Gruß, kein Wort, kein Dank... Und schließlich können wir gewiß auch mitempfinden, wie schwer es jetzt, in dieser Stunde, für die Frau sein mag, daß sie nicht hier sein kann, nicht teilnehmen kann an diesem Gottesdienst und nicht nachher den letzten Gang in dieser Welt mit ihrem Mann gehen kann. - Und wir wollen mit unseren Gedanken jetzt ganz nah bei ihr sein, die jetzt auch bei uns ist... Darum ist es uns jetzt um so mehr eine Pflicht, ihren Bitten für diese Ansprache nachzukommen. Einmal hat sie sich gewünscht, daß wir nicht mehr als die wichtigsten Daten dieses zuende gegangenen Lebens nennen, daß wir vielmehr auf die Heilige Schrift hören... Und dann wollte sie es gern, daß wir jetzt über das Wort nachdenken, das ihr und ihrem Mann einmal vor diesem Altar zum Trauvers geworden ist. Die erste Bitte ist schon erfüllt. Kommen wir jetzt der zweiten nach. Das ist das Bibelwort, das den Rühls vor über 38 Jahren bei ihrer Trauung auf den gemeinsamen Weg mitgegeben wurde. Es steht im Buch der Offenbarung im 2. Kapitel: Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Lebens geben. Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde! Wir Christen wissen das ja, namentlich wir evangelischen Christen: In den Dingen des Glaubens läßt sich nichts berechnen. Selbst wenn wir das beste Leben führen, können wir einmal nicht sagen: "Gott, ich habe dir doch immer gedient, jetzt mußt du mir aber auch die ewige Freude geben! Gott muß überhaupt nichts! Wir können - und sollen - uns bemühen: Unsere Gaben für die Mitmenschen einsetzen, nach Kräften und Ver- mögen geben und teilen, Gottes Liebe weiterreichen. Wie das am Ende ausgeht, können wir nicht sagen. Ob und wie wir dann damit vor Gott bestehen, weiß nur er. Garantien werden vorweg keine ausgestellt. Und ich denke, das ist auch gut so. Wir kennen doch unsere Natur: Wenn wir sicher wüßten, was für uns persönlich einmal nach dem Tode kommt, wir würden wohl leicht faul und träge. Dann würden die Früchte unseres Glaubens spärlich. So ist es sicher auch diese Ungewißheit, die uns zu guten Werken treibt. Wir möchten doch nichts versäumen, was uns einmal vor Gottes Richterstuhl fehlen könnte. So wissen wir zwar, daß wir uns den Himmel nicht verdienen können. Das andere aber ist auch wahr: Die ewige Freude, die uns versprochen ist, spornt uns zum christlichen Leben an. Wir denken da ganz prak- tisch...menschlich: Gott wird wohl doch einmal unsere guten Taten belohnen. - Aber ist das wirklich so? - Der Vers, den wir in dieser Stunde des Abschieds von E. R. betrachten wollen, könnte dieses Denken sogar noch bestärken: Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die Krone des Le- bens geben. Legt es uns dieser Vers denn nicht nah, zu glauben, wenn wir nur dies und das leisten, werden wir einmal eine Belohnung dafür erhalten: Wenn du getreu bist bis in den Tod, dann will ich dir die Krone des Lebens geben. Und das steht immerhin in der Bibel! Und dieses Denken soll nun ganz falsch sein? Das soll nicht gelten, weil wir dabei verdienstlich reden, weil wir damit bei Gott einklagen wollen, was - wie wir meinen - unsere guten Taten wert sind? Und weil das nicht evangelisch ist und überhaupt keine christlichen Gedanken? - Aber was will Gott denn von uns haben, wenn er hier "Treue" von uns verlangt? - Ob er nicht vielleicht einen ganz anderen Maßstab dafür hat, wie wir treu sein sollen und was er sonst von uns haben will?? Anders gesagt: Irgendein Maß muß es doch geben dafür, was Treue ist und ein rechtes christliche Verhalten? Liebe Gemeinde, es gibt dieses Maß. Es gibt den Maßstab Gottes. Er heißt Jesus Christus. Wenn wir uns fra- gen, ob ein Mensch denn treu ist - ja, ob wir selbst treue Menschen sind, dann müssen wir aufhören, nach uns selbst zu sehen. Treu - das heißt nicht, treu in unserer Ehe oder in unseren Beziehungen zu den Menschen (wenn das auch wichtig und wunderbar ist, wenn einer hier treu zu sein versucht!). Es heißt auch nicht, treu beim Kirchgang oder im Gebet (wenn das auch ein guter Brauch für uns ist und gewiß hilfreich für unser Le- ben!). Und es heißt nicht ein Leben im Sinne dieses Sprichworts: "Tue recht und scheue niemand" (- wenn das auch eine menschliche Lebensregel ist, die Beachtung verdient!). Nein, "treu" sein, das hat mit dem Maßstab für uns Christen zu tun; mit dem Mann aus Nazareth, nach dem wir heißen. In ihm hat unser Gott ein für alle Mal gesagt, welche "Treue" er erwartet. - Wie war dieser Herr? Wie sieht seine Treue aus? Denn an ihm sollen wir uns messen und an