Predigt zu Christi Himmelfahrt - 29.5.2014

Textlesung: Eph. 1, 20b - 23

Gott hat Christus vom Tod auferweckt und in der himmlischen Welt an seine rechte Seite gesetzt. Dort thront jetzt Christus über allen unsichtbaren Mächten und Gewalten, über allem, was irgend Rang und Namen hat, in dieser Welt und auch in der kommenden. Alles hat Gott ihm unterworfen; ihn aber, den Herrn über alles, gab er der Gemeinde zum Haupt. Die Gemeinde ist sein Leib: Er, der alles zur Vollendung führen wird, lebt in ihr mit seiner ganzen Fülle.

Liebe Gemeinde!

Mal ganz offen gesprochen: Solche Verse zu predigen wird heute zunehmend schwieriger. Nicht etwa, weil uns, die wir sie predigen sollen, dazu nichts mehr einfällt. Auch nicht, weil sie Themen behandeln, die nicht aktuell wären - im Gegenteil! Solche Verse sind in unserer Welt heute sogar besonders aktuell! Aber - und das will ich gleich erklären - sie sind zu predigen nicht ungefährlich und sie dienen nicht unbedingt dem ökumenischen Gedanken und dem gedeihlichen Miteinander der Religionen.

Selbst wenn wir auf dem Land leben, bekommen wir es doch heute immer wieder mit Angehörigen anderer Religionen zu tun. Vielleicht in der Nachbarschaft. Oder beim Elternabend in der Schule. Oder auch am Arbeitsplatz. Das werden wohl meistens Muslime sein, manchmal auch Juden oder Hindus. Ich will, was mir vor dem Hintergrund der Verse, die wir eben gehört haben, einfällt, einmal im Blick auf die Muslime in unserem Land besprechen. Wohlgemerkt: Gläubige Muslime, die in ihrem Glauben Bescheid wissen und ihn auch leben.

Stellen wir uns einmal vor, ein junger Mann mit türkischen Wurzeln aus der muslimischen Gemeinde in unserer Nähe, ich nenne ihn einmal Sami, hört die Verse, die ich gerade gelesen habe: „In der himmlischen Welt [...] thront jetzt Christus über allen unsichtbaren Mächten und Gewalten, über allem, was irgend Rang und Namen hat, in dieser Welt und auch in der kommenden." Wahrscheinlich müssten wir Sami erst einmal erklären, wer überhaupt dieser „Christus" ist, denn aus seinem Heiligen Buch, dem Koran, kennt er ihn meist als „Isa" und der ist nur ein Gesandter Gottes, ein Prophet, aber nicht Gottes Sohn und der ist auch nicht gekreuzigt worden für die Erlösung aller Menschen von Sünde, Schuld und Tod. Jetzt müsste Sami also hören: Dieser Christus thront im Himmel an der Seite Gottes (oder sagen wir besser: Allahs?) über allen Menschen, weit über Mohammed und allen religiösen Größen und Würdenträgern des Islam! Was wird Sami dazu sagen? Wie wird er reagieren?

Vielleicht wird er gar nichts sagen, vielmehr schweigend hinnehmen, was er da hört. Warum? Weil er es gar nicht fassen kann, dass wir Christen einen solchen Anspruch haben: Anhänger und Nachfolger eines Mannes zu sein, der Gottes Sohn ist und für alle Menschen gestorben sein soll.

Vielleicht wird Sami aber auch aggressiv, weil er einer fundamentalistischen Gruppierung seiner Religion angehört. Dann nämlich könnte er solche Gedanken ganz und gar nicht akzeptieren, denn er könnte uns nicht zugestehen, dass wir einen anderen Gott als Allah haben. Wir wären vielmehr für ihn wie Heiden und die gilt es - so sagt es der Koran - zum Islam zu bekehren, wenn es sein muss mit Gewalt! (Hier liegt auch der Grund dafür, warum ich vorhin davon sprach, eine Predigt über solche Verse könnte auch gefährlich sein!)

Mindestens eine dritte Reaktion Samis können wir uns vorstellen - und ich glaube, die wäre die Beste. Er könnte sagen: „Mein Glaube, in dem ich von Kindheit an erzogen worden bin, ist anders als eurer, ganz anders. Aber er ist mir lieb und vertraut und ich habe gute Erfahrungen mit ihm gemacht. Was ihr da über Jesus sagt, den ihr Christus und Sohn Gottes nennt, kann ich nicht teilen. Aber ich kann verstehen, dass euch dieser Glaube genauso lieb ist, wie mir der meine. Denn ihr seid ja wie ich in meinem, in diesem Glauben unterrichtet und mit ihm aufgewachsen. Wir wollen es so halten: Ich lebe meinen Glauben und ihr lebt euren Glauben. Und wo wir unterschiedliche Vorstellungen von Gott haben und unseren Glauben auf unterschiedliche Weise leben, da soll uns das nicht voneinander trennen."

