Die Fastenwette (Teil 1) Beim Wirt „Zum Schwan“* zu später Stunde lärmt die gemischte Kegelrunde. Der Ort heißt Stolberg*, liegt im Harz, man glaubt katholisch und wählt „schwarz“, ist nach dem letzten Wurf soeben dabei ein letztes Glas zu heben, bevor’s zum Heimgang auch soweit, zur ersten Nacht der Fastenzeit. Doch warum lärmen Herrn und Damen? Gerade schwört ein Mann, mit Namen Karl-Ernst*: Er faste jetzt sowohl beim Fleisch als auch beim Alkohol bis Ostermorgen in der Frühe! Es lohne sich die „kleine Mühe“, so nehme er auch ab „ganz leicht“ und Ostern sei das Ziel erreicht: sechs Kilo etwa oder sieben! Auch könne er das nach Belieben noch steigern bis auf neun und zehn, vielleicht gar zwölf - das muss man seh’n. - Der Lärm ebbt ab und weicht dem Staunen, doch schon beginnt es rings zu raunen: „Das kann der nicht, das schafft der nie!“ „Das klappt nur in der Theorie: Sechs Kilo in nur sieben Wochen!?“ - „Ihr werdet seh’n! Es ist versprochen!“, hört man Karl-Ernst nun wieder schrei’n. Kurz wird’s ganz still jetzt im Verein, dann meldet sich mit ernster Miene die Kegelschwester Schmidts Kathrine: „Karl-Ernst, da glaub’ ich nicht daran! Du bist ein viel zu schwacher Mann und wirst schon in den nächsten Tagen beim Fasten jämmerlich versagen! Du schaffst an Kilos höchstens zwei! Na gut, weil du es bist, auch drei! Ich selber möchte nur probieren, zwei oder drei Pfund zu verlieren, was wohl - und ich bin Optimist! - bis Ostern gar nicht einfach ist.“ - Nun meldet sich ein ziemlich Alter, der Kegelbruder Kunzes Walter, seit Jahren Keglerpräsident: „Bevor ihr weiter Ziele nennt und Zeiten, um sie zu erreichen, lasst eure Pfunde uns vergleichen, gleich heute Abend, hier und jetzt. Die Frist habt ihr ja selbst gesetzt und ist die um, wird neu gewogen. So wie ihr heute angezogen, erscheint ihr auch am Ostertag an diesem Ort. Der Endbetrag der Masse, die von euch gewichen, wird mittels Waage dann verglichen. Ist euch das Recht, dann schlagt jetzt ein!“ (Die beiden tun’s!) „Dann soll’s so sein! Der Sieger von euch zwei’n soll leben! Er kriegt ein Essen ausgegeben, das der Verlierer ihm spendiert.“ Die Kegelrunde applaudiert den Worten ihres Präsidenten. Auch unsre beiden Kontrahenten erklären jetzt: „So wird’s gemacht!“ Schnell ist die Waage hergebracht (geeignet auch noch Gramm zu wiegen!). Schon ist Kathrine aufgestiegen ... der Zeiger zuckt, er dreht sich und ... bleibt steh’n bei Hundertsechzig Pfund, die Skala „Gramm“ zeigt Sechsunddreißig. Der Kegelpräsident wird fleißig, notiert nun rasch, des Eifers voll die Zahl im Wiegeprotokoll. Jetzt ist der Mann, Karl-Ernst, zu messen. Doch warum hat der unterdessen sich seinen Mantel angelegt? Auch scheint er ziemlich aufgeregt, hält Arme, Hände steif zur Seite? Und ging er nicht auch in die Breite und sieht ob seines Körperbaus jetzt ähnlich wie ein Ringer aus? Verschob sein Bauch sich aus der Mitte? Wieso nur macht er Trippelschritte und kommt die Waage kaum hinauf? Der Fortgang löst die Fragen auf, denn aus dem Mantel fallen munter eins rechts, eins links zwei Krüge runter, die in die Achseln er geklemmt, aus denen jetzt das Wasser schwemmt, mit dem er beide reichlich füllte. Was erst des Mantels Stoff verhüllte, kommt noch zur rechten Zeit ans Licht: Der Schlingel wollte sein Gewicht erhöhen, Fastenpein zu lindern, ums nach dem Wiegen schnell zu mindern, indem er nur die Arme spreizt! - Der Präsident schaut leicht gereizt und auch der andern Blicke rügen! Jetzt muss Karl-Ernst sich also fügen, er guckt verlegen, lächelt schlapp, legt schließlich auch den Mantel ab und steigt ergeben ohne Klage nun auch zum Wiegen auf die Waage. Erst meint man, dass die Waage stöhnt, weil aus dem Innern Quietschen tönt, doch dann scheint’s grade noch zu passen, Karl-Ernstens Massen zu erfassen. Die Wiegeskala gibt es kund: Zweihundertneunundneunzig Pfund, an Gramm sind’s noch einmal Vierhundert, ein Maß, das alle doch verwundert! Der Präsident indes verliert nun keine Zeit mehr und notiert. - Hier schließt für heute jetzt mein Dichten. Beim nächsten Mal will ich berichten, wie’s weiterging und wer gewann ... Seid schön geduldig, gell? - Bis dann! Manfred Günther * Alle Orte und Namen sind geändert! Nur wenig übertrieben! - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 99