Das Gruppenbild* - Teil 2 oder: wie man 140 Mann auf ein Foto bekommt Der Schluss des ersten Teiles neulich ergab, was leider nicht erfreulich, nur fünf von hundertvierzig Mann steh’n jetzt zum Gruppenfoto an: zwei Enkel, Oma und zwei Paten. - Ich gab euch auf, doch mal zu raten, wie lange Zeit es wohl noch braucht, bis auch der letzte aufgetaucht, sich zu den andern zu gesellen und auf die Bühne sich zu stellen? Wobei die zweite Frage war: Wann endlich ist dann alles klar, dass alle auch manierlich stehen und stracks in eine Richtung sehen, mit Blick nach vorn, nicht kreuz und quer, die Augen auf, die Münder leer? - Wir seh’n wie Oma wieder startet, sie hat ja lang genug gewartet. Sie geht jetzt schon zum zweiten Mal hinein, wo sie im großen Saal noch immer fleißig Torten schlingen. Die Fräuleins, die den Kaffee bringen, die Kellner flitzen hin und her. Auch am Buffet ist Stoßverkehr, man denkt nicht dran, schon aufzuhören und lässt beim Essen sich nicht stören, vom Ruf zum Foto unbeirrt. - Die Oma winkt dem Schwanenwirt, der folgt und kommt mit großen Schritten zur Oma, die will etwas bitten ... Der Wirt verzieht im Schalk den Mund und dann sich selbst mit gutem Grund! Nur etwa fünf Sekunden später, wird schon der Schwanenwirt zum Täter: Er drückt Alarm, worauf wie wild die Feuerschutz-Sirene schrillt! Und endlich gibt’s im Saal Erregung und dann auch hektische Bewegung zum Ausgang, wo die Tür schon weit und Oma „Feuer, Feuer!“ schreit. Zwar sieht man’s drinnen nirgends brennen, jedoch sieht man die Gäste rennen. Den Mund noch voll geht’s eins, zwei, drei an unsrer Oma jetzt vorbei. Zwar ist ihr noch nach Stirnerunzeln, doch innenwändig muss sie schmunzeln. (Das hätt’ sie selber nicht gedacht, wie rasch man Gästen Beine macht!) - Nun, da die Menschenströme fließen, im Schwall sich in den Hof ergießen, kommt Schmidt, der Fotograf, zum Zug: Er lenkt - denn er ist nicht nur klug, vielmehr auch von Statur ein Hüne! - die Menge hin zur großen Bühne, die rasch sich mit den Gästen füllt. Schon wird der Apparat enthüllt, nun endlich auch das Bild zu nehmen ... Da kommt’s zu weiteren Problemen: Die alten Tanten, ach herrjeh!, sind immer noch auf dem WC ... gesetzt, sie haben es gefunden! (Nun dauert das doch wohl nicht Stunden, ist auch der Mensch schon ziemlich alt!) Die Hilfe naht nun in Gestalt des Schwanenwirts; er geht sie suchen und kann auch bald Erfolg verbuchen: Im Keller unten an der Bar, sitzt lallend unser Tantenpaar. Weil das WC noch nicht gesichtet, sind die Geschäfte unverrichtet, jedoch das ist jetzt auch egal. Der Wirt bugsiert sie durchs Lokal hin zu den andern, die noch warten. Nun denn, jetzt kann die Sache starten ... So, denkt man, leider stimmt es nicht: Der Vetter Hans verdeckt die Sicht auf Frieda, seine Angetraute! Der Schwiegersohn, der grad noch kaute, hat Schokosoße unterm Bart. Der Neffe, dass er Flecken spart, trägt auf der Brust noch die Serviette. Die Enkel Marco und Annette, seh’n aus, wie lange nicht gekämmt. Die Nichte Ruth wirkt stark enthemmt und hört nicht auf wie blöd zu lachen. Wie soll da einer Bilder machen? - Dann endlich, endlich steh’n sie brav. Schon gibt Herr Schmidt, der Fotograf Kommando, einmal „schlau“ zu gucken. Das wiederum löst aus ein Zucken bei manchem, den das amüsiert, was Schmidt nun wieder enerviert. Doch dann ein „Klick“, Schmidt hat entschlossen im rechten Augenblick geschossen! (Doch später zeigt das Bild als Clou, die Oma hat die Augen zu!) Manfred Günther * Das Gedicht fasst zahlreiche selbst gemachte Erfahrungen zusammen. Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine 66