Nie mehr draußen vor der Tür Wie das Lied „Macht hoch die Tür ...“ entstand Georg Weissel, der am 1. August 1635 starb, schrieb das bekannte Adventslied „Macht hoch die Tür“ in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges. Einer Zeit, die alles andere als friedlich und geordnet verlief. Äußere Sicherheit und Wohlstand können also nicht der Antrieb zu Weissels Lied gewesen sein. Der Grund dafür muss tiefer liegen. Er kann sich nur in einem Glauben finden, der seiner Sache gewiss ist, der sich freuen kann, auch wenn die äußeren Umstände dazu wenig Anlass bieten. Geboren wurde Georg Weissel im Jahr 1590 in Domnau in Ostpreußen. In Königsberg studierte er Musik und Theologie. Nach seinem Studium war er Rektor in Friedland (Ostpreußen). Mit 33 Jahren wurde ihm die Pfarrstelle an der neuerbauten „Alt-Rossgärtschen Kirche“ in Königsberg angeboten. Weissel nahm dieses Angebot an. Das wohl bekannteste Lied von Weissel ist das schon erwähnte Adventslied. Über seine Entstehung berichtet Weissel selbst: "Neulich, als der starke Nordoststurm von der nahen Samlandküste herüberwehte und viel Schnee mit sich brachte, hatte ich in der Nähe des Domes zu tun. Die Schneeflocken klatschten den Menschen auf der Straße gegen das Gesicht, als wollten sie ihnen die Augen zukleben. Mit mir strebten deshalb noch mehr Leute dem Dom zu, um Schutz zu suchen. Der freundliche und humorvolle Küster öffnete uns die Tür mit einer tiefen Verbeugung und sagte: „Willkommen im Hause des Herrn! Hier ist jeder in gleicher Weise willkommen, ob Patrizier oder Tagelöhner! Sollen wir nicht hinausgehen auf die Straßen, an die Zäune und alle hereinholen, die kommen wollen? Das Tor des Königs aller Könige steht jedem offen.“ Nachdem ich den Schnee von meinem Gewand abgeschüttelt hatte, klopfte ich dem Küster auf die Schulter und sagte: „Er hat mir eben eine ausgezeichnete Predigt gehalten!“ Wir blieben im Vorraum des Domes, bis sich das Unwetter ein wenig legte. In der Zwischenzeit sah ich fortgesetzt zu dem hohen Portal, und da kamen mir die ersten Verse in den Sinn. Zu Hause beendete ich es in kurzer Zeit." Inhaltlich gründet das Lied auf Psalm 24 und Matthäus Kapitel 21, Verse 1 bis 9. Erstmals gesungen wurde es am vierten Adventssonntag des Jahres, in dem es Georg Weissel schrieb, und zwar vor dem Gartentor des Geschäftsmannes Sturgis. Das geschah deshalb, weil dieser ein an sein neu erbautes „Schlösschen“ angrenzendes Wiesengrundstück erworben, mit einem Zaun versehen und die Tore fest verschlossen hatte. Damit war den Leuten aus dem Armen- und Siechenheim nicht nur der nahe Weg in die Stadt versperrt, sondern auch der zur Kirche. Sie mussten jetzt eine weite, mühevolle Strecke zurücklegen, für deren Bewältigung die Kräfte vieler Heimbewohner nicht mehr ausreichten. Die Forderungen der Stadtväter und zahlreicher Bürger, die Gartentore zu öffnen, stießen bei Herrn Sturgis auf taube Ohren. So schritt denn an jenem vierten Adventssonntag nicht nur der Kurrendechor zu Sturgis' Haus, sondern es schlossen sich auf Vorschlag des Pfarrers zahlreiche arme und gebrechliche Leute aus dem Heim den Sängern an. Mit ihnen selbstverständlich auch der Dichter. Nachdem der Chor vor dem Gartentor des Geschäftsmannes Aufstellung genommen hatte, hielt Weissel eine kurze Predigt. Mit großem Ernst sprach er von der hochmütigen Verblendung, mit der viele Menschen dem König aller Könige, der ja auch das Kind in der Krippe sei, die Tore ihres Herzens versperrten, so dass er bei ihnen nicht einziehen könne. Mit erhobener Stimme fuhr er fort: „Und heute, lieber Herr Sturgis, steht er vor eurem verriegelten Tor. Ich rate euch, ich flehe euch an bei eurer Seele Seligkeit, öffnet ihm nicht nur dieses sichtbare Tor, sondern auch das Tor eures Herzens und lasst ihn demütig mit Freuden ein, ehe es zu spät ist.“ Er hatte das letzte Wort noch nicht ausgesprochen, als der Chor zu singen begann: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit! Es kommt der Herr der Herrlichkeit, ein König aller Königreich, ein Heiland aller Welt zugleich, der Heil und Leben mit sich bringt ...“ Sturgis stand wie angewurzelt. Kurz vor Beendigung des Liedes aber - die Sänger sahen es mit Erstaunen - griff er in seine Tasche und brachte einen Schlüssel zum Vorschein, mit dem er die Gartentore aufsperrte. Und von diesem Zeitpunkt an wurden sie nie mehr verschlossen. Die Heimbewohner hatten ihren kurzen Weg zur Kirche wieder, der noch lange Zeit „Adventsweg“ genannt wurde. Erich Schmidt-Schell im Sonntagsblatt (7.12.03)