Strich drunter! Einmal muss Schluss sein! Nicht immer ist das Leben heiter! Auch Hader, Zwietracht sind Begleiter, die mit uns gehen durch die Zeit: Hat was die Alten einst entzweit und kommt für sie der Tag zu sterben, dann zählt zu dem, was sie vererben, oft auch der Streit, der lange schon jeweils vom Vater auf den Sohn als ein Vermächtnis überkommen. Und wird das Erbe angenommen, dann geht es weiter mit dem Zwist. Doch will ich, dass es plastisch ist, euch hier in Kürze Kunde geben, von einem Beispiel aus dem Leben*: Zwei Männer, einer Hans** genannt, der andre ist als Fritz** bekannt, sind Feinde schon seit hundert Jahren. Das meint: Schon ihre Ahnen waren von Neid und Eifersucht ganz krank, verstrickt in Missgunst, Hass und Zank. Doch wenn man heut’ die Jungen fragte, gäb’s sicher keinen, der uns sagte, woher der alte Hass denn rührt. Doch wird er immer neu geschürt und heute, wie in alten Tagen, auf Frau und Kinder übertragen. Die Feindschaft war und ist ein Sog der stets Familie einbezog: So wie es war, so ist’s geblieben! - Hier wird nun kurz und krass beschrieben, was nur allein - mal hier, mal da - im letzten Vierteljahr geschah: Der Fritz entdeckt zwei platte Reifen - des Nachbarn Hund kriegt Zebrastreifen. Benzin in Fritzens Goldfischteich - drauf kappt im Gartengrenzbereich der Hans den Stamm der alten Eibe. Dann klirrt bei Hans die Fensterscheibe - worauf bei Fritz ein Ziegel springt. Was diesen in der Folge zwingt, die Euter von des Nachbarn Kühen mit Schweinegülle zu besprühen, was Milch nur schwer genießbar macht. - Doch zeigt - wir haben’s uns gedacht - man Feindschaft auch mit Mund und Füßen: Denn trifft man sich und sollte grüßen, dann wechseln Hans und Fritz sofort die Straßenseite, doch kein Wort, kein Gruß kommt je aus ihrem Munde! - Doch gestern endlich kam die Stunde, die Außenstehenden ganz klar Beweis für höh’re Fügung war: Hans trifft den Fritz im Wartezimmer von Doktor Grün, in dem sonst immer Gedränge herrscht und viel Verkehr - heut’ aber ist es menschenleer und schwer, einander auszuweichen. Miteinemal, wie auf ein Zeichen, beginnen beide aufzuseh’n, sich anzuschau’n und aufzusteh’n und jeder geht jetzt ein, zwei Schritte, bis man sich in des Raumes Mitte begegnet und die Hände reicht. Dann hören wir, es fällt nicht leicht, die Männer „Guten Morgen!“ sagen. - Mag sein, dass jetzt die Leser fragen, woher der Sinneswandel rührt? Er kommt, weil einmal jeder spürt, es kann der Streit nicht ewig bleiben! Darauf entsteht durch inn’res Treiben zum Frieden hin ein starker Druck ... und endlich gibt man sich den Ruck und streckt die Hand - sie wird ergriffen! Was seit Jahrzehnten eingeschliffen, vergeht wie Dunst im Sonnenlicht. - Mag sein, die Leser glauben’s nicht, dass solche Zeichen je geschehen. Probiert es aus, dann sollt ihr sehen! - Hier löste sich der alte Fluch im Warteraum beim Arztbesuch, doch kann’s an jedem Ort passieren! Was kannst du eigentlich verlieren und was dafür winkt als Gewinn? Das Fass, gefüllt mit Eigensinn, mit schlechter Tradition und „Ehre“, ist lange reif, dass man es leere! Streck’ aus die Hand, es geht im Nu und heute ist der Tag dazu! Manfred Günther * Das Beispiel stammt aus vielen Orten! ** Die Namen sind verändert! Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine 69