Predigt zum 1. Sonntag n. Weihnachten - 29.12.2013

Textlesung: Jes. 49, 13 - 16

Jauchzet, ihr Himmel; freue dich, Erde! Lobet, ihr Berge, mit Jauchzen! Denn der HERR hat sein Volk getröstet und erbarmt sich seiner Elenden.

Zion aber sprach: Der HERR hat mich verlassen, der Herr hat meiner vergessen.

Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie seiner vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen. Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet; deine Mauern sind immerdar vor mir.

Liebe Gemeinde!

"Jauchzet, ihr Himmel; freue dich, Erde! Lobet, ihr Berge, mit Jauchzen!" Der Gedanke, dass Gott gelobt sein will, begleitet mich seit meiner Kindheit. Schon im Kindergottesdienst hieß es am Ende zum Beispiel: "Wir wollen für Christine oder Michael, die in der vergangenen Woche Geburtstag hatten, noch ein Loblied Gottes anstimmen!" Und dann haben wir die drei Strophen von "Nun danket alle Gott..." (EG 321) gesungen und in der dritten Strophe wurde es meiner Erinnerung nach immer besonders laut: "Lob, Ehr und Preis sei Gott..." Nicht verstanden habe ich damals, wenn wir dann in der 3. Strophe gesungen haben: "...ihm, dem dreieingen Gott, wie es ursprünglich* war", aber ich habe begriffen, dass Gott zu loben für Christen, auch schon für kleine Christen, ein ganz wichtiges Amt ist.

Bestätigt wird das dadurch, dass im gegenwärtig gültigen Gesangbuch 17 Lieder mit der Silbe "Lob" beginnen, also mit "Lobe", "Lobet" oder ähnlich. Das Lob Gottes scheint in den letzten Jahrzehnten sogar noch wichtiger geworden zu sein, denn im alten Gesangbuch waren es nur 11 Lieder mit diesem Beginn.

Nun wollen wir das ja auch tun: Gott loben! Manchmal allerdings ist uns so gar nicht danach! Und das habe ich - und Sie vielleicht auch - schon als Kind empfunden. Da war ich oft mit meinem Schicksal oder mit dem, was mir in der Woche vor dem Kindergottesdienst passiert war, gar nicht einverstanden. Dann ging mir das "Lob, Ehr und Preis sei Gott...", wenn wieder ein Geburtstag gewesen war, nur schwer von den Lippen. Bei Ihnen gab es bestimmt auch schon in der Kindheit Zeiten, in denen Sie lieber geklagt hätten als bei einem Lob Gottes mitzusingen. Wenn Sie, vorlaut wie Kinder oft sind, etwas gesagt haben, was die Mutter oder den Vater sehr aufgeregt hat. Oder wenn Sie eine Klassenarbeit mit einer schlechten Note nach Hause gebracht haben. Wenn Sie Geschwister hatten, dann gab es gewiss auch immer wieder Anlässe für Streit, Missverständnisse und kränkende Worte. Wirklich: Die Klage, auch die über Gott war uns und ist uns in unserem Leben bis heute oft näher als das Lob Gottes - jedenfalls das aus vollem, ehrlichem Herzen!

Da tut es uns doch gut, wenn wir bei Jesaja nach dem "Jauchzet und lobet Gott" auch so etwas lesen: "Zion aber sprach: Der HERR hat mich verlassen, der Herr hat meiner vergessen." Ja, das haben wir auch schon manchmal sagen können, wohl mit anderen Worten, aber gemeint haben wir dasselbe: Gott hatte sich nicht um uns und unser Gebet gekümmert. Es war so, als hätten wir ihm nie unsere Wünsche vorgetragen. Er schien einfach nicht mehr da zu sein, nicht mit seiner Hilfe, nicht mit seinem Schutz und nicht mit seinem Segen. Hatten wir ihn vielleicht zu wenig gelobt? Hatten wir etwas von ihm erbeten, was zu unbescheiden war oder nicht für uns, nur für andere bestimmt? Hatten wir uns verändert und waren nicht mehr so, wie er uns gern haben wollte?

Manchmal haben wir dann für kurze oder längere Zeit nicht mehr die Hände gefaltet. Und gelobt haben wir Gott schon gar nicht! Vielleicht hat uns ein schönes Ereignis, ein unerwartetes Geschenk, das Gott uns gemacht hat, wieder zu ihm zurückgebracht. Vielleicht konnten wir dann auch wieder Loblieder Gottes singen. Es gibt aber auch viele Menschen - sie sind aber heute wohl nicht hier - die haben das Loben irgendwann ein für alle Mal verlernt. Allerdings holt Gott sie vielleicht doch - wenn sie es zulassen - in seine Nähe zurück. Wir hoffen es, aber wir wissen es nicht.

Was wir aber wissen, wissen dürfen ist dies: Gott vergisst und verlässt keinen Menschen für immer! So lesen wir bei Jesaja weiter: "Kann auch ein Weib ihres Kindleins vergessen, dass sie sich nicht erbarme über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie seiner vergäße, so will ich doch deiner nicht vergessen." Ich finde, das ist eine ganz wunderbare Verheißung und alle, die schon längere Zeit mit Gott durchs Leben gehen, können sie gewiss glauben: Immer wieder gab es nach Wochen oder Monaten der Klage, in denen wir uns von Gott verlassen fühlten, auch wieder Zeiten, in denen wir gern in das Lob Gottes eingestimmt haben. Ich bin ganz sicher, dass wir alle das schon erleben konnten und wohl auch immer wieder erleben werden. - Aber warum ist das so, warum muss das so sein? Liegt es an Gottes Wesen und wie er mit uns umgehen will oder liegt es an unserer menschlichen Natur? Gibt es noch einen ganz anderen Grund dafür als Gottes Wesen oder unsere Art?

