Aus dem zweiten Band der Gedichte von Pfr. Schein: "Neues von Pfarrer Schein" 11. Folge: »Pfarrer Schein und die Walpurgisnacht« Der Leser fragt sich: Bitte, was? "Walpurgisnacht", was ist denn das? Muß man das nicht mit dunklen Dingen wie "Hexerei" zusammenbringen? Weht nicht um dieses Wort ein Dunst von Schwefeldampf und Schwarzer Kunst? Spielt nicht der Blocksberg eine Rolle, wo einmal jährlich grauenvolle Versammlungen der Hexen sind, die dort in Donner, Blitz und Wind, zu Graus und Greuel allen Frommen per Besenstiel zusammenkommen? Und ist denn das ein Themenkreis. von dem ein Pfarrer etwas weiß? Soll der nicht eh'r zu Studienzwecken die Nase in die Bibel stecken? Ist er nicht dafür kompetent, daß er die höh'ren Dinge kennt? Will er denn ernsthaft von dem Treiben der Hexen auf dem Blocksberg schreiben? Nein, nein! Es geht um einen Brauch in Eichendorf und sonstwo auch, mit dem die Jungen ihre "Alten" am ersten Mai zum Narren halten, indem sie in der Nacht davor dem einen, hier, ein Gartentor, andern, dort, auf leisen Sohlen, die Leiter aus dem Schuppen holen, dem dritten schließlich wird vielleicht - gesetzt, daß man das Dach erreicht - sein eig'ner alter Leiterwagen zerlegt und dann hinaufgetragen, um oben, hast du nicht gesehn, als Ganzes wieder zu erstehn. Am Morgen sieht man dann in Scharen die Leute durch die Ortschaft fahren, um nachzufragen und zu -schaun nach Gartenbank und Jägerzaun, der Wäschespinne, Fernsehmasten, nach Scheunentür und Hasenkasten. Auch wurde manchem über Nacht ein fremdes Utensil gebracht: Vielleicht des Nachbarn Milchbehälter, ein Autoreifenpaar - schon älter! -, vom Müllplatz auch so dies und das, von Bauer Kunz das Jauchefaß und andre Kuriositäten, bis hin zu Kinderspielgeräten. So sucht jetzt jedermann im Ort. Was Meier hat, kam Müller fort, und Meier wieder forscht nach Dingen, die nachts in Müllers Linde hingen; dem einen fehlt's, der andre hat's rein alles ist am falschen Platz und es wird viele Tage dauern, bis bei den Bürgern und den Bauern die alte Ordnung hergestellt. (Und das gerade, das gefällt den Hexen, sprich: den Jugendlichen, die nächtens durch die Dörfer schlichen: Die starre Ordnung ist gestört und nichts ist da, wo's hingehört. So ist die Hexennacht gelungen, denn es ging einmal nach den Jungen!) Doch jetzt zu Schein, dem Pfarrersmann. Das war am Anfang irgendwann, er war noch neu und jung an Jahren und in den Bräuchen unerfahren, die hierzulande jedem Kind bekannt und ganz geläufig sind; er hegte keine blasse Ahnung, da gab ein Nachbar ihm die Mahnung: "Herr Pfarrer, was ich sagen will, bald kommt der dreißigste April, die Nacht, in der sich alle Sachen von selber auf die Reise machen, es sei denn, daß man, was nicht fest, am Tag zuvor verschwinden läßt, denn wo nichts ist, kann man nichts holen und wer nichts hat, kriegt nichts gestohlen!" Herr Schein bedankt sich für den Rat. Am Monatsende folgt die Tat: Man sieht ihn in den Abendstunden im Overall sein Haus umrunden, daß er, bevor die Dämm'rung fällt, noch alles in den Schuppen stellt, um es dort sicher zu verstauen. "Mir", denkt er, "werdet ihr nichts klauen!" So wuchtet er die Gartenbank, den Tisch, den Schirm, den Hasenschrank, das Karussell der lieben Kleinen, die Schaukel mit den Eisenbeinen, dazu noch, weil er gründlich ist, den Bottich für den Hühnermist, nebst Kannen für das Blumengießen. Dann geht er dran, gut abzuschließen und hängt noch eine Kette vor. Nun schreitet er zum Gartentor, um auch noch dieses auszuhängen und in den Hühnerstall zu zwängen, verschließt auch hier und geht ins Haus und sieht jetzt sehr zufrieden aus Er kann getrost der Hexen harren. In diesem Jahr wird er sie narren! Am Morgen dann, ist gleich zu sehn, bei Schein ist wirklich nichts geschehn. Nichts weggekommen, nichts gebracht! Er denkt: "Das hab ich gut gemacht!" Zwar sind jetzt wohl die "Hexen" sauer, doch Pfarrersleute sind halt schlauer! So geht er voller Eifer nun ans Werk, den Schuppen aufzutun und alle Sachen, ohne Säumen, an ihren alten Platz zu räumen. So gegen Mittag ist's soweit: Das Karussell ist fahrbereit, der Schirm, der Tisch, die Bänke stehen, auch Gartentür und -tore drehen sich in den Angeln, so wie je, und Schein ist stolz auf die Idee, die er vom Nachbarn übernommen. Da sieht er grade diesen kommen. "Herr Pfarrer", ruft der schon von fern ganz atemlos, "ich wüßte gern, ob Sie sich noch darauf besinnen? Heut' abend muß das Zeug nach innen, denn morgen ist der erste Mai!" - Vergeblich war die Plackerei! Umsonst das Schuften und das Schleppen! Wollt' er denn nicht die Hexen neppen? Jetzt dünkt ihn, es ging andersrum. Schein hat genug. So sei es drum; die Dinge mögen draußen bleiben. Ihm ist egal, was Hexen treiben; er macht sich nicht noch mal die Müh'. Und richtig: nächsten Morgen früh, kann man vorm Pfarrhaus gut erkennen, was Hexen saub're Arbeit nennen: Im Garten und auch rings ums Haus, sieht es jetzt völlig anders aus. Es fehlt des Pfarrers Hasenschrank, auch Tisch und Schirm und Gartenbank, das Karussell der lieben Kleinen, die Schaukel mit den Eisenbeinen und auch, was nicht so wichtig ist, der Bottich für den Hühnermist, nebst Kannen für das Blumengießen, die er verweigert, wegzuschließen. Dafür hat man ihm über Nacht manch fremdes Utensil gebracht: Zum Beispiel einen Milchbehälter, ein Autoreifenpaar - schon älter! - vom Müllplatz auch so dies und das und das besagte Jauchefaß. . . Herr Schein bekennt, kein bißchen sauer, dies eine Mal war'n Hexen schlauer, doch werden sie's nicht nochmal sein! Verlaßt Euch drauf! Es grüßt Euch Schein.