„Hast du schon gehört?“ (Wie man mit Gerüchten umgeht!) Bevor ich selbst etwas erdichte ... Es gibt da eine Sinn-Geschichte, die uns von Sokrates erzählt. Ich hab’ sie heute ausgewählt, weil sie uns lehrt zu hinterfragen, was Menschen manchmal leichthin sagen, doch ohne Hirn, nur mit dem Mund und meistens nur aus einem Grund: Um ihren Schnabel zu bewegen und uns mit Dingen aufzuregen, die halb und manchmal ganz und gar erfunden sind und weder wahr noch recherchiert und faktisch richtig und eigentlich auch gar nicht wichtig. Sie dienen nur dem einen Zweck: Sie spritzen einen schwarzen Fleck auf eines Menschen reine Weste und von dem Fleck, da bleiben Reste, selbst wenn man Waschbenzin benutzt und wischt und wäscht und schrubbt und putzt. - Doch dies nur um uns hinzuleiten und hier den Boden zu bereiten, in den sich der Gedanke senkt, den Sokrates, der Weise, denkt, in der Geschichte, überschrieben: „Gerüchte muss man dreimal sieben!“ - Da kommt einst zu dem weisen Mann, ganz aufgeregt ein Schüler an und spricht zu ihm: „Mein lieber Meister, die Leute werden immer dreister! Dein bester Freund gehört dazu und Ziel der Dreistigkeit bist du! Stell’ dir nur vor, dein Freund hat gestern ...“ „Halt, halt!“, der Weise stoppt das Lästern und sieht dem Schüler ins Gesicht. „Falls diese Dinge von Gewicht, so lass’ uns erst gemeinsam sehen, ob sie die Prüfung auch bestehen der Siebe, dreie an der Zahl!“ Der Schüler schweigt miteinemal und grübelt, denkt und blickt versonnen. Kaum ist die Sprache neu gewonnen, da dringt er auf den Meister ein: „Drei Siebe, Herr, was soll das sein?“ Darauf Sokrates: „Lass’ am besten uns hier und jetzt die Sache testen mit unsern Sieben, eins bis drei, denn jeder hat sie stets dabei. Das erste Sieb ist diese Frage: Ist es auch wahr, was ich da sage? Wer hat geprüft, ob es das ist? Entspringt’s vielleicht nur Hinterlist und ist sein Kern wohl eine Lüge, die, wenn ich sie nun weiter trüge, nur eines Menschen Ruf zerstört?“ - „Ich hab’ es, Meister, nur gehört“, so lässt der Schüler sich vernehmen. „Mich auch zur Prüfung zu bequemen, bekenne ich, das unterblieb!“ Der Meister drauf: „Das zweite Sieb ist für den Test nicht minder wichtig: Es fragt, wenn etwas schon nicht richtig, ob’s wenigstens wohl recht und gut, sodass es heilend Wirkung tut wie Arnika und Schlehenblüte. Wir nennen dieses Sieb die Güte!“ Der Schüler kleinlaut: „Güte, Heil? Nein, Meister, eh’r das Gegenteil!“ - „Dann also“, spricht Sokrates wieder, „mein Lieber, leg’ das zweite nieder und nimm das dritte Sieb zur Hand: Was sagt dein Fühlen, dein Verstand: Ist’s nötig, das Gerücht zu wissen? Und andersrum: Was würd’ ich missen, sofern ich’s weiterhin nicht weiß?“ Des Schülers Antwort zaghaft, leis’: „Nein, dieses Sieb will auch nicht passen! Vielmehr, ich will es lieber lassen, zu sagen, was dich nur erregt.“ - Das dritte Sieb ist fortgelegt und Zeit, das Dichten zu beenden und zur Moral uns hinzuwenden, die jetzt, weil’s zu den Versen passt, Sokrates selbst zusammenfasst: „Ihr Leute, prüft, was andre schwätzen! Man sollte nichts in Umlauf setzen, wenn keins der Siebe passen will! Wer weise ist, der schweige still!“ Manfred Günther Nur wenig übertrieben! - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 93