Ansprache zur Beerdigung - Tod einer alten, frommen Frau Joh. 14,2 Liebe Angehörige, liebe Trauergemeinde! Sicher, da ist ein alter Mensch gestorben, sie war 83. Und gewiß hätten wir Grund mit diesem Tod versöhnt zu sein, der zu ihr kam wie ein Freund und sie - wie sie es sich immer gewünscht hat - sanft, ohne Kampf aus diesem Leben geleitet hat. Gewiß auch kann ein Mensch nicht mehr vom Le- ben verlangen, als so lange, wie sie es war, rüstig zu sein und bei klarem Verstand, Krankenhäuser kaum von innen gesehen zu haben und schließlich eben ganz zuletzt so friedlich hinübergehen zu dürfen. Sie hätte auch nicht mehr erwartet. Aber da gibt es auch andere Gedanken: Denn hilft das denen, die nun zurückbleiben? Macht das die Leere des Hauses erträglicher? Läßt das ihre Stimme weniger schmerzlich vermissen? Gibt das einen Trost für die Menschen, die sie verloren haben? Sie müssen weiterleben ohne sie. B. T. wird ihnen sehr fehlen und auch die Aufgabe und die Erfüllung, die das Leben mit ihr - bei mancher Mühe - für sie bedeutet hat, wird ihnen fehlen. Da ist eine Lücke entstanden - die kann kein Mensch mehr aus- füllen. Das schmerzt und das tut weh jetzt - ohne sie - allein zu sein. Und da kommen ja jetzt gewiß auch wie von selbst Bilder vor ihre Augen: Der Sessel, in dem sie immer gesessen, wird nun leer bleiben. Die Bank vor dem Haus, der Stuhl, den sie sich in die Sonne gerückt hatte... Wie oft werden sie dorthin blicken und die traurigen Gefühle werden wieder da sein... Wir empfinden das jetzt ganz deutlich: Es gibt kein noch so "gutes Leben", das diesen Verlust wett- machte. Und es gibt kein schönes Sterben, das sie darüber hinwegtrösten könnte, daß jetzt diese Frau nicht mehr bei ihnen ist, die sie geliebt haben. - Trotzdem: Wir wollen, wir müssen darüber hinauskommen! Wir suchen Trost in dieser Stunde - und wir suchen ihn im Wort Gottes, das uns zwar nicht das Leid erspart und den Schmerz der Trauer nimmt, das uns aber helfen will, diesen Tod und das Sterben überhaupt auch in einem anderen Licht zu sehen - im Licht der Hoffnung und im Licht der Auferstehung. Wer uns dieses Licht erworben hat, wissen wir: Jesus Christus. Sein Sterben für uns, sein Leiden für andere ist von Gott als unsere Versöhnung angenommen. So haben wir's im Konfirmandenunterricht gelernt. Gott reißt Jesus aus dem Tod, macht ihn zum Erstling der Auferstandenen. Ihm sollen alle die ins Leben folgen, die ihn zum Herrn haben und seinen Willen tun. Ein Wort dieses Herrn soll uns zur Widmung für diese Stunde werden es steht bei Johannes im 14. Kapitel. Jesus sagt dort: Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen. Ich gehe hin, um die Stätte für euch bereitzumachen. Wie gesagt, mit ihrem Tod kann uns das wohl noch nicht versöh- nen, aber ist das nicht tröstlich zu hören: Es gibt drüben eine "Wohnung" für ihre Mutter, Schwie- ger- und Großmutter. Sie wird dort zu Hause sein, "beim Vater" wie Jesus sagt, und sie wird nicht allein sein, denn "viele" wohnen dort. Und wo man ein Zuhause hat, eine Wohnung, bei einem Gott, den wir Vater nennen dürfen - sollte da nicht auch die Freude wohnen, ein Glück ganz unbeschreib- licher Art, Erfüllung und wirkliches Leben in der Nähe des Allerhöchsten? Macht uns das jetzt nicht doch ein wenig ruhiger, wenn wir an unsere Verstorbene denken? Sie hat den die Freude, den Schmerz, das Leid, die Unvollkommenheit dieser Welt eingetauscht gegen die Herrlichkeit einer himmlischen Wohnung! Wir wissen nicht mehr darüber als dies: im Hause des Vaters ist uns diese neue Bleibe bereitet. Aber wird uns der Schöpfer, der uns gemacht hat, der uns so liebt, nicht bei sich ein Zuhause schenken, das seiner Größe wert ist? Und auch das will uns stärken: "Ich gehe hin, um die Stätte für euch bereitzumachen." Wir müssen uns keinen Augenblick um unsere Ver- storbene sorgen. Ihre Stätte drüben ist schon bereit. Wir werden erwartet, wenn wir hinübergehen. Hinter der dunklen Tür, vor der uns ja meist bang ist, wird es hell und in diesem Licht werden wir ungeahnte Wunder erblicken. Ich sage jetzt ganz bewußt: "Wir". Denn denken wir beim Sterben ei- nes lieben Menschen nicht immer auch an unser eigenes Sterben. Stellt nicht alles, was wir jetzt als Trauernde so schmerzhaft erleben, auch an uns selbst die Frage: Was wird aus mir, wenn ich einmal von dieser Welt gehen muß? Wenn das Haus jetzt leer ist, ohne sie, fragt das nicht: Wo gehe ich hin, wenn man mich einmal fortträgt? Wenn zu Hause der Klang einer vertrauten Stimme fehlt, fragt das nicht: Wo werde ich sein, wenn auch meine Stimme dort verklingt, wo ich heute noch wohne? Dar- um lassen wir uns das doch auch sagen: Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen. Ich ge- he hin, die Stätte für euch bereitzumachen. Das möchte uns allen Mut machen. Und das möchte uns allen heute wieder einmal etwas in Erinnerung rufen, was wir in der Hetze, der Mühsal oder auch der Freude des Lebens leicht vergessen: Das Leben erschöpft sich nicht in den 70 oder 80 Jah- ren zwischen Geburt und Tod. Es kommt von Gott, und er erhält es uns, und er nimmt es uns am Ende wieder. Aber nicht, um uns dann für immer fallen und sterben zu lassen. Unser Weg in dieser Welt ist sinnvoll, er hat ein Ziel. Wir sind nicht dazu bestimmt, einmal ins Nichts zurückzukehren, sondern wir sind beschenkt mit einem Leben auf Gott, auf seine Ewigkeit hin. Gott wartet am Ende des Weges durch diese Welt auf uns - unsere Wohnung bei ihm wartet auf uns. Da denken wir jetzt wieder an B. T. Und wir spüren, wie sehr gerade diese Worte um die ewige Wohnung mit ihr zu tun haben und für sie passen: Haben wir nicht an ihr erlebt, wie sie in den letz- ten drei oder vier Jahren immer mehr und immer intensiver in ihren Gedanken drüben war in Gottes neuer Welt? Die gewisse Hoffnung, daß da eine Wohnung ist für alle, die sie im Laufe des Lebens hier hat schmerzlich verabschieden und vermissen müssen, hat ihr geholfen, hat sie getröstet. Sie wußte in ihrem Glauben offenbar, daß der Mann, die so früh verstorbene Tochter, der Sohn und all die anderen nun auf der anderen Seite des Lebens wohnen und zu Hause sind. Und - da bin ich ganz gewiß! - dieser Gedanke ist es auch gewesen, der ihr selbst jetzt den Abschied und das Sterben so leicht gemacht haben: Ich gehe - um Christi willen - aus dieser in eine ewige Wohnung. Dort ist mir schon eine Stätte bereitet. Dort werde ich auch endlich die wiedersehen, die ich hier geliebt habe und dort ewig lieben darf. Aber kehren wir zu uns zurück. Eine Frage ist jetzt sicher in uns allen groß geworden: Ist diese Wohnung bei Gott jedem Menschen bereitet? Ich zögere mit der Antwort, denn wir geraten hier an die Grenze dessen, worüber ein Mensch reden kann, reden darf. Ich möchte auch hier nur das Wort Jesu sprechen lassen: Ich gehe hin, die Stätte für euch bereitzumachen. "Für euch" - An wen richtet sich das - damals? Die Jünger waren gemeint, seine Vertrauten, Leute, die ihn liebhatten und als ihren Herrn bekannten, die an ihn glaubten. Und heute? Frage sich jeder, wer der Herr seines Le- bens ist, auf was er sein Vertrauen setzt, woran er glaubt. Fragen wir uns das ehrlich und ohne Aus- flüchte. Den Seinen, den Freunden, seinen Bekennern und Nachfolgern hat Jesus den Ort ewiger Freude bereitet. Die können getrost und guten Muts nach vorn blicken, mag da Leid kommen, mag da der Tod schrecken. Dahinter fallen wir in die offenen Hände des Vaters, um für immer in seiner Nähe zu sein. So geben wir jetzt B. T. in Gottes Hände. Sorgen wir uns nicht um sie, denn für sie ist jetzt gesorgt. Diese Zuversicht wird uns helfen, unseren Schmerz über ihren Tod zu tragen und zu überwinden. Nutzen wir die Zeit, die uns bleibt, dazu, Vertrauen auf Gott und Glauben an Jesus Christus zu su- chen und zu finden. Wer sich auf Gott verläßt und diesen Jesus Christus seinen Herrn nennt und auch wirklich sein läßt, der findet Ruhe, Gelassenheit und Erfüllung in dieser Welt - und die gewisse Hoffnung, daß es nach dem Tod mit ihm weitergeht. Nicht nur für B. T., für uns alle hat Jesus das gesagt: Im Hause meines Vaters sind viele Wohnungen. Ich gehe hin, um die Stätte für euch bereitzumachen.