Predigt zum 8. Sonntag nach Trinitatis - 10.8.2014

Textlesung: Röm. 6, 19 - 23

Ich muss menschlich davon reden um der Schwachheit eures Fleisches willen: Wie ihr eure Glieder hingegeben hattet an den Dienst der Unreinheit und Ungerechtigkeit zu immer neuer Ungerechtigkeit, so gebt nun eure Glieder hin an den Dienst der Gerechtigkeit, dass sie heilig werden. Denn als ihr Knechte der Sünde wart, da wart ihr frei von der Gerechtigkeit. Was hattet ihr nun damals für Frucht? Solche, deren ihr euch jetzt schämt; denn das Ende derselben ist der Tod. Nun aber, da ihr von der Sünde frei und Gottes Knechte geworden seid, habt ihr darin eure Frucht, dass ihr heilig werdet; das Ende aber ist das ewige Leben. Denn der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn.

Liebe Gemeinde!

Um bestimmte Wahrheiten unseres Glaubens machen wir immer gern einen Bogen. Ein Beispiel dafür ist das, was Paulus hier so deutlich anspricht: "Denn der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn." Das gilt übrigens für uns, die wir der Gemeinde predigen sollen, genauso: Wir sagen es nicht so gern, dass nach dem Wort Gottes, wie wir es etwa hier lesen, das Ziel des Lebens nicht immer Gottes Ewigkeit ist, sondern möglicherweise auch der Tod. Lieber hätten wir, dass alle Menschen am Ende Gottes Herrlichkeit sehen dürfen.

Andererseits: Wenn es so wäre, wenn also alle Menschen - wie auch immer sie gelebt haben - nach ihrem Tod mit dem Ewigen Leben beschenkt würden, dann wäre alles, was wir mit einem christlichen Leben verbinden, ohne Bedeutung: Ob einer Nächstenliebe übt oder immer nur seinen eigenen Vorteil sucht - gleichgültig! Ob eine sich bemüht, immer die Wahrheit zu sagen oder wenn es ihr nützt, lügt und betrügt - gleichgültig! Überhaupt: Ob einer Gottes Gebote hält oder sie bricht, immer dann, wenn es ihm günstig erscheint - gleichgültig! Ob einer an Jesus Christus glaubt und dass er für unsere Schuld ans Kreuz gegangen ist oder ob er sich auf sich selbst verlässt und die eigenen Werke und Verdienste - gleichgültig! - Nein, so darf es nicht sein! So kann es nicht sein und ich glaube fest, so ist es auch nicht!

Und trotzdem fällt uns das nicht so leicht, einem Mitmenschen und Mitchristen das zu sagen: "...der Sünde Sold ist der Tod; die Gabe Gottes aber ist das ewige Leben in Christus Jesus, unserm Herrn." Wenn es gar noch ein Mensch ist, der uns nahe steht, zu unserer Familie gehört, unser Kind, unser Vater oder unsere Mutter ist, unser Ehepartner... Wie schwer fällt das, auch nur so zu denken, dass ein Mensch, der uns so lieb ist, am Ende den Tod und nicht das Leben sehen wird. Und diesem Menschen gar davon zu reden... - - -

Aber wir müssen ja nicht unbedingt darüber nachdenken, was aus den Menschen in unserer Nähe wird, wenn wir an das Ende des hiesigen Lebens denken. Und wir müssen auch nicht darüber reden...jedenfalls nicht gleich und nicht zuerst. Wenn uns an den Menschen und an ihrer Beziehung zu Gott und ihrem Glauben an Jesus Christus liegt, dann gibt es immer wenigstens eine andere Möglichkeit, ihnen zu einem Leben zu helfen, das nicht im Tod endet, sondern in Gottes Ewigkeit: Ich meine das eigene Beispiel, unser Vorbild!

Wir haben jetzt ja überhaupt schon viel, vielleicht zu viel über andere Menschen geredet und nachgedacht - fragen wir doch einmal uns selbst, wie wir es denn mit dem Glauben halten und wie fest unsere Beziehung zu Gott ist und was sie ausmacht. "Gebt eure Glieder hin an den Dienst der Gerechtigkeit, dass sie heilig werden", sagt Paulus. Was sich hier ein wenig gestelzt anhört und nicht unbedingt unser Sprachgebrauch ist, könnten wir auch so ausdrücken: Gebt euch immer mehr Gott hin und zu Eigen und müht euch darum, dass ihr seiner Sache dient! Und unseren Herrn Jesus Christus wollen wir dabei auch nicht vergessen. Er hat es uns vorgelebt, was Gott dienen heißt und was Gottes Gerechtigkeit ist und wie wir heilig werden. Er ist sozusagen unser Maßstab, an dem wir uns ausrichten sollen und messen lassen müssen.

Sie kennen sicher die Frage, die sich viele Christen täglich stellen, besonders dann, wenn eine Entscheidung ansteht, bei der wir so oder so handeln, diesen oder jenen Weg gehen können: "Was würde Jesus tun?" Und wenn es darum geht, wie wir zu einem Thema oder Problem Stellung nehmen sollen, dann lautet die Frage so: "Was würde Jesus dazu sagen?"

Wir werden bei diesen Fragen nun sicher nicht darauf warten, dass uns Jesus heute, immer wenn wir eine Antwort brauchen, den richtigen Gedanken eingibt. Und wir werden auch nicht erwarten, dass wir seine Stimme hören, die heute zu uns spricht und uns Klarheit verschafft, was in seinem Sinn wäre. - Wohlgemerkt: Ich will nicht ausschließen, dass unser lebendiger Herr auch einmal auf solche Weise mit uns Kontakt aufnimmt. Aber wir haben schon eine andere, eine sichere Quelle für seine Gedanken und seine Antworten. Ich meine das Neue Testament.

