Aus dem ersten Band der Gedichte von Pfr. Schein: "Was so ein braver Pfarrersmann im Vogelsberg erleben kann" 8. Folge »Pfarrer Schein und die Gemeinschaft« (l. Teil) Trüb, öd und traurig war das Leben im Dorf, würds keinen Pfarrer geben! Dies schöne Wort - es stammt von Schein - könnt heute unser Motto sein, daß wir es dem Gedicht (dem achten!) zu Thema und Devise machten. Denn grade so denkt Kunz und Hinz hier in der dörflichen Provinz. Weil: Grad der Landmensch hat erfahren, wie alles, was er noch vor Jahren mit "Leben auf dem Dorf" verband, in kurzer Zeit verging und schwand: Um bei der Schule anzufangen; sie ist schon ziemlich lang gegangen und - als ein Stücklein Dorfkultur - ging auch der Lehrer. Doch nicht nur in Bildungs- und Kulturbereichen mußt Altes dem "Modernen" weichen: Nein, die politische Gewalt, sie macht vor nichts und niemand halt! Gehts um Reform und Neugestaltung, die Optimierung der Verwaltung, dann schreckt sie auch vor nichts zurück. Sie nahm den Dörfern Stück um Stück die eigenen Obliegenheiten, dazu noch die Persönlichkeiten, die früher für die Außenwelt den Ortscharakter dargestellt: Der Bürgermeister ist nicht mehr, der Dorfgendarm, er fehlt uns sehr, der Schütz, der in den Fluren wachte, die Kindfrau, die die Babies brachte, der Lehrer sei nochmal genannt, der Doktor, jedermann bekannt, - und schließlich fehlt uns - ohne Frage! - auch die Gemeinschaft frührer Tage! Ein Sachverhalt, der, wie ihr wißt, in Eichendorf gegeben ist. Die Schuld hieran, so will mir scheinen, die tragen jene, die da meinen, es sei den Dörfern angepaßt, wenn man gleich zehn zusammenfaßt, um sie der Namen zu berauben, zu nummerieren - kaum zu glauben - und zu verwalten, streng zentral, nicht mehr als Dorf - als Ortskennzahl! (Auch Eichendorf - mal zum Exempel - ist Zahl nur im Adressenstempel. Sein Name wurde liquidiert.) Daß dies der Bürger honoriert, indem er sich nach innen wendet und seine Kraft nicht mehr verschwendet, um "in Gemeinschaft aufzugehn"; wer könnte das nun nicht verstehn? Gewiß, ich will zugute halten: Es war nicht alles Gold am "Alten" und Einiges ist besser jetzt; doch frage ich mich: Wer nur hetzt die Herrn Regierenden "da oben", (die schließlich wir zur Macht gehoben!), wer treibt sie nur zur Eile, daß sie ohne Zeit und Augenmaß den Dörfern solche "Kur" verschreiben?: Kein Stein durft auf dem andern bleiben, vielmehr, nur um "modern" zu sein, hieb man viel Gutes kurz und klein. Statt auf Bewährtem aufzubauen, hat man es oft kaputtgehauen. Für Umkehr ist es heut zu spät; was fehlt ist "Dorf-ldentität". Man diente einem "höhren Zwecke", - der Mensch vom Land blieb auf der Strecke; man hat ihm - EDV-betört - das ihm vertraute Dorf zerstört. Nur um es leichter zu regieren, ging man daran zu amputieren, nahm dies, dann jenes noch heraus - was übrig blieb, sieht traurig aus und ist (ich weiß, ich schaff mir Feinde!) nicht mehr die alte Dorfgemeinde. Denn damals wußte jedermann, wen - bei Bedarf - er fragen kann und ging dazu nur ein paar Schritte zum Brunnen, in des Dorfes Mitte, dort gab ihm Schulz und Lehrer Rat, man traf sie an, im Dienst, privat, die Voranmeldung war nicht nötig, sie waren jedermann erbötig zu helfen und warn informiert. Heut ist das straff zentralisiert: Kein Zetern hilft dir und kein Klagen, du mußt mit allen deinen Fragen, für jeden Stempel, jeden Zweck, mal auf gut Deutsch: "für jeden Dreck", aus deinem Dorf, dem angestammten, hin zu den Kommunalbeamten. Dort nämlich wird Kartei geführt, wies einem "Dorf von heut" gebührt: Der Antrag für den Kindergarten, die Stammbuch-Sachen aller Arten, der Eintrag im Familienbuch und auch dein Wohnungsgeld-Gesuch, gilts irgendeinen Streit zu schlichten, gibts Steuer- oder Wählerpflichten, dein Wasser- und dein Müll-Problem wird dort im EDV-System von Menschen, die dich selten kennen und beim Familiennamen nennen, als "Vorgang", wies Beamtenart und "unter Nummer" aufbewahrt. Der Mensch indes, der ging vergessen; was in den Städten angemessen, ists auf dem Land noch lange nicht! So sieht es Schein. Aus seiner Sicht liegt grade hier der Hund begraben, warum wir heute Mühe haben, die Menschen auf dem flachen Land, (und wenn, nur gegen Widerstand!) für die Gemeinschaft zu gewinnen; die Leute kehren sich nach innen, weil, wer sein Dorf nicht mehr begreift, sich leicht aufs "Eigene" versteift, um dort sein Lebensglück zu finden. "Gemeinschaftsgeist" ist stark im Schwinden, denn - und das wird mit Recht beklagt - dein Engagement ist nicht gefragt: Du bist des Nächstendiensts enthoben, denn alles machen "die da oben"! (Der Leser spürt den Unterton...) Und wirklich: Manchmal fragt man schon, ob es nicht recht ist, so zu reden, wenn die Verwaltung wirklich jeden Gemeinschaftsdienst und jede Tat "zentral" für sich gepachtet hat: So wird zentral dein Dorf verwaltet, dein Spielplatz wird zentral gestaltet, zentral dein Friedhof dir gehegt und auch zentral dein Grün gepflegt und so geht diese Reihe weiter. Schein meint, es wäre viel gescheiter, man ließe, wie es früher war, im Dorfe - wenigstens ein paar - von diesen vielen Tätigkeiten, durch einen aus dem Dorf bestreiten. Der Friedhof sähe besser aus, denn jeder wird "im eignen Haus" und bei den "eignen" Leuten eben, sich ganz besondre Mühe geben, daß keiner sich beschweren muß. So mancher Anlaß für Verdruß bei Rasen mähen, Hecken schneiden, wär leicht - für immer - zu vermeiden. Auch wär es sicher ein Gewinn für unseren Gemeinschaftssinn, weil eines Dorfes eigne Sachen, die soll das Dorf auch selber machen! Das alles ist der Hintergrund für den behaupteten Befund: "Trüb, öd und traurig wär das Leben im Dorf, würds keinen Pfarrer geben!" Ein Satz, der zu beweisen bleibt. Doch hat ein Mann, der etwas schreibt - und noch dazu in Sinn-gedichten - sich nach der Leserschaft zu richten und die ist kaum noch hörbereit. So wird es jetzt zu schließen Zeit, weil klug ist, wer ein Ende findet. (Genauso wie Gemeinschaft schwindet, tut es sonst auch die Leserschar!) Beim nächsten Male leg ich dar, wie Christen - grad mit ihren Gaben - dies Schwinden aufzuhalten haben. Ihr lest es dann im "zweiten Teil". Bis dann! Und seid gegrüßt derweil!