Aus dem ersten Band der Gedichte von Pfr. Schein: "Was so ein braver Pfarrersmann im Vogelsberg erleben kann" Zehnte Folge Was anfängt, muß zuende gehn: Drum hier zum Schluß die Folge "zehn", als letztes von den Schein-Gedichten. Zum letzten Mal will ich berichten von Eichendorf und von Herrn Schein. Die Folge heut soll praktisch sein und sich nochmal mit dem befassen, was Pfarrersleute tun und lassen. So ist jetzt gleich die "Praxis" dran, drei "Fälle", die erleben kann, wer, so wie Schein, seit vielen Jahren versucht, daß er der "Schäfchen" Scharen zu einer großen Herde eint. Jedoch die "Schäfchen", wie es scheint, die haben andere Intressen, sind oft aufs Eigene versessen: Auf Geld, auf Spaß und Güter auch, mit einem Wort: den eignen Bauch und wollen, um im Bild zu bleiben, des eignen "Pelzes" Wohlfahrt treiben, im eignen "Stall", allein für sich, dem Motto nach: "Ich leb für mich und will aus meinen Erdentagen probiern, soviel herauszuschlagen, wie eben nur darin sein mag. Was kümmert mich mein letzter Tag? Was soll mir Gottesdienst und Beten!? Ich geh, wenns Zeit ist, abzutreten, hinüber in die andre Welt und will, wenn Gott mir fragen stellt, auf all die anderen verweisen, die auch nur um sich selber kreisen!" So etwa ists des Schäfchens Sicht. Nur - leider! - sieht und weiß es nicht: Gott will sich jeden einzeln wählen, weil wir vor ihm persönlich zählen und er das Denken, Herz und Hand, den Glauben, Geld und den Verstand, kurz.: eines Menschen ganzes Leben für sich will. Und das ist es eben, was Schein, als Pfarrer, Jahr um Jahr verkündet; doch auch das ist wahr: Es will so selten nur gelingen, ein Schäfchen neu hinzuzubringen; erfolglos ist die meiste Müh! (Nun gut, vielleicht ists noch zu früh, von einem Mißerfolg zu reden; doch frag ich mich und frage jeden: Was eigentlich soll noch geschehn, daß alle "Christen" es verstehn: Wir leben, um uns zu entscheiden, "Ja" oder "Nein", das sind die beiden, sonst steht als Antwort nichts zur Wahl! Es gibt kein "Jein" und kein "Egal"! Und schon wer zögert, "Ja" zu sagen, versagt als Christ vor diesen Fragen.) Schein wundert sich nun selber oft, woher es kommt, daß er noch hofft, das Blättchen könne sich noch wenden. Das Klagen will ich jetzt beenden und leite nun zur "Praxis" hin, weil ich ja angetreten bin, heut etwas praktisch zu erhellen. So spreche ich hier nun von Fällen, wie sie im Pfarramt häufig sind: Kriegt beispielsweise wer ein Kind, dann läßt ers - in der Regel - taufen, und zweie, die zusammen laufen, die schreiten (manchmal gehts im Nu!) auf Eheschluß und Trauung zu, um vorm Altar sich zu liieren. Als drittes ist zu konfirmieren, ein "Fall", der meist die Jugend trifft. Doch hier zunächst die Überschrift: »Pfarrer Schein und die Amtshandlungen« (Noch eines sei hier vorgeschaltet: Nicht, daß ihr für erfunden haltet, was euch zu glauben widerstrebt. Schein hats in Eichendorf erlebt!) Mit Taufe will ich jetzt beginnen: Der "Fall" fängt an, sich zu entspinnen an einem frühen Morgen schon. Im Pfarramt schrillt das Telefon und Schein, den Hörer aufgenommen, will grade zur Begrüßung kommen: "Hier Pfarrer Sch . . .", da ists vorbei! "Ob er denn nie zuhause sei?", will eine Stimme (weiblich!) wissen. Sie würde, sagt sie, sehr vermissen, daß Schein noch niemals bei ihr war. Sie lebe "schon im siebten Jahr in Eichendorf" und würde meinen, der Pfarrer "habe zu erscheinen", wenn jemand "neu im Dorfe" wohnt. Sie hätte (was sie stark betont!), sich zur Gemeinde stets gehalten. Ihr