Die Zeitungswette Oder: Ist BILD lesen im Wasser möglich? Ein Ort, für den auch Preußen schwärmen, ist Bayerns Füssing* mit den Thermen, in denen sich durch Schwefelkur nicht körperliche Mängel nur, vielmehr auch seelische durch Wässern bei über dreißig Grad verbessern, ja, manchmal schwinden sie auch ganz. So ist sie gut, die Resonanz, die Füssing bei den Gästen findet. Wobei Genesung auch verbindet: Wer einmal dort beim Kuren war, kehrt wieder dann im nächsten Jahr! Soweit die kurze Vorgeschichte. - Wovon ich weiter jetzt berichte erscheint dem Leser erst wohl kaum als realistisch, eh’r als Traum. Doch liebe Leute, lasst euch sagen, genau so hat’s sich zugetragen in Füssings „Therme Nummer zwei“. Woher ich’s weiß? - Ich war dabei als Hans**, ein pfiffiger, ganz kleiner, mit seinem Freund, dem langen Heiner**, von einer „Zeitungswette“ spricht: „Mein Lieber, sicher glaubst du nicht, dass mir’s gelingt - und nicht am Tresen, vielmehr im Wasser! - BILD zu lesen von Seite eins bis an den Schluss auf Seite vierzehn. Ja, ich muss dabei noch nichtmal Seiten wenden!“ Der Heiner schaut nach Hansens Händen, in denen der nicht mal ein Blatt von irgendeiner Zeitung hat! Dann meint er: „Und ... wie soll das gehen?“ Drauf Hans: „Schlag ein, dann wirst du’s sehen. Als Einsatz steht ein Kasten Bier!?“ „Ok, mein Freund, den hol’ ich mir“, sagt Heiner jetzt, „doch will ich wissen, ob du vom Wilden Watz gebissen, denn was du planst, geht niemals gut! Da ist zunächst das viele Blut ... Die BILD liegt besser flach auf Tischen, im Wasser wird das Blut sich mischen, wodurch sich dann die Schrift verschmiert. Auch kann die Zeitung garantiert bei Feuchtigkeit die Form nicht halten! Als Klumpen kann man sie nicht falten! Noch keiner las im Wasser BILD! Drum sag’ ich: Top, die Wette gilt!“ - Nun fragen Leser, Leserinnen, wer von den beiden wird gewinnen? Der Hans? Wenn ja, mit welcher List? Der Heiner, der so skeptisch ist, doch wohl mit Recht und gut begründet? - Die Wette zwischen beiden mündet nun endlich in die Praxis ein: Hans geht voran und hinterdrein folgt Heiner jetzt zum „kalten Becken“. (Dort schwimmt man, um sich abzuschrecken, bei kühlen sechsundzwanzig Grad.) Rings ums Karree gibt’s einen Pfad an dem auf Sonnenstühlen schwitzend so mancher liegend oder sitzend die Ruhe seiner Kur genießt. Und ratet, was er macht? - Er liest! Und was denn wohl? Nun ratet weiter! Na klar, die BILD ist der Begleiter, rings um das Becken dreißig Mal! Jetzt ahnt ihr auch, wie Hans real gedacht, die Wette einzulösen - und nicht mit Haken oder Ösen! - vielmehr genau, wie er’s versprach: Im Wasser und der Reihe nach: Ein kurzer Blick - nur zwei Sekunden - Hans hat die Seite eins gefunden. Er springt und schwimmt durchs kühle Nass und ruft’s zu Heiner, wer und was die Themen auf der Titelseite. Ein nächster Blick, da ist die zweite: Hans liest jetzt laut den „Kommentar“. Die Seite drei ist offenbar an keiner Stelle aufgeschlagen, die wird dann später nachgetragen. Hans sucht und findet Seite vier und fünf ist auch nicht weit von hier. Es folgen dann noch sechs und sieben. (Wo, bitte, ist die drei geblieben?) Dann kommt die neun, davor die acht, schon werden zehn bis zwölf gemacht, dann Seite dreizehn und die letzte und endlich auch die lang versetzte, bisher vermisste Seite drei. Hans kommt an Land, es ist vorbei, die Zeitungswette ist entschieden. Er fühlt sich gut und ist zufrieden und freut sich schon auf den Gewinn! Er lächelt mild zu Heiner hin, der schaut zurück und blickt versonnen: „Ich gebe zu, du hast gewonnen, doch dafür, Hans, gewährst du mir - dann geht es um drei Kisten Bier! - an diesem Becken, dieser Stätte, an andrem Tag, die selbe Wette!“ „Warum denn nicht“, meint Hans darauf, „doch nimmt das dann den selben Lauf, du wirst genau wie heut’ verlieren!“ „Das, lieber Hans, wird nicht passieren!“ entgegnet Heiner leiser jetzt. „Drei Kisten also sind gesetzt, es ist an dir, nun einzuschlagen: Vom Wasser aus sind anzusagen komplett die Seiten einer BILD!“ Jetzt hört man Hans: „Die Wette gilt!“ - Nun fragen Leser, Leserinnen, wer wird denn dieses Mal gewinnen? Das ist am Ende schnell erzählt: Der lange, schlaue Heiner wählt den Tag, an dem wir ruhen sollen. Doch geht die BILD dann in die Vollen: Die BILD AM SONNTAG nämlich hat statt sieben, um die fünfzig Blatt, das ist - und selbst bei einer straffen Logistik nimmermehr zu schaffen! - (Das war, weil alles enden muss, der Wette und der Verse Schluss!) Manfred Günther * Füssing = Bad Füssing ** Die Eigennamen sind erfunden! Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 87