Aus dem zweiten Band der Gedichte von Pfr. Schein: "Neues von Pfr. Schein" Die zwanzigste der Schein-Geschichten will heut' gereimt davon berichten, was so ein braver Pfarrersmann des Nachts so alles träumen kann, und nur des Nachts, denn seine Tage sind meist voll Arbeit und voll Plage, da bleibt zum Träumen keine Zeit. Auch straft des Dienstes Wirklichkeit schon die bescheid'nen Träume Lügen, und - weiß er auch, die Bilder trügen, die er da nächtens vor sich sieht -, so tut's doch wohl, denn man entflieht der Alltagslast in ein paar guten, beglückend schönen Traumminuten und Mut und Kraft wird neu dabei und auch das Herz wird froh und frei und steht für Zuversicht und Hoffen in Gottes Wirken wieder offen, weil - das ist auch dem Träumer klar - von uns aus werden sie nicht wahr, die Träume, nicht einmal die frommen! Erfüllung muß »von oben« kommen! Soweit, so gut, gleich geht es los. Vergeßt nicht, es sind Träume bloß! Herr Schein hat sie im Schlaf gesehen. Noch nichts davon ist so geschehen, doch wird - der Leser bring' sich ein! - so Gott will einmal wirklich sein! Pfarrer Schein und seine Träume Der erste Traum, Schein träumt ihn oft, führt euch vor Augen, wie er hofft, es möchte in der Christen Leben doch mehr gelebte Praxis geben, wie Bibellese und Gebet, am Sonntag Kirchgang, gern und stet, auch Nächstenliebe, ganz im Stillen und treues Tun nach Gottes Willen, selbst wenn es mal nicht »nützlich« ist, halt alles das, was man als Christ ganz selbstverständlich üben sollte. Zurück zum Thema, denn ich wollte beschreiben, was Herrn Schein bei Nacht als Traumgesicht so Hoffnung macht: Er sieht »Herrn Hinz«, den alle kennen und »kirchenfern« und »gottlos« nennen, ja »heidnisch«, »religiös verquer« und »pfarrerfeindlich« und noch mehr. Schein sieht ihn seinen Tag bestreiten und darf im Traume ihn begleiten und Hinzens Tag hebt grade an; er schlägt die Augen auf und dann das Losungsbuch, um zu bedenken und Herz und Sinn darauf zu lenken, was wohl genau für diesen Tag des Höchsten Wille heißen mag, um dann die Hände noch zu falten und im Gebet, dem höh'ren Walten sich und die Seinen zu vertrau'n. Hier ist ein Schnitt. Des Träumers Schau'n, das ja an keine Zeit gebunden, es überspringt jetzt ein paar Stunden und sieht Herrn Hinz bei einem Schwatz zur Frühstückszeit am Arbeitsplatz: Hinz hockt im Kreise der Kollegen, ist grad vertieft in einen regen, wortreichen Vortrag über das, was ihn als Christ bewegt und was ihm jederzeit zum Weitersagen und zum Bekennen aufgetragen. Herr Hinz, man staunt ob seines Muts, denkt nicht nur christlich, nein, - er tuts! - und kann damit, das ist zu spüren, zu Fragen und Besinnung führen. Ein zweiter Schnitt. Es ist soweit: Herr Hinz zur Feierabendzeit. Gewiß, er ist nach den Geschäften des Tages nicht mehr so bei Kräften; mit einem Wort: er ist schachmatt, will Ruhe und Erholung, statt sich heut' noch einmal motivieren zu lassen und zu engagieren. - Jedoch, jetzt staunen wir noch mehr. Herr Hinz holt Hut und Bibel her und schickt sich an - ist es zu fassen?! - noch mal die Wohnung zu verlassen. Er tritt - trotz Müdigkeit - hinaus und strebt jetzt zum Gemeindehaus, denn er ist Mitglied in der Runde der frohen Schar der Bibelstunde, und ist man Mitglied, muß man hin! Auch war's noch immer ein Gewinn, man stärkte Glauben und Gedanken: der rechte Ort, um aufzutanken, damit's dann morgens ganz konkret und christlich-tätig weitergeht. Scheins erster Traum kommt an sein Ende. Wann macht »Herr Hinz« wohl diese Wende? Wann wird - es wäre wunderbar! - in seinem Leben endlich wahr, was leider Gottes schöne Träume, ja