Aus dem dritten Band der Gedichte von Pfr. Schein: „In Eichendorf bei Pfarrer Schein” 25. Folge: Das letzte Werk hat's vorbereitet; heut' wird die Sache ausgeweitet. Vorausgesetzt ist, dass Ihr wisst, wann denn »Passion« und was sie ist? Ihr zögert? Nein, doch nichts zum Essen! Ach ja, ach so, ihr habt's vergessen und grade gestern noch gewusst? Was ihr nicht sagt! Und eben just ist Euch dies Wissen ganz entfallen? Ich sag' euch was: Wie euch geht's allen, zumindest vielen, darum Schluss mit Schwindelei! Ich seh', ich muss das Wort »Passion« hier kurz erklären: Ganz klar gesagt: Wir alle wären in Sünden noch, verdammt zum Tod, von Hoffnungslosigkeit bedroht und ohne Aussicht künft'gen Lebens, ja, alles Streben wär' vergebens, hätt' einer nicht »Passion« vollbracht und leidend alles wettgemacht, indem er selbst an sich erduldet, was Menschen je vor Gott verschuldet und das am Kreuz, durch Leid und Blut. Ein Christ nun glaubt, dass ihm zugut' der Eine alles das getragen. Er nutzt die Wochen nach den Tagen, die man im Volk die »tollen« nennt, dass er von mancherlei sich trennt, was dem, der für ihn litt, nicht passte. Auch sieht er, dass er etwas faste, doch keineswegs zum Fettvertreib! (Es geht hier nicht so um den Leib als um die Seele, unser Innen!) Passionszeit wird für uns beginnen, wo wir im Fleisch, doch mehr im Geist, bedenken, was es denn wohl heißt, für andere den Leib, das Leben im Tod des Kreuzes hinzugeben. Wer's hört und sieht und wer's durchdringt, und wer das recht erfasst, der bringt wohl herzlich gern die eig'nen schlichten, bescheid’nen Opfer im Verzichten, im Fasten und Enthaltsam-Sein. --- In Eichendorf bei Pfarrer Schein war’n letzten März Verzicht-Gedanken, die sich um Kreuz und Leiden ranken, in vielen Köpfen. Fest und groß war mancher Plan! Doch anfangs bloß... Am Ende fehlten meist die Taten. Doch hier wird mehr noch nicht verraten! »Pfarrer Schein und die »Passionszeit ohne...« Zuerst erschien im Kirchenblatt, das jeder Eichendorfer hat, ein Aufruf, sich für sieben Wochen, wenn die Passionszeit angebrochen, von Alkohol, von Nikotin und was zum Laster sonst gedieh'n, bis Ostersonntag zu enthalten. Die Sache wirksam zu entfalten, war alles ganz genau erklärt: »Wer einmal sich enthält, erfährt, wie stark gebunden und gefangen er oft schon ist und wie Verlangen, ja, Sucht den eig'nen Leib versklavt, beherrscht und peinigt und bestraft und dass der Geist längst unterlegen! Hier soll und mag der Geist sich regen, indem er Sucht, die ihn beengt und aller Laster Fesseln sprengt, dass sie ihn aus den Klauen lassen, und dazu gilt’s, den Vorsatz fassen!« Ein zweiter kurzer Text beschrieb, was dieser erste schuldig blieb: Dass nämlich der Verzicht nebst Fasten verbunden ist mit jenen Lasten, die einer einst für alle trug; für Christen sicher Grund genug, auch selbst den Kreuzweg zu beschreiten, den Herrn ein wenig zu begleiten, soweit’s die eig'ne Kraft erlaubt. (Kann denn ein Glied, sieht es sein Haupt, den Weg in Leid und Sterben gehen, bloß pfeifend an der Straße stehen, als ginge dies das Glied nichts an?) Ganz unten hing ein Abschnitt dran; hier konnte sich durch Unterschreiben der Christ verpflichten, treu zu bleiben und standhaft sieben Wochen lang. Den religiösen Tatendrang konkret - als Vorsatz - abzufassen, war eine Spalte freigelassen: Dort schrieb man die Verzichte hin. Danach, das war des ganzen Sinn und sollt' die Sache unterstreichen, war jeder Vorsatz einzureichen (als Hilfe nur!) bei Pfarrer Schein. Recht bald schon traf der erste ein: »Ich möchte«, schrieb ein Jugendlicher, »bis Ostersonntag auf Gekicher im Konfirmandenunterricht verzichten, doch auf Schwatzen nicht!« »Ich will«, schrieb einer von den Alten, »mich jedes Kirchgangs strikt enthalten und das noch über Ostern weit bis in die nächste Weihnachtszeit!