Jung bleiben Wie man dem Alter ein Schnippchen schlägt! Vor vierzehn Tagen ist’s gewesen, da war’s in „Längs und quer“ zu lesen, dass auch ein Dichter welkt und reift, wenn ihn des Alters Flügel streift und so ist’s jüngst an mir geschehen. Nun kann man’s wenden oder drehen, es bleibt etwas, das keiner mag. Drum suche ich seit jenem Tag, an dem das Alter ungebeten, beschloss, an mich heranzutreten, nach der Methode, einem Trick, der Jugend kurzen Augenblick noch etwas länger festzuhalten. Lässt sich der Körper neu gestalten? Gibt’s wohl ein Mittel, das der Zeit noch einmal Glanz und Schwung verleiht? - Die letzten Verse neulich baten, in dieser Sache mir zu raten, per E-Mail, Telefon und Brief ... Ich sah, wie gut die Sache lief, als erste E-Mails mich erreichten. Die Post kam nicht wie sonst im leichten, nur kleinen Stapel, nein, im Sack, der Bote trug ihn huckepack - gut hundert Briefe, hundert Karten! Auch musste ich nicht lange warten, bis SMS und Telefon sich meldeten mit Klingelton, um Tag und Nacht nicht mehr zu schweigen. Nicht enden wollte jetzt der Reigen, der Tipps, durch die ein alter Mann noch eine Weile jung sein kann. Nur drei davon in voller Länge, als Auswahl aus der großen Menge - geordnet wurde nach der Zahl: Tipp eins (er kam gut sechzigmal!): Ich solle mir die Haare färben! Denn grau und weiß gemahnt ans Sterben und macht die Männer blass und alt. So ging ich zum Frisör schon bald und ließ mein weißes Haar behandeln, behutsam es in Braun zu wandeln, dass keiner was von Färbung ahnt! Der Figaro war streng gemahnt, der Farbe Einwirkzeit zu straffen! Wer will schon, dass die Leute gaffen, weil es so scheint, als hätt’ dein Haar, das eben gräulich-weißlich war, ein Bad im Klärwerksschlamm genossen? Die fünf Minuten war’n verflossen, die „leichte Bräunung“ wohl erreicht. Mein Kopf, nachdem er eingeweicht, bekam mit Festiger Fixierung, danach noch eine Konservierung. Mein Haar, nachdem es dann gefönt, war schön ... in sattem Schwarz getönt! Es hieß nun Glatze oder Kappe! - So war Tipp eins die erste Schlappe, doch hört den Tipp mit Nummer zwei, gut fünfzigmal war er dabei: Man würde, hieß es, einen Alten, für einen noch ganz jungen halten, sofern die Mitte frei von Fett, geformt wie Omas Wellenbrett, mit dem sie Wäsche einst gewaschen. Am Bauch verjüngt wie Cola-Flaschen, wär’ jeder Mann ein Augenschmaus und sähe „cool“ und „knackig“ aus! Nun muss ich’s leider klar bekennen: Ich kann den Tipp nur blöde nennen! Wieso? Naja, vielleicht ist’s dumm, ich laufe selten nackt herum, drum ist mein Bauch beim Gehen, Stehen in Bad und Dusche nur zu sehen, so wirkt er kaum als Attraktion! (Obwohl ... ein bisschen gleicht er schon den angestrebten „Waschbrettwellen“. Was fehlt, sind zwischendrin die Dellen, er ist halt mehr an einem Stück!) - Der dritte Tipp führt uns zurück in realistische Bereiche: Hier geht’s um des Gesichtes Bleiche, sie wurde vierzigmal genannt. Es wäre, hieß es, ja bekannt, dass Alte bleich sind „wie die Knochen“. Doch könne man „in ein paar Wochen selbst noch aus einem Leichentuch, durch regelmäßigen Besuch des Sonnenstudios etwas machen und neu der Jugend Glut entfachen, dass jeder gern nach einem schaut, auch stehe jedem braune Haut!“ - Wir sind für heute fast am Ende! Ist sie vollbracht, die große Wende? Macht keiner mir die Tür mehr auf? Ist wohl gebremst der Jahre Lauf? Gelang’s dem Alter zu entwischen und Jugend nochmal aufzufrischen? Jawohl, doch nicht wie erst gedacht, denn Jungsein wird im Kopf gemacht! Statt den Verbrauch an Fett zu senken, kommt’s mehr drauf an, wie Menschen denken! Auch stimmt wohl dies: Dein weißes Haar macht kaum dein Alter offenbar, gefragt ist Jugend der Gedanken! Nicht deine Haut muss Sonne tanken, du brauchst ihr Strahlen innerlich! Es gilt der Spruch für dich und mich: Wir sind so alt, wie wir uns fühlen. Wenn Herzen erst und Seelen kühlen, dann bringt kein Tipp, kein Mittel mehr der wahren Jugend Wiederkehr! Manfred Günther Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 94