Aus dem ersten Band der Gedichte von Pfr. Schein: "Was so ein braver Pfarrersmann im Vogelsberg erleben kann" 9. Folge »Pfarrer Schein und die Gemeinschaft« (2. Teil) Der treue Leser wird sich freun: Hier ist die Schein-Geschichte "neun". Sie handelt - wie auch schon vor Wochen - von der Gemeinschaft, wie versprochen. Nur frag ich mich, ist Euch noch klar, was hierzu meine These war?: "Trüb, öd und traurig wär das Leben im Dorf, würds keinen Pfarrer geben!" (Ich wiederhol es, daß ihrs wißt, weil es nicht aller Meinung ist und eben drum und grad deswegen, will ich den Satz heut auch belegen, denn glaubhaft ist nur, wer beweist, was dreist er eine Wahrheit heißt!) Von unsern Dörfern sprach ich neulich. Ich nannte vieles nicht erfreulich, was da in zwei Jahrzehnten Frist in unserm Land geschehen ist: Das alte Dorf liegt längst im Sterben; was uns noch bleibt, es sind nur Scherben, aus denen niemand über Nacht erneut ein heiles Ganzes macht. Das liegt daran - vor allen Dingen! -, daß die Persönlichkeiten gingen, vom Schultheiß bis zum Dorfgendarm. Zwar äußerlich sind wir nicht arm, doch fehlt, wo wir sonst alles haben, gerade das, was sie uns gaben: Gemeinschaft und Zusammenhalt, ein Dorfbewußtsein dergestalt, daß Hinz und Kunz im Dorfe wußten. daß sie an alle denken mußten, weil insgesamt nur etwas geht, wenn einer für den andern steht. Doch wie gesagt, sie sind gegangen, die Schulzen, Lehrer, die in langen und guten Jahren uns geprägt, - der Fortschritt hat sie abgesägt und hat, wer kann, der mag es fassen, das Dorf als Stumpf uns hinterlassen, ein Schatten nur vom alten "Baum", (und das in zwanzig Jahren kaum!). Doch können, um im Bild zu bleiben, auch Stümpfe "neue Triebe" treiben und solch ein Trieb ist, wie mir scheint, heut Kirche, wenn sie Menschen eint und wenn sies schafft, sie auch zu scharen und der Gemeinschaft Rest zu wahren, denn - Gott sei Dank! - das steht noch fest: Ein jedes Dorf hat diesen Rest! Im Herzen hat er sich erhalten, als dumpfe Sehnsucht nach dem "Alten", wie man sie heut im Dorf verstärkt, als "Hang zur Tradition" bemerkt: in Trachten- und in Mundart-Hege, in Fachwerk- und in Brauchtumspflege, kurzum in vielen Dingen, die man heut benennt mit "Nostalgie". Hier äußert sich, so möcht ich meinen, auch stets die Sehnsucht nach dem Einen, nach "Dorf-Gemeinschaft" frührer Zeit . . . Man sieht, noch ist es nicht soweit, daß alle Träume untenliegen: Die Sehnsucht ist nicht totzukriegen! Und sie ists, wo der Pfarrersmann, in jedem Dorf beginnen kann, Gemeindearbeit aufzubauen, bei Kindern, Jugend, Männern, Frauen; was immer "Fortschritt" uns verschreibt, das Sehnen nach Gemeinschaft bleibt! Gewiß, der Sehnsucht wird begegnet von den Vereinen. Reich gesegnet ist mancher Ort. Was soll es sein? Kaninchen? Fußball? Singverein? Schach? Oder lieber Skatspiel-Runden? Aerobic- und Gymnastikstunden? Ob Feuerwehr, ob Pferdesport, rein alles gibt es heut im Ort. Doch gilt - das ist entscheidend wichtig! - ein jeder hält nur seins für richtig: So etwa fragt, wer Fußball liebt, warum es Hasenzüchter gibt, die ihrer Tiere Schönheit messen, anstatt sie einfach aufzuessen, denn zu nichts anderem sind ja (für Fußballfans!) "Karnickel" da. Das ganze ist nun umzudrehen: Kein Hasenzüchter kann verstehen, was Männer - wie mans sonntags sieht - so magisch hin zum Sportplatz zieht, um dort zwei Stunden zu verharren und stur auf einen Ball zu starren. - Ich denke, hier wird jedem klar: Beschränkt ist stets der Menschen Schar, die durch Intresse sich verbinden und im Verein Gemeinschaft finden, denn das gilt wohl in jedem Fall: Des einen "Uhl" heißt "Nachtigall" für anderer Vereine Glieder. So bin ich jetzt beim Thema wieder, bei der "Gemeinde", denn man spitzt, daß hier der "casus knaxus" sitzt: Verschieden sind der Menschen Gaben und die Intressen, die sie haben, doch keiner blieb, das sei betont, von "höhren Trieben" ganz verschont, und keinem will es ganz gelingen, dies "höhre Regen" umzubringen, auch wenn er sich schon lang bemüht. So arg ist keiner abgebrüht, daß zwischen seines Innern Wänden sich nicht noch "Seelenreste" fänden, denn "Seele" ists, die immer treibt, die im "Verein" stets hungrig bleibt, die auch kein Fußball kann betören, von Skat und Schach will sie nichts hören, ihr Drängen geht stets himmelan, sie sucht, worauf man bauen kann und das kann kein Verein erfüllen. Nur Kirche kann dies Sehnen stillen! So zieh ich hier recht scharf den Schluß, daß jeder Kirche haben muß! Vereine bieten Unterhaltung, Zerstreuung, Freude und Entfaltung, Gemeinschaft auch - in enger Sicht - ein Dach für alle sind sie nicht! Das aber kann die Kirche leisten, wenn schon nicht allen, so den meisten, denn hier im Dorf ist laut Kartei zumindest, jedermann dabei. Gesetzt nun, daß auch innenwendig ein Stücklein "Seele" noch lebendig, ist eigentlich nicht einzusehn, wenn Menschen nur zum Fußball gehn und zu den anderen Vereinen, jedoch zur Kirche nicht erscheinen, obgleich doch dort - wie nirgendwo! - Gemeinschaft herrscht, das A und 0 für alle Menschen dieser Zeiten. Ich glaube, niemand wirds bestreiten: Das ist ganz klar der Kirche Plus, hier ist Gemeinschaft noch in Schuß und allen Christen steht sie offen. Und das gerade läßt mich hoffen, daß es der Kirche noch gelingt und sie das Dorf zusammenbringt mit ihren vielen Angeboten. Für heute schürzt sich hier der Knoten und Schein beschließt dies Schein-Gedicht, und hofft nun, daß ein jeder spricht: "Trüb, öd und traurig wär das Leben, würds Kirche nicht und Pfarrer geben!" Noch besser freilich wär es nun, ein jeder würde es auch tun und sich demnächst mal sehen lassen; ein Angebot wird Euch doch passen, und sollts am Sonntagmorgen sein! Das wär ein Anfang! Euer Schein!