« Bei einem dritten konnt' man lesen: »Mir ist schon lange so gewesen, als täte grad beim Alkohol den Menschen die Enthaltung wohl.« Ihm selber allerdings mitnichten! Er wolle »auf Verzicht verzichten«. Rund zehn Prozent war'n dieserart. (Ein Hinweis, der uns offenbart: Humor und Witz sind noch im Schwange!) Doch dauerte es gar nicht lange, dann gab's auch andre - ernste - Post: »Ich werde«, las man, »süße Kost bis gegen Ostern streng vermeiden.« Ein zweiter wollte gar beeiden, dass er dem blauen Dunst entsagt. Ein dritter gar hat es gewagt, das Fleisch mitsamt der Wurst zu ächten! Zwei Schwestern legten dar, sie brächten ein Opfer, das besonders schwer: Sie schauten jetzt kein Fernseh'n mehr, wodurch nun täglich um die sieben Verfügungsstunden offen blieben - und »was nur tut man mit der Zeit?« Ein nächster war sogar bereit, dem »Alkohol und bösen Taten« für fünfzig Tage zu entraten und auch noch länger, »wenn er's schafft«! Mit kurzen Worten: Sagenhaft, wie sich die gute Sache machte! Herr Schein - vor Aschermittwoch! - dachte, ein neues Mönchtum bräche aus: Als Kreuz lag bald auf jedem Haus Verzicht, und die Gelübde banden. Die ersten »Fastenclubs« entstanden in Eichendorf, es war enorm! Der Leidensblick als Uniform verband bald sämtliche Asketen. Fast peinlich war's, nicht beizutreten, wo schon das ganze Dorf liiert, zur Fasten-Vorsatz-Front formiert. Und schließlich - nach den tollen Tagen begann die Zeit der tausend Plagen, die Christen selbst sich auferlegt: Da sah man Mienen, unbewegt und düster, da erstarb das Lachen. Da ging mit aufgesperrtem Rachen der »Fastendrache« durch den Ort und biss und kniff schon hier und dort als künft'ger Qualen erster Bote. Und wirklich: Schon am Samstag drohte der Fastenfront der erste Riss: Ein Zuckerzeug-»Verächter« biss verzweifelt (mehrfach!) einen Kuchen. Die zweite Schlappe zu verbuchen, blieb kaum noch bis zum Abend Zeit: Bei einem Raucher war's soweit, dass er die Segel strich und passte. Die übrige Bewegung fasste am Wochenende nochmal Tritt. Hier spielte auch der Kirchgang mit, weil Schein, die Fastenden zu stärken, in seiner Predigt von den »Werken des Herrn für seine Leute« sprach. Das hallte wohl für Stunden nach und hielt die Armen bei der Stange, doch leider - wie so oft! - nicht lange. (Der »Drache« fraß bereits am Mark und Schwäche wurde langsam stark!) Am Montag endlich, erst ganz leise, dann stetig wachsend haufenweise, trieb die Versuchung reichlich Frucht: Die Front zerbrach und auf der Flucht begannen sich bei all den vielen »Asketen« Szenen abzuspielen, die keine Feder ganz beschreibt! Herrn Schein, als dem Chronisten, bleibt, nur etwas davon anzudeuten: In wilder Gier bestürmten Meuten von »Fastenden« die Bäckerei von Eichendorf. (Schein war dabei und ist dem Tode knapp entronnen!) Am Kiosk standen in Kolonnen - in Zweierreihen - Frau und Mann um Süßes, Schnaps und Rauchwerk an, das lang Entbehrte nachzuholen. In Schwaden wie von tausend Kohlen stieg dichter Qualm zum Himmel auf. Der Metzger machte Ausverkauf und konnte noch am Morgen schließen. Die »Mönche« Eichendorfs verließen die selbstgewählte Leidenskur! Nur manche blieben in Klausur und hatten - nur bei Lampenschimmer TV - non-stop - im Fernsehzimmer! So endete die Fastenzeit in Eichendorf noch ziemlich weit, bevor sie richtig angebrochen. Im nächsten Jahr - das ist versprochen! wird's anders, als es diesmal war: Herr Schein wird selbst, soviel ist klar, gilt's neu, Aktionen auszurichten, auf eines mindestens verzichten: Er hält, dass er die Christen schone, »Passionszeit ohne . . . « ohne »ohne«! Er spürt, dann wird's erfolgreich sein! (Und leichter auch!) Es grüßt euch Schein!