Aus dem zweiten Band der Gedichte von Pfr. Schein: "Neues von Pfarrer Schein" 13. Folge: Die Folge dreizehn stellt sich vor: Ein Stück fürs Auge und fürs Ohr, denn ob beim Lesen oder Hören, dies Thema wird euch wohl betören, und euer Herz wird froh und weit: Des Kirchenjahres schönste Zeit soll hier, beschrieben und bedichtet, für Reim und Verse eingerichtet, die liebe Leserschar erfreun. (Doch wird der Autor sich nicht scheun, die eigne Sicht von manchen Dingen, vielleicht gar Spott heut anzubringen, selbst wenn es hier, wie ihr gleich seht, um solch ein heikles Thema geht; denn "heikel" ists, nicht nur den Frommen, wenn jedes Jahr die Tage kommen, von denen gleich die Rede ist.) Jetzt also, wenn ihrs noch nicht wißt, solls länger nicht im Dunkeln bleiben; laßt dies Gedicht uns überschreiben: »Pfarrer Schein und die liebe Weihnachtszeit« Es geht ums Christfest, wie es scheint. Der Leser oder Hörer meint, hier werden jetzt gewiß die Wochen ganz kurz vor Weihnacht angesprochen, die Zeit, die man »besinnlich« nennt, der »frohe«, »selige« Advent... Wie liegt ihr damit doch daneben! Ihr sollt sie heut mit Schein erleben die »süße«, »liebe«Weihnachtszeit: Zum ersten, sie beginnt schon weit im Sommer, wenn die Schwalben fliegen, die Leute in der Sonne liegen und jeder sich fast unbedeckt, doch gut geölt zum Bräunen streckt. - Dann hocken Pfarrer meist im Zimmer, (ganz finster, nur bei Kerzenschimmer!) und stimmen sich - es muß schon sein! - auf Christfest, -baum und -vesper ein, denn fängt man besser an beizeiten! So vieles muß man vorbereiten: Was biet ich Heiligabend dar? Was üben Chor und Flötenschar? Wird es in diesem Jahr gelingen, ein Krippenspiel zustandzubringen? Auch wirds schon Zeit, daß man bedenkt, was man zum Fest den Schäfchen schenkt, denn weil die heut schon alles haben und weil pro Nase für die Gaben - in Eichendorf fast tausend Stück! - (Zum Fest erscheint man noch - zum Glück!) nur dreißig Pfennig vorgesehen, da wird es schwer, man kanns verstehen! Mit alldem ist auch Schein befaßt im Juli schon, auch wenns nicht paßt und alle Leute wohl vermuten, der Pfarrer hätte jetzt die guten, die faulen Zeiten, da »nichts los«, in denen er - der Arme! - bloß beschäftigt ist mit bangem Warten auf Dienstgeschäfte aller Arten: Ob sich der Tod nicht zeigen mag, auf Taufe, einen Hochzeitstag, auf Kirchweih, andre Festlichkeiten die es Herrn Schein, sich auszubreiten gestatten, weil - so glaubt man fest - der sich ja sonst wohl »hängen läßt«, um dann, wenn nicht Termine hetzen, am Ende »Fett noch anzusetzen!« - Nein, wirklich, die Gefahr ist klein, denn Sommertage bei Herrn Schein sind angefüllt mit Vorbereitung, mit Planen, Schreiben, Ausarbeitung Ein »Leerlauf« ist da nicht erlaubt. Das Fest kommt schneller als man glaubt! Zum zweiten, niemand soll jetzt meinen, das ende alles mit der einen - gewiß für Pfarrer harten - Zeit um Heiligabend. Nein, noch weit ins nächste Jahr ist man belastet: Wenn die Gemeinde wieder fastet, den Weihnachtsspeck auf Bein und Bauch (und den an allen »Backen« auch!) allmählich wieder zu verlieren beginnt mit Hungern und Trainieren, wenn wieder Lauf und Lärm der Welt in jedem Herzen Einzug hält, dann steckt Herrn Schein für viele Wochen noch »Weihnachtsfreude« in den Knochen. - Nun kommt noch etwas Praxis dran, mit der ich illustrieren kann, warum das Christfest so beschäftigt und auch Herrn Schein mehr schwächt als kräftigt, denn dieses ist genau der Fall in Eichendorf (- und überall, auch wenn die andern Pfarrer schweigen!). Hier zwei Exempel, die euch zeigen, warum für Pfarrer »Weih-nacht« meist viel »Nacht« und wenig »Weihe« heißt: Das wichtigste von all den Sachen, die Pfarrer rings ums Christfest machen, das dürfte wohl landauf landein das Krippenspiel der Kinder sein. Und solch ein Stück ( - so denken Laien!) wird auf dem Land doch gut gedeihen, dort sind die Kinder fromm, voll Schwung und werden mit Begeisterung als Spieler einer der Gestalten der Weihnachtsbotschaft sich entfalten, vielleicht als Hirt, vielleicht als Stern, (als Ochs und Esel nicht so gern!) doch sicher als der Weisen einer (vielmehr als »König«, das klingt feiner!) und was die Bibel sonst noch kennt und uns als Spielfiguren nennt. Ich geb euch recht: Sie sind begeistert! Doch frag ich euch jetzt, wer das meistert, (und möglichst ohne Streit und Krach!) wenn dann die Kinder fünfzigfach die - wenn es hoch kommt! - zwanzig Rollen des Krippenstücks bestreiten wollen? Und dies Problem gerade war im ersten »Eichendorfer Jahr« für Schein eins von den Hindernissen der »frohen Weihnacht«, denn verbissen versuchte damals jedes Kind - wer Kinder hat, weiß wie