Leben "kirchlich zu gestalten", sei "immerdar ihr Christenpflicht", doch kenne sie den Pfarrer nicht, weil - was ja wohl an diesem läge! - der ja "zum Hausbesuch zu träge" und deshalb "fremd und unbekannt für seine Schafe". Allerhand sei auch, "wer wolle es bestreiten, die Sache mit den Kirchenzeiten". Es sei doch (- hier klingt sie erbost,) "ein Pfarrer wohl nicht recht bei Trost", wenn er, und sie sei "bienenfleißig!", "schon Kirche hält um zehnuhrdreißig", wenn von den "braven Christenschafen die meisten sicher friedlich schlafen". Hier tritt nun eine Pause ein. Die Stimme schweigt. "Jetzt!", denkt Herr Schein, "bin ich dran!" Doch er kommt nicht weiter. Ein neuer Redeschwall, ein zweiter, ergießt sich in sein rechtes Ohr: Man habe eine Taufe vor, denn "neulich" sei "ein Kind geboren", der erste Milchzahn jetzt verloren und darum habe man gedacht, daß mans noch "vor der Schule" macht, weil sonst, man würde das ja kennen, sie ihren Kleinen "Heide" nennen und "ungetauft" und wohl noch mehr, drum (- sie wird freundlich!), bitte sehr, wie wärs damit am zweiten dritten, ein Freitag, abends, möcht sie bitten, weil da ihr "Männe früh zuhaus. Und sicher säh es besser aus, ( - und "schließlich schon Herrn Pfarrers wegen"!) wenn auch ihr Mann dabei zugegen und nicht das Kind nebst Mutter nur. "Paßts Ihnen wohl um sieben Uhr?" Wenn man "die Handlung etwas straffe", könnts sein, "daß man noch Derrick schaffe", der finge ja erst später dann so gegen achtuhrfünfzehn an, und da ( - sie lacht!) sei wohl gelaufen, die Sache mit dem "bißchen Taufen"! Und dann, sie hätte noch gehört, was sie "nicht unerheblich stört", es sei, was für sie "recht betrüblich", hernach noch "Taufkollekte" üblich. Das schlag sich Schein nur aus dem Sinn, weil, sagt sie: "Ich kein Krösus bin!" Noch "etwas extra" sei zu teuer, sie zahle schließlich Kirchensteuer! Hier endlich faßt Herr Schein sich Mut und unterbricht jetzt, kurz und gut: "Sie müssen nicht mal Wasser stellen, weil Taufen heut in allen Fällen in unserm Gotteshaus passiern! Da hilft nun auch kein lamentiern! Die Taufe Ihres "kleinen" Knaben ist sonn- und feiertags zu haben, jedoch an andern Tagen nie!" Was hier die andre Seite schrie und welches ihre Worte waren . . . Ich will es mir und Euch ersparen! Auch rief, wie man sich denken kann, die gute Frau nie wieder an. Ein zweiter Fall, von all den vielen, soll hier zum Thema Trauung spielen: An einem Tag im Februar, erscheint bei Schein ein junges Paar. Sie wollen bald die Hochzeit halten und schön und "feierlich" gestalten mit Kirche, Kerzen, weißem Kleid. Drum geben sie heut dem Bescheid, der ihre Trauung "machen" soll. Es wär bei Schein so "würdevoll", so hörte man die Leute sagen. Der Pfarrer wagt es, rückzufragen: "Die Leute reden viel, gewöhnlich, was wollen Sie denn, ganz persönlich?" Da wird jetzt hin und her geblickt, der Kopf geschüttelt, dann genickt, nun sieht man sie, die Braut, erbleichen und dann den Bräutigam desgleichen und nun ist sies, die erst sich regt: Das hätten sie nicht überlegt, "warum, wieso und solche Sachen", es würden schließlich "alle machen"! Und jetzt steht auch der Mann ihr bei: Ob es nicht "selbstverständlich" sei. wenn, so wie sie, zwei junge Leute, sich trauen ließen, "auch noch heute". "Gewiß", sagt Schein in mildem Ton, "gewiß, verständlich ist das schon, doch nicht für Sie, so will mir scheinen. Sie sagen, was die Leute meinen, ich aber hätte gern gespürt, was Sie persönlich zu mir führt, zumal wir uns noch nie