Aus dem ersten Band der Gedichte von Pfr. Schein: ”Was so ein braver Pfarrersmann im Vogelsberg erleben kann” 6. Folge Das letzte Mal blieb unbestimmt, was Schein sich heut zum Thema nimmt. So hat der Leser wohl gezielt schon auf die Überschrift geschielt, die doch erst weiter unten steht... Doch weiß er jetzt, worum es geht? »Gebot« steht da, genau: das »dritte«! Das hat er gleich, Momentchen bitte! Der Leser kramt nun recht verbissen in seinem Katechismuswissen: »Gabs acht Gebote oder mehr? Nein, ist das alles lange her!« Doch halt, da fällts ihm wieder ein: »Du sollst...«, das muß der Anfang sein! (Schein denkt sich: »Er hat recht der Mann, du sollst..., so fangen alle an!«) Nur, wie ging das dann weiter bloß? »Du sollst...« doch Etwas, zweifellos! Nur, »was«, ist hier des Lesers Frage Wie hilft er sich in dieser Lage?: Kein Katechismus weit und breit und fern die Konfirmandenzeit, in der er Psalmen jeder Menge und Lieder paukte, jeder Länge. Auch Gottesdienst und Kirchenjahr und was der Sinn der Taufe war und vieles mehr, was man besessen ist - mangels Übung! - längst vergessen! Genauso ging es den Geboten. (Schein denkt: »Hier schürzt sich jetzt der Knoten, denn dieser Übungsmangel nun, hat wiederum damit zu tun, was Gott uns in Geboten weist und was uns grad das dritte heißt«: »Du sollst«, spricht Gott, »hört, was ich sag, stets heiligen den siebten Tag!« Der Sonntag diene Lob und Preisung, dem Gotteswort, der Unterweisung, dem Kirchgang, wie es Christenpflicht, der Ruhe, doch der Arbeit - nicht! Hat also vorhin wer gefragt, was der Gebote drittes sagt, der fass nun seine Nase an und frag sich, ob er leugnen kann, daß er seit vielen, vielen Wochen grad dem Gebot nicht mehr entsprochen und weder sonntags Gott gepriesen, noch durch die Predigt unterwiesen, weil sonst - Schein zieht nun scharf den Schluß - er dies Gebot wohl kennen muß!) Doch nun genug der Klügelei. Gleich geht es los, ihr seid dabei, wenn Schein gereimt und reich bebildert die sechste Schein-Geschichte schildert: »Pfarrer Schein und das 3. Gebot« Daß nun ein jeder recht versteht und weiß, worum es heute geht, noch einmal kurz und ganz entschieden: Es geht heut um den Sonntagsfrieden, was einer sonntags treibt und tut und ob er frevelt oder ruht. So folgt mir jetzt - es ist nicht weit - nach Eichendorf, zur Sonntagszeit: Es geht so gegen neunuhrdreißig; Herr Schein ist schon am Schreibtisch fleißig, sagt sich die Predigt noch mal auf, denn gleich beginnt der Tageslauf ganz so, wie stets am Sonntagmorgen: Das Nachbardorf ist zu versorgen mit Kirche und mit Gottes Wort; und es ist Zeit, Herr Schein muß fort. Schon hebt er das Garagentor und holt den Motorroller vor, denn eben grad hat er entschieden: »Der Wagen wird heut früh gemieden! Ich will das schöne Wetter nutzen!« (Auch kam er nicht zum Autoputzen in den vergangnen sieben Tagen; so ist verschmutzt des Pfarrers Wagen und er weiß sicher und bestimmt, daß mancher ihm das übel nimmt und - grad am Sonntag - sich erregt, wie wenig Schein sein Auto pflegt.) So läßt er heut den Karren stehen. Es wird auch mit dem Roller gehen. Der ist zwar längst nicht so bequem, doch luftig, kühl und angenehm und auch dem Wetter angemessen: Nun her den Helm und aufgesessen! Grad will Herr Schein den Hof verlassen, da naht - ja, ist das denn zu fassen! - in wilder Fahrt ein Bauersmann: Am Schlepper hängt die Walze dran, mit der - wies gleich dem Pfarrer schwant - er heut sein Feld zu walzen plant, und das, vom Sonntag unbeirrt! Der Pfarrer bremst und schaut verwirrt, - doch war das nur der erste Streich! (Die andern alle folgen gleich!) Kaum sitzt er wieder auf dem Roller, da kommt - der Sonntag wird noch toller! - schon wieder ein Gefährt daher: Der Hänger - hinten - schlingert sehr, kein Wunder auch, denn eine Menge von Menschen sieht man in der Enge des Hängers dort auf Säcken sitzen; auch sieht man Hackgeräte blitzen. Mit großen Augen fragt sich Schein: »Was werden das für Leute sein; ob die heut was zu schaffen haben? Die wolln doch nicht Kartoffeln graben?