Predigt zum Trinitatissonntag - 15.6.2014

Textlesung: 2. Kor. 13, 11 (12) 13

Zuletzt, liebe Brüder, freut euch, lasst euch zurechtbringen, lasst euch mahnen, habt einerlei Sinn, haltet Frieden! So wird der Gott der Liebe und des Friedens mit euch sein. Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss. Es grüßen euch alle Heiligen. Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen!

Liebe Gemeinde!

Schon die Anrede "liebe Brüder" erinnert uns daran, dass auch die Bibel in Inhalt und Sprache zeitbedingt ist, also immer wieder neu übersetzt und übertragen werden muss. Selbstverständlich sind heute auch die "Schwestern" gemeint, die jungen und die alten Leute, ja, auch schon die Kinder...mit einem Wort: alle Menschen, die sich Christen nennen!

Und was will Paulus hier am Schluss seines 2. Briefs an die Korinther allen Christen sagen? Hören wir noch einmal hin und gehen wir seine Wünsche und Grüße einzeln durch:

"Zuletzt, liebe Schwestern und Brüder, freut euch..." - In den Versen zuvor hat Paulus gerade angekündigt, dass er zum dritten Mal nach Korinth kommen will. Wahrscheinlich meint er also, die Korinther sollen sich auf seine Ankunft bei ihnen freuen. Aber es ist sicher auch noch eine andere Freude gemeint - und die können auch wir empfinden: Die Freude nämlich darüber, dass wir in Jesus Christus Gott kennengelernt haben. Dass er uns den Glauben an Gott, den Vater geschenkt hat. Dass er für uns ans Kreuz gegangen ist und damit unsere Sache mit Gott ins Reine gebracht hat und dass jetzt der Weg durch unser Leben nicht in den Tod, sondern in Gottes Ewigkeit führt.

Ich finde, diesen Grund der Freude müssten wir uns jeden Tag neu vor Augen stellen. Wir tun es aber oft lange nicht. Dabei ist der Glaube an Gott eine so wunderbare Gabe und das Wissen darum, dass wir am Ende unserer Tage in dieser Welt nicht ins Nichts fallen, ist ein so großes Geschenk! Ein Mensch, der glauben kann, hat doch im Grunde schon alles überwunden, was ihn hier beschwert, sorgt, ängstigt und quält. Alles, was ihm widerfährt ist nur sozusagen "auf Zeit". Es wird einmal überwunden sein für immer. Ja, wir werden seiner nicht einmal mehr gedenken, wenn wir über die Schwelle zur Ewigkeit getreten sind. Wirklich: Welche Freude!

"Zuletzt, liebe Schwestern und Brüder, ...lasst euch zurechtbringen..." - Fällt es uns schon manchmal schwer, die Freude am Glauben zu empfinden, dann ist es doch noch viel schwerer, sich gefallen zu lassen, dass uns einer "zurechtbringt". Ich denke, das hat damit zu tun, dass wir hier immer an "zurechtweisen" denken. Aber das ist gar nicht gemeint! "Zurechtbringen lassen", auch noch durch unsere Geschwister in Christus, ist eine gute, hilfreiche Sache, die gar nicht weh tut, nicht herabsetzt oder uns gar verächtlich macht. Was ist denn Schlimmes dabei, wenn uns ein Mitchrist darauf hinweist, dass etwas, was wir gesagt oder getan haben, nicht zu unserem Glauben an Jesus Christus passt. Was müsste uns denn daran beschämen, wenn uns eine Mitchristin fragt, ob sich Jesus in unserer Situation nicht vielleicht anders verhalten hätte als wir uns gerade verhalten haben? Dabei gehe ich davon aus, dass unsere Glaubensgeschwister uns ihre Hinweise und Fragen nicht um die Ohren schlagen wie einen nassen Lappen. Das gilt selbstverständlich auch im umgekehrten Fall: Auch wir sind immer gefordert, unsere Mitchristinnen und -christen zurechtzubringen. Aber das werden auch wir in angemessener Form tun und im Bewusstsein, dass wir auch nicht ohne Fehler und Makel sind - aber wir werden es tun!

Ich finde, es ist eine der fragwürdigsten Entwicklungen in den christlichen Kirchen und Gemeinden unserer Tage und überhaupt im Umgang unter uns Christen, dass nicht mehr angesprochen wird, was uns am anderen stört und wovon wir denken, dass es nicht zur christlichen Überzeugung oder Lebensweise passt. Lieber und anscheinend leichter sprechen wir solche Dinge hinter dem Rücken der Betroffenen an, als dass wir sie mit denen besprechen, die sie betreffen.

Und - ist es nicht so? - wir selbst leiden doch auch oft genug darunter, dass wir die Meinung eines Mitchristen über uns und was er von uns sagt und hält nicht direkt von ihm, sondern über Dritte erfahren. Darum noch einmal der Appell des Apostels: "...lasst euch zurechtbringen...und bringt auch andere zurecht!"