Liebe Gemeinde, ich denke doch, solche Worte eines Muslims als Entgegnung auf die Predigt der Verse aus dem Epheserbrief könnten wir annehmen und gutheißen. Ja, vielleicht könnten wir umgekehrt zu Sami ähnlich sprechen? Was würden wir ihm sagen? - - -

Sicher merken Sie jetzt, dass es gar nicht so einfach ist, hier die rechten Worte zu finden. Das liegt wohl daran, dass hier wirklich ein ungeheurer Anspruch enthalten ist: „Gott hat Christus vom Tod auferweckt und in der himmlischen Welt an seine rechte Seite gesetzt. [...] Alles hat Gott ihm unterworfen; ihn aber, den Herrn über alles, gab er der Gemeinde zum Haupt." Unser Herr Jesus Christus ist vom Tod auferstanden! Heute feiern wir, dass er zu Gott in den Himmel aufgefahren ist! Er ist Herr über alles, über die Welt und alle Menschen! Wie gesagt: Ein enormer Anspruch! Wenn wir ehrlich sind, wir würden uns schwer tun, das einem Angehörigen einer anderen Religion ins Gesicht zu sagen! Und dass uns das schwer fällt, kann man verstehen!

Nicht verstehen kann man aber, warum wir überhaupt so wenig über unseren Glauben reden. Selbst in unserer Kirchengemeinde, in ihren Kreisen und Gruppen oder am Sonntag nach dem Gottesdienst kriegen wir den Mund nicht auf, dass wir aussprechen, was wir als glaubende Menschen empfinden. Vielleicht hat man uns z.B. in den Medien und durch die Politik zu lange eingeredet, der Glaube wäre die Privatsache jedes Einzelnen? Denken Sie doch nur an die Auseinandersetzung um das „Kreuz im Klassenzimmer" oder das „Schulgebet". Es sind doch immer nur einige wenige, die sich gegen solche Symbole oder Handlungen der Religion aussprechen. Aber sie bekommen am Ende meist Recht. Auch weil die große Mehrheit derer schweigt, die sich Christen nennen oder denen es eigentlich gleichgültig ist, ob ein Kreuz an der Wand hängt oder vor dem Unterricht gebetet wird.

Jedenfalls gibt es in unserem Land, in dem - zumindest nach ihrer Steuerkarte - immer noch mehr als die Hälfte der Menschen Christen sind inzwischen immer weniger Zeichen, an denen etwa ein Muslim erkennt, dass bei uns Jesus Christus verehrt wird und die Menschen sich zu ihm als dem Sohn Gottes bekennen. Um es so zu sagen: Wir zeigen unseren Glauben viel weniger öffentlich als die Gläubigen anderer Religionen. Wenn sie da an die Gebete denken, die ein Muslim auf seinem Gebetsteppich sogar am Arbeitsplatz verrichtet oder an die Fastenzeit Ramadan..., dann müssen wir sagen, Muslime sind als solche erkennbar und sie verstecken ihren Glauben nicht und sie halten ihn auch nicht für eine Privatsache. Und das ist genau der Punkt, an dem auch wir Christen umdenken müssen!

Hat Jesus gesagt: Lasst nur keinen Menschen merken, dass ihr zu mir gehört und Gott euren Vater nennt? Hat er gesagt: Verratet nur keinem, dass ich Herr der Welt und aller Menschen bin und dass ich für die Schuld aller ans Kreuz gehen werde? Hat er gesagt: Lüftet niemals öffentlich das Geheimnis, dass ich euch und allen, die an mich glauben, das Ewige Leben schenken will?

Seine Worte waren ganz anders: „Geht hin in alle Welt und macht zu Jüngern alle Völker!" - „Der Menschensohn nicht gekommen ist, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und gebe sein Leben zu einer Erlösung für viele." - „ Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reißen." Und noch viele Worte Jesu gibt es, die alle auch eines sagen, nämlich: Dass unsere Religion, unser Glaube keine Privatsache ist, sondern dass wir als Kinder Gottes, als Jesu Geschwister und Nachfolger, als Glieder seiner Gemeinde auch eine und einer an die anderen gewiesen sind. Wie er für uns alle da war und sein Sterben für uns eben nicht sein Privatsache gewesen ist, so ist ihn zum Herrn zu haben, an ihn zu glauben und zu seiner Gemeinde zu gehören auch niemals unsere Privatsache! Christ zu sein heißt auch immer für andere da zu sein, ihnen Liebe, Trost und Hilfe zu geben und sich für sie erkennbar als Christ oder Christin zu erweisen - auch Sami und allen Andersgläubigen gegenüber!

Zurück zu der Frage: Was würden wir Sami über unseren Glauben sagen? Ganz einfach das, was wir schon am Anfang dieser Predigt aus dem Epheserbrief gelesen haben:

Gott hat Christus vom Tod auferweckt und in der himmlischen Welt an seine rechte Seite gesetzt. Dort thront jetzt Christus über allen unsichtbaren Mächten und Gewalten, über allem, was irgend Rang und Namen hat, in dieser Welt und auch in der kommenden. Alles hat Gott ihm unterworfen; ihn aber, den Herrn über alles, gab er der Gemeinde zum Haupt. Die Gemeinde ist sein Leib: Er, der alles zur Vollendung führen wird, lebt in ihr mit seiner ganzen Fülle.

Aber wir sollten dann hinzufügen: „Lieber Sami, das glauben wir! Das ist der Glaube, in dem wir von Kindheit an erzogen worden sind, und der ist anders als eurer, ganz anders. Aber er ist uns lieb und vertraut und wir haben gute Erfahrungen mit ihm gemacht. Sicher kannst du, was wir über Jesus sagen, den wir Christus und Sohn Gottes nennen, nicht teilen. Genauso ist uns dein Glaube und wie ihr ihn praktisch lebt, fremd. - Wir wollen es so halten: Du lebst deinen Glauben und wir leben unseren Glauben. Und wo wir unterschiedliche Vorstellungen von Gott haben und unseren Glauben auf unterschiedliche Weise leben, da soll uns das nicht voneinander trennen." AMEN