« Ei freilich! Das ist grad der Plan. Hier rückt die Sippe »Maier« an, um draußen auf dem Feld im Freien den »Tag der Ruhe« zu entweihen mit körperlicher Tätigkeit. Schein fährt nun eine Strecke weit, bis neuer Schreck ihn überfällt: Was klopft denn da? Der Pfarrer hält und holt mit Müh das linke Ohr zum Lauschen unterm Helm hervor. Da tönt doch was wie Hammerschläge! Auch hört man Sägen einer Säge! Schein zweifelt: Nein! Er muß sich täuschen! Doch folgt sein Auge den Geräuschen, und richtig, dort im Dachgeschoß hockt Bauer Kunze und sein Sproß, die zimmern grad im Dachgestühl. Sie stört kein Feiertagsgefühl, auch keine Angst vor Himmelsstrafen, ja nicht einmal, daß Nachbarn schlafen um diese Zeit, noch lang vor zehn. (Auch muß die Arbeit weitergehn, denn Kunzes haben - das tat gut! den Samstag über ausgeruht!) Der Pfarrer schaut bestürzt nach droben: Da grüßen Kunzes noch von oben und hämmern weiter voller Lust; sie sind sich keiner Schuld bewußt, vielmehr: Man frevelt froh und heiter! Der Pfarrer startet, er muß weiter, auch reicht es ihm für dieses Mal.... da trifft ihn jäh ein Wasserstrahl grad vorne auf des Helms Visier! Des Pfarrers Augen blicken stier, weil ihm die Straße jetzt verschwimmt und Wasser ihm die Aussicht nimmt. Schon wieder hält der gute Mann, zieht seinen Helm vom Kopf sodann, blickt in die Runde - etwas sauer - und sieht den Grund für jenen Schauer: Herr Hinz ist da schon zeitig rege und widmet sich der Wagenpflege. Grad eben hat er shampooniert und mit dem Wasserschlauch hantiert, - von daher kam der nasse Guß! Doch weil er höflich bleiben muß - und daß ihm Wut und Zorn verwehn - zählt Schein ganz langsam jetzt bis zehn und überlegt sich, was er sagt... Da mault Herr Hinz schon ungefragt: »Sie hätten früher kommen sollen, wenn Sie mir waschen helfen wollen!« Dem Pfarrer scheint es angezeigt, daß er sich grüßend jetzt verneigt und sich per Roller fortbewegt. (Denn wenn erstmal sein Zorn erregt, dann weiß er, daß es möglich ist, daß er sein Hirtenamt vergißt und sich dann leicht im Ton vergreift!) Helm her und übern Kopf gestreift und nichts wie weg von diesem Ort. Doch was ist das? Was dreht sich dort?: Ein solches Ding kennt Pfarrer Schein! Das muß ne Mischmaschine sein. Doch warum dreht sich das Gerät? Wars gestern Abend wohl zu spät und man vergaß es auszuschalten? Der Pfarrer muß schon wieder halten, denn, auch wenns augenblicks nicht päßlich, scheint rasche Hilfe unerläßlich, und Hilfe heißt vor allen Dingen, das Mischgerät zum Stand zu bringen. Schon hat er jetzt den rechten Schalter, da packt Herrn Schein ein Schreck, ein kalter, denn hinter einer grauen Mauer liegt scheinbar einer auf der Lauer, und jetzt, »Mein Gott! Oh großer Schrecken!«, beginnt er gar, sich aufzurecken und schließlich - kaum von Schein gesichtet - hat er sich gänzlich aufgerichtet und schaut den Pfarrer drohend an... Der weiß nun, wie man irren kann: Denn heute erst wird hier gebaut, das zeigen Spritzer auf der Haut des Mannes, der da schafft und rührt. Der Pfarrer fühlt sich angeführt von seiner eignen guten Meinung! - (Doch es ist sichtlich Zeiterscheinung den Tag des Herrn so zu entehren. Und manchem muß man gar verwehren, daß nicht - es ist schon sagenhaft! - er noch karfreitags lärmt und schafft!) Der Pfarrer spart sich jedes Wort, steigt auf den Roller, macht sich fort, schaut vor sich nur noch auf die Gasse, daß er sich nicht beirren lasse, von dem, was manche sonntags treiben. Und wirklich: Kaum ists zu beschreiben, was da - in Eichendorf - gehäuft an sonntäglicher Arbeit läuft: Da wird gedroschen und gemäht, wird Dung gestreut und auch gesät, geeggt, gepflügt und dann planiert, gehäkselt und dann noch siliert, da wird gehämmert und geschraubt, geputzt, gewaschen, abgestaubt, und alles das, als müßts so sein! Schein fällt dazu ein Sprichwort ein, - ein Ratschlag zum Befolgen eben - den will er heute weitergeben: Auf Sonntagsarbeit liegt kein Segen! Könnt wochentags die Glieder regen! Könnt sechsmal schaffen, schuften, hetzen, doch feiertags ist auszusetzen; so will es Gott von alters her! Wers anders hält, vergeht sich schwer an Gottes Mahnung und Geheiß. Und wers befolgt und übt, der weiß: Nach einer Woche Müh und Plag, hilft uns ein rechter Ruhetag die nächste Woche zu bestehen. Probiert es aus! Ihr werdets sehen! Ein zweiter Rat noch, ganz zum Schluß: Wem schwer wird, wenn er ruhen muß, dem schafft Bewegung meine Bitte: Geht Richtung Kirche ein paar Schritte, denn dort erst wird der Sonntag rund, bei Lob und Dank mit Herz und Mund! (Und auch der Pfarrer säh euch gern - schon gleich am nächsten Tag des Herrn in seiner Kirche ersten Reihn.) Bis Sonntag also! Pfarrer Schein.