Und weiter gehen die guten Wünsche des Paulus: "Zuletzt, liebe Schwestern und Brüder, ...lasst euch mahnen... - Eigentlich ist "Mahnen" ja nur die etwas verschärfte Form des "Zurechtbringens"! Und manchmal müssen wir auch dazu bereit sein, sowohl uns mahnen zu lassen als auch selbst andere zu mahnen. So manche Unsitte schleift sich im Laufe der Zeit ein. Vielleicht dass wir unsere Vorurteile über bestimmte Gesellschaftskreise oder Bevölkerungsgruppen pflegen. Oder dass wir unser Gewissen so geweitet haben, dass auch kleinere Verstöße gegen Gottes Gebote darin Platz haben. Oft reden Christen auch gern über ihre Mitmenschen, wo sie lieber schweigen sollten. Und noch viele andere Mängel in unserer Christlichkeit haften uns an und es täte gut, wenn uns ein Mitchrist mit seiner Mahnung darauf aufmerksam machen würde. Und auch hier gilt, dass wir dieses Recht, andere zu mahnen, genauso haben. Und es muss gelten, dass wir Vorsicht und Freundlichkeit dabei walten lassen, wenn wir dieses Recht wahrnehmen. Dann aber sollten wir unbedingt von diesem Recht Gebrauch machen und es wird uns nicht entzweien, sondern nur näher zueinander bringen, schließlich sind wir ja Glaubensgeschwister!

"Zuletzt, liebe Schwestern und Brüder, habt einerlei Sinn, haltet Frieden!" - Diese zwei Wünsche können wir gut zusammenfassen, denn sie gehen in die gleiche Richtung: Wer einerlei Sinn hat, der wird auch im Frieden miteinander leben können! Aber was ist das: "einerlei Sinn"?

Ich muss dabei sofort daran denken, dass die Menschen unserer Zeit doch oft sehr um sich selbst kreisen. Das mag ja oft auch ganz verständlich sein, denn die Zeiten sind für viele Menschen schwierig und ihre Zukunftsaussichten nicht rosig. Wer von Arbeitslosigkeit bedroht oder schon betroffen ist, der wird Mühe haben, an das Wohl anderer zu denken. Wem gerade seine Ehe in die Brüche geht, der kommt auch nicht aus seiner Haut heraus, um sich den Sorgen anderer zuzuwenden. Auch kranke und behinderte Menschen haben es schwer, ihre eigene Lage zu vergessen und sich für die Probleme der Mitmenschen zu öffnen.

Aber wir sind ja nicht alle mit Sorgen, Zukunftsangst, Kummer und körperlichen Leiden belastet! Vielen von uns müsste es eigentlich leicht fallen, von sich selbst abzusehen und anderen darin beizustehen, ihr viel schwierigeres Leben zu meistern. Gewiss wird das je nach dem, welche Sorgen und Nöte unsere Mitmenschen haben, unterschiedlich gut gelingen. Wir können eine Behinderung oder Krankheit nicht heilen. Und dem eine Stelle zu verschaffen, der lange arbeitslos war, wird uns auch überfordern. Andere Schwierigkeiten, die andere Menschen haben, können wir aber sehr wohl lindern: Manchmal mit einem guten Rat, manchmal mit Geld oder mit tätigem Beistand. Und selbst, wo wir nicht wirklich helfen können, hilft den Mitmenschen ein tröstendes Wort, das wir für sie haben und schon die Zeit, die wir uns für sie nehmen und das Interesse, das wir für sie aufbringen. - Aber auch hier will ich das ansprechen: Wir sollen auch selbst bereit sein, Hilfe anzunehmen und sie nicht aus falsch verstandenem Stolz zurückweisen. Dass wir als Helfer, Berater oder Tröster behutsam und rücksichtsvoll vorgehen, versteht sich von selbst.

Jedenfalls könnte das der "einerlei Sinn" sein, den Paulus meint, wenn wir aus den Gedanken um uns selbst, unser eigenes Wohlergehen herauskommen und den Mitmenschen, zumal den Mitchristen als unsere Schwester oder unseren Bruder erkennen, der denselben Vater hat wie wir. "Frieden zu halten", wie es uns der Apostel empfiehlt, wird uns dabei nicht schwer fallen, sondern ganz selbstverständlich sein.

Wenn Paulus nun schreibt: "Grüßt euch untereinander mit dem heiligen Kuss", dann ist das eine Geste der Geschwisterlichkeit, die in unseren Tage genauso unüblich geworden ist, wie die alleinige Anrede der Männer in der Gemeinde mit "liebe Brüder". Aber wir haben so viele andere Gesten und Zeichen dafür, dass wir einander lieben und wohlgesonnen sind: Das Lächeln etwa oder den herzlichen Händedruck, eine Umarmung, die kleine Gabe hie und da, eine Blume, ein Wort des Dankes... Wie schön, wenn wir das alles angemessen und zu seiner Zeit füreinander einsetzen!

Der Briefschluss des 2. Korintherbriefs zeigt uns, warum wir diese Verse gerade heute, am Trinitatissonntag, bedenken sollen: "Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen!" Hier wird zum ersten Mal - schon wenige Jahre, nachdem sich unser Herr am Kreuz für uns geopfert hat - angesprochen, dass unser Gott uns in dreierlei Gestalt begegnet: In Jesus Christus - der uns mit seinem Tod auf Golgatha ein neues Leben geschenkt hat - hier und ewig. In Gott dem Vater - der unser Schöpfer ist und unser Erhalter, von dem unser Leben herkommt und zu dem es hinführt. Und im Heiligen Geist - der in uns lebt, uns den Glauben gibt und erhält, der uns tröstet und zur Liebe fähig macht. AMEN