Aus dem dritten Band der Gedichte von Pfr. Schein: "In Eichendorf bei Pfr. Schein" Heut' hat Herr Schein sich vorgenommen, dem Leser rätselhaft zu kommen in Eichendorf und überall. - Wir hören einen Rätselfall, darin spielt der geheimnisvolle, der große Z. die Schlüsselrolle. Der Mann ist Euch noch nicht bekannt? Er wird wohl »Zeitgeist« oft genannt, doch ist der Name nicht der rechte! Das Rätsel heißt, was ist der echte, der wahre Name? Wer errät des Herren Z. Identität? Wer weiß am Ende der Geschichte, von wem — verschlüsselt! — ich berichte? Das soll für Euch die Frage sein. So ratet jetzt mit Pfarrer Schein. Pfarrer Schein stellt ein Rätsel Ihr seid die ersten, die es lesen: Herr Schein ist selbst bei Z. gewesen. Er wohnt inmitten jeder Stadt und jedes Dorfes, ja, er hat wohl tausend und nochmal so viele im Land verstreute Domizile, - so auch im Dorfe Pfarrer Scheins gleich einige - und nicht nur eins! Herr Z. wollt' erst die Tür ihm weisen, doch war Herr Schein nicht abzuspeisen, und also ließ er ihn ins Haus. Wie sah es da doch seltsam aus! Ein wenig wie in schlechten Träumen, mit Gängen, Türen, weiten Räumen . . . Voll Tannenduft der erste Raum, und mittendrin ein Lichterbaum, darunter Berge von Geschenken! Da gab es, was man sich nur denken und wünschen kann: Die Eisenbahn, die Zinnsoldaten und der Kran, die Puppenküche nebst dem -wagen, das Kleidchen mit dem Spitzenkragen. Auch Große waren reich bedacht: Das Nerzcape, das Furore macht, der Föhn, der Ring, die Samtgardine. Für ihn: Die neue Bohrmaschine, der Pelzhut und noch vieles mehr. Dort auf dem Tisch stand, bitte sehr, die Gans, man sah das Fett ihr triefen. Im Hintergrund - ganz passend - liefen die alten Weisen, die man kennt und gerne »Weihnachts«-lieder nennt: Von »Pfeffernüssen« und von »Gaben«, vom »Schenken«, »Essen« und vom »Laben«, von »Freude«, »Frieden«, »Kerzenglanz«, von »Weihnachtsmann« und Weihnachtstanz«, vom »Wartenmüssen«, das so bitter, von »Glocken«, »Klingen«, »Fest« und »Flitter« und von »der Nacht, die keiner gleicht«. Schein hat die nächste Tür erreicht; er öffnet, tritt hinein ins Zimmer . . . Hier ist es dunkler, roter Schimmer beleuchtet jetzt die Szenerie. An solchem Ort war Schein noch nie; ein Raum voll schwüler Atmosphäre und heiß, als ob's ein Brutschrank wäre! Hier wird mit keinem Ding gegeizt, was irgendwie die Sinne reizt: Girlanden in den schrillsten Farben, dazwischen Pfauenfedergarben und Masken, um sie vorzuzieh'n, Kostüme auch für Sie und Ihn; und dort, das zielt auf Männerlüste, auf Bildern unbedeckte Brüste und schamlos nackt auch manche Scham! Dazu - jetzt wird's zum Melodram - gibt's solche Weisen auch zu hören, die Sinne locken und betören mit Geigenschluchzen schmeichelnd zart und Trommelschlagen dumpf und hart . . . Hier herrschen, kaum kann man sich wehren Begierden, Triebe und Begehren, - das Reich von König Karneval! Schnell öffnet Schein den dritten Saal; was mag ihn hier wohl erst erwarten? Doch es wird hell, man meint: ein Garten, der ringsum blumig tapeziert. Am Boden in des Raums Geviert liegt grüner Teppich wie ein Rasen, darauf - aus Schokolade! - Hasen und Zuckerküken und dabei in kleinen Grüppchen Ei an Ei, in vieler Nester grüner Grube . . . Dann ist das wohl die Osterstube, - wir seh'n, man folgt des Jahres Lauf! Schon tun sich weit're Türen auf: Der nächste Raum zeigt Tisch und Bänke und Theke, Zapfhahn, - eine Schänke ist von Herrn Z. hier aufgebaut. Die Marschmusik tönt brüllend laut: Hier rastet man zu den Gelagen an Himmelfahrts-, nein: Vater-tagen, wenn Männe seiner Freiheit frönt. Im nächsten Zimmer röhrt und tönt die Blasmusik in strammen Klängen: An Schieß- und Jahrmarktsbuden hängen in Trauben Kinderkram und Tand. Und drüben sieht man auch den Stand für all die leiblichen Genüsse: Die Würstchen, Mandeln, Negerküsse . . . Und dort - inmitten - rasend schnell dreht sich das Kirmeskarussell. Herr Z. zeigt Schein noch manches Zimmer, und eines folgt aufs andre immer gerade wie im Kirchenjahr . . . und endlich wird's dem Pfarrer klar: Die Räume bieten nur Kulissen, den Kern der Feste muß man missen, ja, man entdeckt nicht eine Spur! Das ganze Haus ist »Feier« nur, ein weltlich-äußerliches Treiben. Wo mögen nur die Dinge bleiben, die hinter diesen Festen steh'n? Hier fehlen sie, sind nicht zu seh'n! Und Z., als hätt' er's schon gerochen, wird bleich, als Schein ihn angesprochen. Es fehle etwas? Was denn bloß? Das Angebot sei riesengroß, für jeden Anlaß gäb' es eines, und - er wird stolz - es wär' ein kleines, auch noch zu steigern, bitte sehr!, es stünden noch drei Zimmer leer, die seien flugs den Nimmersatten, mit weit'ren Festen auszustatten. Und reiche schließlich das noch nicht, dann gäb' es, freilich ohne Licht, den Keller noch und ohne Säumen, wär' selbst noch dieser auszuräumen. Da läge, doch wer schert sich drum, diverser »Kirchenkram« herum; woher?, das hätt' er längst vergessen: Ein Trog, aus dem die Tiere fressen, mit »richtig echtem Stroh« darin! Ein »Mann am Kreuz«, was da der Sinn, das dürfe ihn Herr Schein nicht fragen. Auch wär' zu »Kirchenfeiertagen« so manches andre »Zeugs« noch da, halt »frommer Kitsch«, doch sag' er ja, das mache wirklich kaum Probleme, wenn man den ganzen »Krempel« nehme und ihn noch heut' zum Trödler karrt. Manch einer sei ja rein vernarrt und ganz verrückt nach solchen Dingen! Am Ende würd's noch etwas bringen, so ein paar Mark für's Inventar für die Silvester-Kellerbar!? - Ihr wart die ersten, die's gelesen: Herr Schein ist bei Herrn Z. gewesen . . . Jetzt frag' ich nochmal: Wer errät des Herren Z. Identität? Das sei für Euch der Rätselfall in Eichendorf und überall. - Doch sollt Ihr Z. nicht »Zeitgeist« nennen! Auch müßtet Ihr ihn besser kennen . . . den Herren Z. und wer er ist . . . Dann dreht das Buch, wenn Ihr's nicht wißt! (Im Original auf dem Kopf stehend:) Mich dünkt es fast, der Leser trüge den Namen Z. und seine Züge . . . Kann das des Rätsels Lösung sein? Ist das die Wahrheit - ist das Schein?