gesehen. Ich glaube doch, daß Sie verstehen, wenn ich Sie das heut fragen will." Das junge Paar, es schweigt jetzt still und hat - man sieht es - auch verstanden. Die Braut gibt zu: "Wir beide fanden die Kirche bisher ziemlich trist, weil sie so überaltert ist, so steif und irgendwie gezwungen, nicht zeitgemäß, nicht für die Jungen!" Hier schaltet wieder Schein sich ein: "Mit Ihnen könnt es anders sein! Auch frag ich mich, woher Sie wissen, da wir Sie lange schon vermissen, ob unsre Kirche gar so alt, so steif, gezwungen und so kalt, wie Sie das jetzt beschrieben haben. Vielleicht sinds grade Ihre Gaben, die unsre Kirche nötig hat!" Das Paar - man merkt es - ist schachmatt und ahnt schon. Schein wird sie belehren, er könne nun ihr Trau-Begehren nicht mehr so recht begreifen und nicht akzeptiern mit gutem Grund. (Doch weit daneben liegt ihr Ahnen. Schein wollte nur mal wieder mahnen, weil junge Leute allzu leicht vergessen, daß es halt nicht reicht, beim Pfarrer stets nur aufzutauchen, wenn sie was wollen oder brauchen.) So nennt er jetzt, bevor sie ziehn, den beiden ihren Trau-Termin, worauf sie froh nun Bessrung schwören. (Schein denkt: "Ich konnts schon öfter hören!" Jedoch gehalten hat der Schwur stets eine kleine Weile nur: Nie länger als zum Hochzeitstage! Und so auch hier, ganz ohne Frage!) Und wieder hat der Pfarrer recht; auch dies Gelöbnis war nicht echt: Zwar gab man sich zunächst noch Mühe, erschien zum Gottesdienst schon frühe und hielt auch bis zur Trauung aus, doch sonntags drauf blieb man zuhaus und wird dort ( - bis zur Taufe?!) bleiben. Als dritten "Fall", will ich beschreiben (ich sagte es ja oben schon) den Kasus "Kon-fir-ma-ti-on": Zunächst zählt zu des Pfarrers Pflichten, die Jugend gut zu unterrichten, was eines Christen Glaubensgrund, was er bekennt mit "Herz und Mund", auch gibts an alten und modernen Gesangbuchstrophen viel zu lernen, (was für die Jugend heut zumeist des Pfarrers "Unverstand" beweist, denn "Lernen" mit noch andern Dingen zählt zu den "Sachen, die nichts bringen".) Genug jetzt mit der Theorie. Wir werden "praktisch" sehen wie Herr Schein als Lehrer sich entfaltet. Wir haben Glück, denn er gestaltet heut seinen ersten Unterricht: Wir hören, wie er grade spricht. Er fragt die Mädchen und die Jungen: "Kommt ihr von selbst und nicht gezwungen? Seid Ihr heut von alleine da? Hat Euch geschickt der Herr Papa? Laßts mich in eine Frage fassen: Wollt Ihr Euch konfirmieren lassen?" Die jungen Leute sehn sich an; ein blonder Knabe faßt sich dann und spricht in die betretne Stille: "Es ist durchaus mein eigner Wille, wenn ich heut hergekommen bin. Zwar liegt für mich kein Sinn darin, von "Gott" und "Kirche" zu erfahren, doch nach den Konfirmandenjahren, bin ich aus allem gut heraus: Dann steht das Mofa vor dem Haus; ich werde auch Geschenke kriegen und hab was auf dem Konto liegen. So bin ich heute hier recht gern!" Hier liegt nun unserm Pfarrer fern, sich aufzuregen und zu toben. Vielmehr, er müßt den Knaben loben, der etwas frei und offen sagt, was mancher nur zu denken wagt. Und dann: Soll Schein den Jungen rügen, wenn er sich rausnimmt, nicht zu lügen? Ist, was er sagt, denn seine Schuld? So wird Herr Schein mit viel Geduld, mit Hoffnung und mit Gottvertrauen versuchen, Glauben aufzubauen mit einer Wochenstunde Zeit. - Nun also wären wir soweit: das zehnte, (letzte!), "Werk" muß enden. Wird sich das Blättchen jemals wenden? Wird einmal alles besser sein? Das hofft und wünscht sich, Pfarrer Schein.