Ich finde, es ist immer wieder faszinierend und wunderbar, wie die Geschichten von und über Jesus, wie wir sie etwa in den vier Evangelien finden und wie die Worte Jesu, die dort überliefert sind, die Fragen, wie sie uns heute begegnen, erhellen und Probleme oft klären und sogar lösen können. Nicht, dass wir in der Heiligen Schrift die genauen Antworten auf unsere Fragen finden und nicht dass wir dort präzise Hinweise erhalten, für welche Richtung wir uns an einem Kreuzweg zu entscheiden haben. Aber ich kann mir keine Frage und kein Problem vorstellen, zu dem wir in der Schrift nicht wenigstens eine Hilfe zur Lösung bekommen und keine Entscheidung, die durch ein Wort Jesu oder etwas, was von ihm erzählt wird, nicht leichter fallen würde.

Da will ich ganz deutlich werden: Der Mann zum Beispiel, der sich überlegt, ob er nicht seine Familie verlassen und mit einer jüngeren Frau, mit der er schon lange ein Verhältnis hat, neu anfangen soll, der wird aus Jesu Worten über den Ehebruch ganz gewiss die klare Weisung entnehmen, an der Frau festzuhalten, der er einmal versprochen hat, bei ihr zu bleiben und ihr die Treue zu halten. Denn im Evangelium können wir lesen: "Wer sich von seiner Frau scheidet, es sei denn wegen Ehebruchs, und heiratet eine andere, der bricht die Ehe." (Mt.19,9) Und wenn noch Kinder da sind, die der Mann im Stich lassen würde, dann müsste ihn die Tatsache von seinem Schritt zurückhalten, dass Jesus die Kinder immer ganz besonders lieb gehabt und nicht gewollt hat, dass sie zurückgesetzt werden und leiden müssen. Und die Kinder leiden immer, wenn ihr Vater und ihre Mutter auseinandergehen. (Und sie leiden auch dann noch unter der Trennung ihrer Eltern, wenn sie erwachsen sind und selbst Kinder haben!) Und die Worte, in denen Jesu besondere Liebe zu den Kindern deutlich wird, kennt der Mann und wir alle: "Lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes." (Mk.10,14)

Der alten Frau, die gerade darüber nachdenkt, ob sie ihre Wohnung aufgibt und in ein Altenheim zieht, in dem sie die für sie nötige Aufwartung bekommt, würde es sicher gegen ihre Angst davor helfen, wenn sie Jesu Abschiedsworte bei seiner Himmelfahrt auf sich beziehen könnte: "Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende." (Mt.28,20) Denn Jesus sagt das nicht nur seinen Jüngern damals zu, sondern allen, die an ihn glauben und ihn ihren Herrn nennen.

Schließlich kann die Geschichte vom Verlorenen Sohn allen Menschen und auch schon unseren Konfirmanden und anderen jungen Leuten zeigen, dass es keinen Weg gibt, den wir gehen und gegangen sind, auf dem wir nicht auch umkehren können und keine Schuld, die Gott, unser Vater, nicht verzeihen könnte. Diese Worte und die Freude Gottes über die Heimkehr seines Sohnes, von der wir hören, gelten für alle Menschen, die sich zu Gott aufmachen, gleich woher sie kommen: "Dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein." (Lk.15,24)

Liebe Gemeinde, ich habe vorhin von unserem eigenen Beispiel und Vorbild gesprochen. Und ich bin ganz sicher, wenn wir selbst immer wieder aus der Heiligen Schrift, vielleicht besonders aus den Worten Jesu und den Geschichten von ihm und über ihn den Maßstab für unser Handeln entnehmen, dann werden wir anderen Menschen zur Hilfe für eigene Entscheidungen und eigene Antworten auf die Lebensfragen, die sich stellen. Ich meine dabei nicht, dass wir nun diese Worte und Geschichten immer auf den Lippen haben sollen, um damit andere zu belehren und zu beeinflussen. Ich meine die innere Haltung und das äußerlich sichtbare Handeln, die wir daraus beziehen, wenn uns diese Worte und Geschichten in unserem Tun und unserem Glauben bestimmen.

Unsere Mitmenschen spüren es an uns, wenn über die Ehe im Geiste Jesu sprechen und uns so verhalten, wie er es gewollt hat. Und es wird auch bemerkt, dass wir keine Angst vor Veränderungen haben, wie es zum Beispiel ein Umzug in ein Altenheim bedeutet und es wird auch gesehen, dass der Mut dazu aus unserem Glauben kommt. Am leichtesten aber wird sicher von anderen verstanden, warum wir etwa aus der Geschichte vom Verlorenen Sohn den Glauben gewinnen, dass Gott alle Schuld vergeben kann, Das wird besonders glaubhaft dann, wenn wir unseren Mitmenschen gegenüber auch bereit sind, ihnen zu vergeben und mit ihnen neu anzufangen.

Ich glaube, es gibt einige Hilfe für die Menschen, die Gott heute noch fern sind, dass sie dazu finden, was Paulus so ausdrückt: "Gebt eure Glieder hin an den Dienst der Gerechtigkeit, dass sie heilig werden" und was wir so sagen können: Gebt euch immer mehr Gott hin und zu Eigen und müht euch darum, dass ihr seiner Sache dient! Unser Beispiel und unser Vorbild spielen dabei immer eine große Rolle! AMEN