3, 1, 2 ... Kehrverte Folgenreihe Ich will, was Ältere noch kennen, hier einmal deutlich „Tugend“ nennen: das „Warten können“ früh‘rer Zeit. Wir lernten noch Beharrlichkeit und die Geduld, das Sich bescheiden: Wir konnten uns mit dem nur kleiden, was mit dem Lohn bezahlbar war. Und wenn man reiste, war es klar: Statt Flug an ferne Horizonte - so weit nur, wie das Konto konnte! Und gar für einen Autokauf ging das erst hart Ersparte drauf. Doch selbst bei wirklich großen Sachen vermied man gern das Schuldenmachen: Sei’s Renovierung oder Bau ... Der Arbeitsfortschritt hat genau der Höhe des Gehalts entsprochen. - Längst sind die Zeiten angebrochen, in denen alles schneller geht: Mit unsichtbaren Lettern steht „gepumpt“ und „Leasing“ auf den Dingen. Wenn wir die Sachen einst empfingen, dann war die letzte Mark bezahlt! Heut’ wird mit Häusern schon geprahlt, von denen auf dem Dach kein Ziegel und in der Küche nicht ein Tiegel dem, der das Haus bewohnt, gehört. Des Zeitgeists Angebot betört: „Gleich alles haben - später zahlen!“ Schon lang ist Schluss mit Idealen, die vor Jahrzehnten noch im Schwang. Und doch fragt mancher sich schon lang, ob Regeln, wie sie früher galten, nicht doch auch Richtiges enthalten und ob nicht wirklich „eig’ner Herd“ - nicht der gepumpte! - „Goldes Wert“? - In jedem Fall, das wollt’ ich sagen, lässt oft die Reihenfolge fragen, ob sie wohl gut und richtig ist? Falls du mit Hirn versehen bist, dann weißt du, dass die ersten Schritte nach vorn gehör’n, nicht in die Mitte. Nur Narren zählen drei, eins, zwei, vernünftig heißt es: eins, zwei, drei! - Genug von Leasing, Ratenkäufen ... Auch im Verkehr der Menschen häufen sich Handlungsweisen neuer Art: War früh’r die Hochzeit noch der Start in Stand und Leben einer Ehe, so ist, wenn ich es richtig sehe, in Städten und in Dörfern auch, es bei den meisten Paaren Brauch, zuerst die Ehe zu probieren, sich gegenseitig zu studieren, um dann - sehr oft nach langer Zeit - zu sagen, endlich wär’s soweit: Man würde sich jetzt bestens kennen, um sich „ganz freundschaftlich“ ... zu trennen! In andern Fällen steht am Schluss, ein „Unfall“, dass es heißt: Man muss! Der dritte Fall ist, denk’ ich, selten und kann als echter Glücksfall gelten, dass nämlich zweie, die’s „probiert“ und sich schon jahrelang „studiert“, sich schließlich doch zum Trauen trauen. - Es lohnt auch hier zurückzuschauen so zwei bis drei Jahrzehnte nur: Zuerst kam stets der Treueschwur: „Ich will für immer bei dir bleiben!“ Dann musste man das unterschreiben und war vermählt mit Ring und Schein, danach erst lebte man zu zwei’n! Viel fester - das ist nicht Erfindung! - und dauerhafter war die Bindung! Und sicher schöner, besser auch und angemessen einem Brauch, der vorwärts geht in rechten Schritten: Vom ersten, zweiten bis zum dritten, halt so, wie man’s beim Laufen macht und wie die Uhr bei Tag und Nacht seit Ewigkeiten die Sekunden und die Minuten und die Stunden in strikter Ordnung folgen lässt. - Noch manches Beispiel, das steht fest, zeigt klar, was gut ist und vernünftig. - Doch fürchte ich, wir zählen künftig fast überall nur drei, eins, zwei und nicht, wie’s sein soll: eins, zwei, drei! Doch plane ich, ihr müsst nicht bangen, Gedichte weiter anzufangen, wo stets ihr Anfang stehen muss: ganz vorne halt, nicht hier am Schluss! Manfred Günther Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 42