Wie man’s macht... (Teil 12) Sechs Gebote für Talkshow-Gäste* Es geht heut’ nicht um ein Geschehen, wie wir’s in unserm Alltag sehen: Vielleicht dass Eberhard und Klaus, zwei Nachbarn, wohnhaft Haus an Haus, sich übers Wetter unterhalten. Vielleicht dass eine von den Alten aus unsrer Gasse sich beschwert, vor Meiers Haus sei nie gekehrt und fragt uns, was wir dazu meinen. Auch um die Sitzung in Vereinen, wo man im Vorstand sich bespricht, sei’s Chor, sei’s Sport, geht’s heute nicht. Das alles sind nur Kleinigkeiten. Selbst wenn wir uns dabei mal streiten, bleibt alles doch im rechten Maß. Die Talkshow aber ist kein Spaß, da braucht man härtere Bandagen! Denn Leute aus den Chefetagen von Politik bis Hochfinanz, bei Jauch, bei Illner oder Lanz, die suchen nicht die Unterhaltung. Es geht um Kampf, um Selbstentfaltung, man ist sich feind und Konkurrent. Hier zählt kein bess’res Argument, im Gegenteil: zum Schluss verlieren, die sich vernünftig präsentieren. Auch will der Talkshow-Master gern als seine Gäste Damen, Herrn, die deutlich aus dem Rahmen fallen. Hat einer Pfötchen nur statt Krallen, dann taugt er nicht für dieses Spiel. Bescheidenheit führt nicht ans Ziel, die Arroganz bringt Einschaltquote! - Hier liest du jetzt die Sechs Gebote, die man und frau beachten soll, fasst Jauch, fasst Illner (- wär’s nicht toll?) mal den Entschluss, dich einzuladen: Die Nummer eins: Es kann nichts schaden, beim Talk recht grimmig auszuseh’n! Du bist - und jeder wird’s versteh’n - nicht da zum Plaudern und Vergnügen. Die Nummer zwei: Auf deinen Zügen sei stets ein Hauch von Süffisanz! Du bist der Beste! Sei es ganz! Die Nummer drei: Lass keinen reden! Du unterbrichst beim Reden jeden! Ob Master oder andrer Gast, kein zweiter spricht, wenn dir’s nicht passt. Die Nummer vier (- wenn drei versagte und jemand doch zu reden wagte). Jetzt wirst du laut, schnauzt böse an, den, der den Mund nicht halten kann. Die Nummer fünf: Will’s nicht gelingen, des andern Schweigen zu erzwingen, dann schaust du so, dass jeder sieht, dass schier Unglaubliches geschieht, wenn einer wagt, auch selbst zu sprechen und damit dich zu unterbrechen. Die Nummer sechs sagt dir zum Schluss, dass man die Sache üben muss. Hierzu ist Fernzuseh’n das Mittel: Schau’ im Programm nach „Talk“ im Titel und sieh dir jede Sendung an, weil man dabei was lernen kann: Die andern giftig anzublaffen, Gerüchte eingesetzt als Waffen, wie man den Gegner mundtot macht... Schau dir’s nur an und gib fein Acht! Doch sollst du eins dir streng versagen, das, was du lernst zu übertragen in den alltäglichen Verkehr! Sonst hast du keine Freunde mehr! Manfred Günther * Geschrieben nach der ersten und letzten Talkshow, die ich mir angesehen habe. Der Karl, die Frieda und die andern... - Gedichte für Alsfelder Allgemeine Zeitung 98