Hirngespinste, Wünsche, Schäume, - nur etwas, was ein Pfarrer träumt. Wahr ist: der »echte Hinz« versäumt nicht nur zum Bibelkreis zu gehen, ist in der Kirche nie zu sehen und bringt sich für sein Christentum nie ein und halt schon gar nicht um, ist vielmehr - will es nur so scheinen? - genauso wie die Leute meinen und wie's bequem und üblich ist: ein Kirchenmitglied, bloß kein Christ. Traum »Nummer zwei« ist allgemeiner. Auch ist sein Gegenstand kein kleiner! Kein Hinz, kein Kunz spielt dabei mit und auch kein Müller oder Schmidt; vielmehr in eben diesem Falle spielt nicht nur einer, sondern alle! Es ist ein wahrhaft großer Traum! Er führt uns in den Kirchenraum, um unsre Blicke zu den Bänken gemeindewärts jetzt hinzulenken, das heißt, die »Bänke« sieht man nicht, nur Menschen, Menschen, dicht an dicht auf allen vier-mal-hundert Plätzen, wo sich sonst höchstens fünfzig setzen; und der Betrachter denkt sich nun, das hat wohl mit der Zeit zu tun: Ist sicher Heiligabend heute, der große Tag für »Christen«-leute, vielleicht ist's ein Begräbnis auch, so volkreich, wie's im Dorf noch Brauch, geht's gar - wo sich so viel bequemen - hier um des Pfarrers Abschiednehmen? Träumt etwa Schein, er ginge fort aus seinem Dienst und seinem Ort, wo er gewirkt. Träumt er, er hätte das Volk der alten Wirkungsstätte ein letztes Mal zu sich bestellt, weil er die letzte Kirche hält? Nein, lieber Leser, alles nichtig! Kein Grund von diesen drei'n ist richtig. Der Anlaß dieses Traumgesichts: Es ist »nur« Sonntag, weiter nichts. Doch haben sich nicht nur die Frommen heut' morgen einmal Zeit genommen. Das macht des Traumes Größe aus. Scheins ganzes Dorf im Gotteshaus und das noch lange vor der Feier! Wir haben Zeit, von Hinz bis Meier im Kirchenraum entlangzugehn, nach dem und jenem nun zu sehn und schwelgen jetzt - oh welch Vergnügen! in dieses Traumes Einzelzügen: Da vorne links sitzt heut' die Frau (der Leser kennt sie recht genau!), die zählt es zu den schlimmsten Strafen, darf sie am Sonntag früh nicht schlafen. Und dort, wie schön, sieht man den Mann, der sonntags niemals kommen kann, weil sonst - und nur! - an Feiertagen, ihn seine Gallensteine plagen. Und drüben hockt gleich an der Wand die Frau, die stets die Worte fand (und wird nicht häufig so gesprochen?) »Am Sonntagmorgen muß ich kochen!« Und wenn die Kirche mittags lag, dann hieß es: »Sonntagnachmittag gehören wir den lieben Kleinen!« Heut' kocht der Mann, so möcht' es scheinen. Wenn unser Blick jetzt weiterschweift, kann's sein, daß Freude uns ergreift, die wir mit Schein, dem Träumer, teilen. In solchem Traum ist gut Verweilen, nicht nur, wenn einer Pfarrer ist, nein überhaupt, als Mensch und Christ weil schließlich Gottes Reich auf Erden beginnt, wenn Träume wirklich werden! (Doch leider werden sie's noch nicht. Bei Tag besehn im rechten Licht, muß sich auch dieser Traum verlieren. Doch schön ist's, mal zu phantasieren!) Ein dritter Traum noch schnell zum Schluß, weil ich zu Ende kommen muß mit meinem Reimen, meinem Dichten und diesem Buch der Schein-Geschichten. Mir träumte, auch die Leserschaft entwickle jetzt ein wenig Kraft, um - nicht beim Schlafen, nein, beim Wachen! - ein Stück der Träume wahrzumachen und dazu braucht es gar nicht viel: Ein kleiner Schritt, du bist am Ziel, ein bißchen mehr Auf-Gott-Besinnen - schon morgen früh kann das beginnen! - ein Losungswort, dann ein Gebet, ein erster Kirchgang und ihr seht, es wird beim ersten Schritt nicht bleiben! Was dann kommt, kann ich nicht beschreiben, auch wird's bei jedem anders sein, - doch wie ein Traum! Es grüßt euch Schein!