ihm werden wir uns einmal messen lassen müssen. Treu war er - bei den Ausgestoßenen der Gesellschaft. Mit den Zöllnern und Sündern seiner Zeit hat er Ge- meinschaft gehalten. Die Ärmsten, die Elenden hat er an seinen Tisch geholt, den Kranken, den Schwachen war er in besonderer Weise zugetan. Treu war er in der einfachen Lebensweise, in der Armut, ja im Betteln, das er sich selbst auferlegt hatte. Er hatte ja nicht einmal, wo er sein Haupt hinlegen konnte. Treu war er - bei seinem Auftrag: Er ist den Verlorenen nachgegangen, die Zerschlagenen hat er aufgerichtet, den Verkehrten hat er neuen Lebensmut gegeben. Und wirklich nicht zuletzt: Treu war er - im Leiden. Er ließ sich schlagen und verhöhnen. Er, der doch unschuldig war und niemals einem Menschen etwas Böses zugefügt hatte, ließ sich bespucken und geißeln. Treu war er schließlich - bis zum Tod: Er stirbt wie ein Verbrecher am Holz des Kreuzes. Für seine Freunde, für uns! Sei getreu bis in den Tod... Wenn je einer treu war, dann er. Er ist unser Maßstab, von Gott gesetzt, denn wir sind "Christen". Wenn je einer einen Anspruch auf die "Krone des Lebens" erheben konnte, dann er. Er ist unser Maß. Schauen wir nach ihm - und schauen wir dann nach uns: Sind wir treu? Aber fragen wir uns das ehrlich! Ist es nicht so: Wir - noch die Besten - sorgen für das Eigene. Unser Fortkommen, unser Besitz, unser anse- hen, unsere Freude. Das ist uns wichtig. Teilen - wie dieser Jesus das konnte - ist nicht so unsere Sache. Lie- ber festhalten, bewahren, sichern, was wir in Händen halten. Wie laut und wie oft hören wir unseren Auftrag noch, der doch daher kommt, daß wir diesen Jesus zum Herrn haben? Anderen ein Halt sein. Den Schwachen ein Helfer. Den Sprachlosen ein Fürsprecher. Den Hoffnungs- losen einer, der von Zuversicht spricht und sie durch sein Handeln weckt. - Sind wir treu? Ja, sind wir schließ- lich auch zum Leiden bereit, wenn das von uns gefordert wird - um Christi willen, für unsere Überzeugung, unseren Glauben? Noch einmal: Sind wir treu - gemessen an ihm? Sei getreu bis in den Tod... Wir merken es jetzt, wahrhaftig, verdienen können wir gar nichts! Unser Tun, noch das beste! - bleibt ja weltenweit hinter dem zurück, was unser Maßstab uns vorgegeben hat: Jesus Chri- stus. - Er hat die "Krone des Lebens" verdient. Er allein. So wollen wir heute - da wir auf dieses Wort hören - diese Wahrheit bezeugen: Es ist nie und nimmer unser Verdienst, wenn wir die Krone des Lebens erlangen. Es ist Gottes Geschenk, um Christi willen! Darum ver- bietet sich für uns alle Berechnung, alle Gedanken, es könnte irgendwann einmal einen Lohn geben für unsere Taten, unsere Liebe, unsere Treue... Was könnten wir denn noch gewinnen, was nicht schon gewonnen ist? Die Krone ist verdient. Ein für alle Mal. Wir können sie nur erlangen, indem wir sie uns schenken lassen. Und damit dann - allein damit! - werden wir vor Gott bestehen. - So ist es unser Glaube, gerade wenn wir evange- lisch sein wollen. Aber von daher öffnet sich uns jetzt eine andere, ganz neue Sicht auch auf dieses Wort: Sei getreu bis in den Tod... Wenn wir das nämlich hören: Die Krone ist schon verdient, für dich und mich...spornt das nicht unseren Dank an? Sie gehört uns schon, diese Krone des ewigen Lebens!, können wir denn da anders, als in großer Freude und Dankbarkeit das tun, was Gott von uns haben will? Jetzt kann, jetzt wird unsere Treue eine ganz neue Größe bekommen. Jetzt können wir, frei von allen Gedan- ken an Verdienst und Lohn, all das für unsere Mitmenschen sein und tun, was uns Jesus Christus vorgelebt und geboten hat: Teilen, lieben, sich einander annehmen, von der Hoffnung sagen, von Trost reden...mit einem Wort: den Glauben leben. Die Dankbarkeit allein kann uns jetzt davor bewahren, daß wir faul und schläfrig werden im christlichen Handeln. Liebe Trauergemeinde! Sei getreu bis in den Tod... Noch der beste, der treuste Mensch kann nicht bei Gott verdienen. Unsere Treue ist immer nur Antwort auf das Geschenk der Treue bis zum Tod, das uns allen in Je- sus Christus zuteil wird. Unsere Treue kann jetzt immer nur unser Dank an den sein, der allein treu war im Sinne Gottes. Wir sollen die Krone des Lebens empfangen - durch Jesus Christus, unseren Herrn. Bemühen wir uns doch jetzt auch um Treue in unserem Leben. Tun wir's nicht, um irgendetwas bei Gott zu erwerben. Das ist ausgeschlossen. Tun wir's aus Dankbarkeit, denn die "Krone des Lebens" ist verdient! Unser Herr teilt sie mit uns. Ich finde, wir dürfen sehr dankbar sein. AMEN