Adventliche Abrüstung Wunderbare Wirkung der Krise Wie war das in den letzten Jahren? Kaum dass wir aus dem Urlaub waren, gab’s Plätzchen schon mit Sternanis. Im Kaufhaus-Kinderparadies tönt’s „Ho, ho, ho!“ schon im September. Ein Lichterbaum war im November fast überall schon in Betrieb. Und wo es erst noch dunkel blieb, kam weit noch vor dem Monatsende die lang ersehnte Lichterwende mit tausendfachem Kerzenglanz. Selbst Festtagsgans und Weihnachtstanz war totensonntags schon zu haben. Zu Hause lagen Weihnachtsgaben seit Bußtag eingepackt im Schrank. Nur Kirchen waren, Gott sei Dank, dagegen, Feste, Feiern, Zeiten nach vorne stärker auszuweiten, wie’s leider unsre Wirtschaft tut - doch nicht dem hohen Fest zugut! - In diesem Jahr, in diesen Tagen, ist’s deutlich anders, muss man sagen: Ging’s früh’r schon fast im Sommer los, gab’s dieses Jahr vereinzelt bloß geschmückte Bäume vor den Wochen, da die Adventszeit angebrochen! Es ist als hätte wer gesagt: Advent wird nach Advent vertagt und keiner soll sich unterstehen und lasse Lichterketten sehen, bevor der Erste Zwölfte ist! Mir macht das Spaß als Mensch und Christ! Doch frag’ ich mich, da bin ich ehrlich, ob dies wohl mit Vernunft erklärlich? Das hieße klar, es leuchtet ein: Advent kann im Advent nur sein und nicht, wenn Händler sich besinnen, mit Weihnachtsmärkten zu beginnen, beziehungsweise im Regal bei Aldi, Lidl, Minimal die ersten Christtagsstollen liegen! - Doch nein, ich bin nicht so verstiegen, dass ich an Einsicht glauben mag! Die Krise ist’s und ihr Ertrag: Die Wirtschaftsflaute macht bescheiden, lässt frühen Lichterglanz vermeiden, auch werden Kosten reguliert indem man etwas reduziert: Statt vierzehn Birnen um die Fichte genügen heut’ nur sieben Lichte, das macht auch nur den halben Strom! Statt Pergola mit Strahlendom geht’s wieder einfach zu und schlichter. Und dennoch zeigen die Gesichter der Menschen wie in früh’rer Zeit viel Freude, denn die Sparsamkeit weckt neuen Glanz aus unserm Innern! Bescheidung macht uns zu Gewinnern! Wer wenig tut und sich beschränkt, den Aufwand um die Hälfte senkt, erlebt fast wie ein kleines Wunder: so manches früher war nur Plunder und unsrer Seele nur im Weg! - Hier noch ein Rat als der Beleg, dass wenig Kerzen, kleine Zeichen oft drin im Herzen mehr erreichen: Man stelle mit Bedacht und Sinn jetzt im Advent die Kerzen hin, der Sonntags-Anzahl angemessen. Man schaue ... darf ein Plätzchen essen ... und spürt auf einmal wie ganz leis’ in uns was taut, so wie das Eis, das sanft vergeht im Schein der Sonne. Und plötzlich ist sie da, die Wonne, die jeder aus der Kindheit kennt: Auch wenn vor uns ein Licht nur brennt, so hilft es doch in uns den hellen Gedanken, sacht sich einzustellen: Erwartung, Andacht ... wunderbar ... Advent wird wieder was es war! - Auch wo Bescheidenheit erzwungen, durch Sparzwang, Kostendruck gedrungen, ist sie doch gut und dient uns auch: Sie hilft uns, dass wir manchen Brauch aus dieser Zeit uns selbst zum Nutzen zurück auf rechte Maße stutzen: Ob einer echte Freude hat, bemisst sich nicht in Kilowatt! Es nützt nichts, immer früh’r zu starten, das Zeichen des Advents heißt „Warten“ - dazu reicht einer Kerze Schein! - Die Krise kann auch Chance sein! Manfred Günther Längs und quer zur Zeit - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 30