Liebe Gemeinde, es ist der Glaube, der uns mit Gott und seiner Sache in der Welt verbindet. Und dieser Glaube, das wissen wir, ist niemals ein fester Besitz. Er ist vielmehr ein Geschenk und er ist mal stärker, mal schwächer - und manchmal geht er uns sogar ganz verloren. Es ist also sozusagen das Wesen des Glaubens, dass er sich wandelt im Laufe unserer Lebensreise. Wie wir selbst uns verändern, so verändert sich auch der Glaube - oder sagen wir: wie fest wir in diesem Glauben stehen. Ganz wichtig ist dabei: Das ist bei allen Christen so! Und es muss uns nicht beunruhigen!

Warum das so ist, weiß ich auch nicht zu beantworten. Aber ich denke, es soll so sein. Gott hat es so gewollt. Vielleicht - das wäre eine mögliche Erklärung - weil wir das Geschenk des Glaubens nie als einen Besitz ansehen sollen, sondern eben als Gottes Gabe. Was wir sicher zu haben meinen, können wir meist ja auch nicht so würdigen, wie es richtig wäre! Aber wie groß ist doch das Geschenk, glauben zu können!

Wir wollen jetzt noch einmal den letzten Satz aus den Versen hören, die uns Jesaja heute ausrichtet: "Siehe, in die Hände habe ich dich gezeichnet; deine Mauern sind immerdar vor mir." Hier spricht Gott vom Volk Israel und ihrer Stadt auf dem Berg Zion, Jerusalem. Wie ein Merkzeichen hat Gott den Plan dieser Stadt auf seinen Händen abgebildet. Er hat die Stadt also immer vor Augen, dass er sie nie vergisst und nie aufhört, sich um sie zu kümmern.

Leicht können wir dieses Bild vom Plan Jerusalems auf Gottes Händen auf uns Christinnen und Christen übertragen. Dann klingt das vielleicht so: "Siehe, in die Hände habe ich dein Leben bis heute gezeichnet; sein Plan, was ich mit dir erlebt und noch vorhabe, ist immerdar vor mir." Ich finde, das ist eine wunderbare Vorstellung, dass mein Leben in Gottes Hände gezeichnet ist und dass er es immer vor Augen hat. Denken wir nicht manchmal, gerade in Zeiten, in denen uns auch das Lob Gottes schwer fällt oder gar verstummt ist, dass sich doch eigentlich niemand so richtig für uns interessiert? Die Menschen um uns herum brauchen uns im Grunde doch gar nicht. Wenn wir nicht mehr da wären, was würde ihnen denn fehlen? Und wenn uns dann noch der eine oder andere Schicksalsschlag trifft, dann tauchen wir so tief in die finsteren Gedanken ein, dass wir kaum noch von ihnen loskommen. Wie gut zu wissen, dass Gott uns auf diesen dunklen Wegstrecken nicht vergisst. Er hat uns nicht abgeschrieben, vielmehr arbeitet er schon daran, dass der Plan, den er für uns hat, bald Wirklichkeit wird. Ist nicht schon das tröstlich: Es gibt diesen Plan! Gott hat noch etwas vor mit uns. Wir mögen das Gefühl haben, die Mitmenschen brauchen uns nicht, sie können auch gut ohne uns auskommen und wenn wir nicht da wären, fehlte ihnen nichts... Bei Gott ist das anders: Er braucht uns. Er hat Aufgaben für uns, die nur wir erfüllen können. Und er kennt uns. Die besonderen Gaben, die wir haben, unsere Talente, auch unsere Wünsche und unsere Träume. Alles das ist ihm vor Augen und vor dem Herzen. Er hat uns schließlich gemacht. Er weiß, was wir können und er will, dass wir mit ihm wirken und arbeiten. Wenn wir nicht da wären, dann fehlten wir ihm und was er mit uns und mit uns für andere vorhat ginge nicht auf.

Gottes Plan für uns, das Bild unseres Lebens, wie es war und wie es wieder sein wird, ist in seine Hände gezeichnet. Und er selbst ist auch auf den für uns dunklen Wegen bei uns. Und wenn er das Bild unserer Zukunft vor Augen hat, dann wird diese Zukunft auch wirklich wahr werden. Gott selbst wird alles tun, dass die finsteren Tage helleren Zeiten weichen und wir von der Klage zum Lobgesang zurückfinden.

Liebe Gemeinde, ich wünsche Ihnen von Herzen, dass Sie in diesen freundlichen Tagen von der Gewissheit getragen werden, dass Gott für Sie einen Plan hat, der in seine Hände gezeichnet ist. Gott hat Sie nicht vergessen und er wird Sie nicht verlassen. Wenn Ihnen auch heute nicht danach ist, es werden auch wieder Tage kommen, an denen Sie einstimmen können in den Lobgesang Gottes. AMEN

* Heute heißt es statt ursprünglich: wie es im Anfang war.