Aus dem dritten Band der Gedichte von Pfr. Schein: "In Eichendorf bei Pfarrer Schein" 23. Folge Das neueste Gedicht von allen wird solchen Lesern gut gefallen mit Sinn für ganz besond'ren Scherz. Denn hier (wie früher anderwärts *) (* gemeint ist das l. Gedicht: »Pfarrer Schein und der Fußball«) will der Verfasser etwas spielen mit dem Absurden, dem Skurrilen, geboren aus der Phantasie . . . (Jedoch so ganz gelingt es nie, erlebtes Leben abzustreifen und nur in Phantasie zu schweifen: So ist auch heut' der Weg nicht weit von Scherz und Schein zur Wirklichkeit!) »Pfarrer Schein und die Hausbesuche« Als Gottlieb Schein vor zwanzig Jahren - studiert, doch praktisch unerfahren - als junger »grüner« Pfarrersmann den Dienst in Eichendorf begann, war etwa dies sein Hauptbestreben: »lch will für das Gemeindeleben mit Schwung, Geduld und ganzer Kraft beginnen, was Gemeinschaft schafft!« So gab es bald schon viele Kreise und allesamt - wie zum Beweise, daß Leistung auch Erfolg verbucht - stark frequentiert und gern besucht. Da war die Jungschar, Flötenstunde, die Ehepaar-, die Elternrunde, der Jugend- und der Bibelkreis und die Senioren und wer weiß, was Schein an seiner Wirkungsstätte noch weiter angeboten hätte . . . Doch was ihm fehlte war die Zeit, denn so ein Arbeitsfeld ist weit und mehr als »Kreise zu gestalten«. Da ist noch Gottesdienst zu halten; (die Predigt macht sich nicht allein!) Beratung und Gespräch muß sein; da gibt es Schule zu bestreiten und die diversen »Schriftlichkeiten« wie Haushaltsplan und Briefverkehr und außerdem noch manches mehr. Dann eben schlagen noch zu Buche - und nicht zu knapp! - die »Hausbesuche«. Zurück zum Anfang, denn ich sprach davon, wie Schein so nach und nach mit »Kreisen« die Gemeinde baute . . . Für viele brach hier das vertraute, seit Jahr und Tag gewohnte Bild (wie's fast seit Adams Tagen gilt!) von dem, was Pfarrer machen sollen, wenn sie als Pfarrer gelten wollen, und dieses Bild, das ist nunmal: Ein »Pastor« gibt sich »pastoral«, das heißt, es wird von ihm erwartet, wie immer auch das Leid geartet, daß er bei Schafen, die in Not und auch schon, wenn sie Not bedroht, mit seiner Trost- und Helfer-Gabe zu trösten und zu helfen habe. Und diese Hilfe, das ist klar, bringt so ein »Hirte« eilend dar und stets - das ist das zweite - willig und fröhlich auch und drittens: billig! Wobei hier »billig« immer meint, daß der »Herr Pfarrer« selbst erscheint und nicht wie etwa der Psychiater, der Arzt, der Lehrer, der Berater per pedes, Auto oder Bus erst angesteuert werden muß. Und »willig« heißt, es muß ihm passen; den andern Vorsatz muß er lassen, auch ist ihm nie ein Weg zu lang und zu beschwerlich nie ein Gang, nein, »eilend« wird er Beistand bringen und »freudig« auch, vor allen Dingen. Dies ist des Pfarrers höchstes Amt: Daß er die Schafe allesamt im Leid der Seelen und der Herzen, bei allen Nöten, allen Schmerzen, zu Hause aufzusuchen hat! Und niemals wird er dabei matt! Und nie sind andre Dinge wichtig! So ist das Bild des Pfarrers richtig: Er gehe, will er »Hirte« sein, in allen Häusern aus und ein, um Hilfe hier, da Trost zu spenden, die Not, den Gram, das Leid zu wenden, zu jeder Frist, in jedem Fall und kostenlos und überall. Gemeindekreise und »so Sachen«, die soll er »in der Freizeit machen«! So stellte also bald ganz klar für Schein sich ein Dilemma dar: »Wie kann, bei deinen kleinen Kräften und deinen tausend Amtsgeschäften und neben dies- und jenem Kreis, bei größter Mühe, bestem Fleiß - man ließe denn die Dinge treiben - noch Zeit für die Besuche bleiben?« Das ganze war auch umzudreh'n: »Kann einer nur besuchen geh'n, um so - wie sehr sie sich auch freuen - die Schäfchen einzeln zu betreuen, statt daß man sie zur >Herde< eint. Ist denn >Gemeinde< so gemeint? Wollt' nicht der Herr der Christenherde, daß sie in ihm Gemeinschaft werde? Und dann - den Fall einmal gesetzt, daß einer durch die Häuser hetzt, sich bei den Christen, jungen, alten, als >Wanderhirte< zu entfalten; wer führt ihm denn zu Haus' sein Amt, die tausend Pflichten allesamt, die Bücher und das Rechnungswesen? Wer soll ihm seine Dienstpost lesen? Wer lehrt die Kinder >Religion< und wer bedient das Telefon, um dies zunächst nur aufzuzählen.« Es schien Herrn Schein, hier war zu wählen, weil beides sich wohl kaum verband: Legst du die Bücher aus der Hand? Läßt du die tausend Pflichten schleifen? Kann's Alt und Jung wohl recht begreifen, wenn du die vielen Kreise schließt, stattdessen durch die Ortschaft ziehst, um deine Zeit und Kraft zu nutzen zu »Hausbesuch« nebst »Klinkenputzen«? Wobei - und das war sonnenklar - die Wahl nicht leicht doch nötig war, - es sei denn, daß man sich einstweilen versuchte, einfach zu zerteilen, als könne solches »einfach« sein . . . Doch grade dieses tat Herr Schein! Jawohl, um hier noch standzuhalten, ging Schein daran, sich aufzuspalten in einen, der bei Tag und Nacht in Eichendorf Besuche macht und einen andern, einen zweiten, für sämtliche Obliegenheiten des Dienstes, den ein Pfarrer hat, von »Predigt« bis zum »Kirchenblatt« und schließlich - in besond'rer Weise - auch für die Gruppen und die Kreise. So ging (der erste!) Schein hinfort als Hausbesucher durch den Ort, um ungerufen, fröhlich immer, bei Namenstag, im Krankenzimmer, zu Taufgespräch, beim Sterbefall und sonst den Kümmernissen all, in denen Menschen Hilfe brauchen, zu Trost und Beistand aufzutauchen. Der andre (zweite!) Schein derweil betrieb der Arbeit andern Teil: Versah das Amt mit allen Pflichten, den Gottesdienst, das Unterrichten, das Telefon, die »Schriftlichkeit« und dann - in der verblieb'nen Zeit - (von Hausbesuchen ungebunden) so gegen zwanzig Gruppenstunden. Auf diese Weise wurde leicht der Teilung höh'rer Zweck erreicht: Der >Vierundzwanzigstundentag<, denn zweimal zwölf macht als Betrag den ganzen Tag, den runden, vollen, den Christen dienend füllen sollen und schon mal gar als >Pfarrersmann