sie sind! - für sich mit Tränen und Verlangen die beste Rolle einzufangen, wobei als »beste Rolle« zählt, (sie wurde vierzigmal gewählt!) die »Mutter des Herrn Jesus« spielen. Was das wohl hieß bei derart vielen, malt sich der Leser einfach aus: Wer kriegt die Rolle, wer muß raus? Wie sag ichs neununddreißig Kindern? Gewiß, die Zahl ließ sich vermindern, indem Herr Schein, da war er stur, als »Gottesmutter« Mädchen nur und keine Buben zuzulassen bereit war, aber - kann mans fassen?! - die Jungen traten gern zurück, doch wollten nun im Krippenstück durchaus die Rolle Josefs haben. Man denke: einundzwanzig Knaben als »Josef« drängen sich im Stall und auch Marias überall, denn keine von den neunzehn Damen, die auf die eine Rolle kamen, war nun vernünftig und gab nach. - Bis endlich Schein das Machtwort sprach: »Das Krippenspiel ist eine schlichte, bescheidene Geburtsgeschichte, fast alles ist nur einmal da, halt dem entsprechend wies geschah: Nur eine Schätzung für die Steuer, ein Hirtenfeld, ein Hirtenfeuer, ein Stern, ein Engel und ein Rind, ein Stall, wo Kind und Eltern sind, und wärs nicht grade so gewesen, wir könntens in der Bibel lesen! Darum will Gott, es soll so sein: ein jedes Ding gibts nur in ein, nicht zwei, nicht zwanzig Exemplaren. Darum: Bei neunzehn Elternpaaren auf einen Heiland stimmt was nicht! Ist das »bescheiden«, ist das »schlicht«? Und dann: Wer soll die Rollen schreiben, wenn jetzt noch Josefs ledig bleiben? Nein, nein, das Krippenspiel fällt aus! Seid nicht zu traurig, geht nach Haus, und laßts uns - ohne Lamentieren! - im nächsten Jahr noch mal probieren.« Betreten schwieg die Kinderschar. Doch dann (was ja die Absicht war!) fings an in manchem Kopf zu denken, - und sie begannen einzulenken: »Sie haben recht, ganz zweifellos: Zwei Kinder für die Eltern bloß, so wills die Schrift, ganz unbestritten! Doch eines möchten wir Sie bitten - sonst ist uns alles ja egal! -: Versuchen Sies doch noch einmal! Und wärs nicht möglich, uns einstweilen die Rollen einfach zuzuteilen?« Genauso wurde es gemacht. Das Spiel dann in der Heilgen Nacht, es wurde bestens aufgenommen und jedes Kind ist angekommen: Ob nun als Josef oder Hirt, als König oder Herbergswirt, am Ende war das nicht mehr wichtig! Schein denkt, gerade so wars richtig! Mit Ehrgeiz tut man leicht zuviel: Es wird zu »Ernst« das Krippen-»spiel« (Wobei die Kinder, möcht man meinen, die »Alten« nur zu spiegeln scheinen; läufts nicht im Großen gradeso, - in Eichendorf und anderswo?) Ein zweites Beispiel für die Plage der Vor- und Vorvorweihnachtstage: Es will von Chor bis Fraunverein auch stimmungsvoll gefeiert sein, mit Kaffee, Kuchen, Kranz und Kerzen, mit viel Gefühl, - was für die Herzen! - daß sich die Seele laben kann. Jetzt sind die Weihnachtsfeiern dran: die erste liegt schon im November. So richtig schlimm wirds im Dezember, da nimmt die Zahl beständig zu: Der Pfarrer »feiert« ohne Ruh, ja, kommt nicht mal zu kurzen Rasten, muß - kaum gekommen - weiterhasten, denn nach der Jungschar, wie man weiß, wirds »Weihnacht« noch im Jugendkreis und tags darauf, o frohe Kunde!, da feiert dann die Bibelstunde, und weil er nichts versäumen mag, eilt Schein zum Altennachmittag, den »für Herrn Schein« die lieben Alten nicht nachmittags, nein, abends halten, weil er - wie ist man liebevoll! doch »auch mal Weihnacht haben soll«! Wie unbegründet ist dies Sorgen! Man sieht Herrn Schein am nächsten Morgen, wie er - es wird nicht ausgesetzt! - als »Weihnachtsmann« zur Schule hetzt, um dort zwei Feiern zu bestreiten und Weihnachtsfreude zu verbreiten. Und dann, er zieht sich gar nicht aus, erscheint er - nun als Nikolaus - noch im Gemeindekindergarten, wo schon die Kinder sehnlich warten, daß wer sie aufsucht und beschenkt. Ich glaube fast, der Leser denkt, es müsse langsam doch genügen! Nein, weit gefehlt, ich müßte lügen: Die Hälfte ist jetzt erst geschafft! Schon geht es weiter voller Kraft: Denn Schein beglückt auf gleiche Weise noch einmal zehn Gemeindekreise! Beim Christfest kommt der Pfarrersmann dann schließlich wenig fröhlich an, halt ausgepumpt und fertig eben - doch weiter muß er geben, geben: Bei Vespern, dreie an der Zahl, dann Gottesdienst mit Abendmahl noch vierfach an den Feiertagen. - Der Autor schließt hier mit den Klagen und außerdem dies Schein-Gedicht; auch hat er länger Muße nicht, die Zeit mit Dichten zu vertreiben: Schon muß er wieder planen, schreiben... denn eilend naht, bald ists soweit, das nächste »Fest der Christenheit«! So geht Herr Schein jetzt in sein Zimmer, verzaubert es mit Kerzenschimmer und stellt sich neu auf Weihnacht ein. Seid schön gegrüßt von Pfarrer Schein!