Predigt zum 9. Sonntag nach Trinitatis - 28.7.2013

Textlesung: Mt. 13, 44 - 46

Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.

Liebe Gemeinde!

Zwei kurze Gleichnisse. Und beide sagen dasselbe: Das Himmelreich ist eine so wunderbare Sache, dafür lohnt sich jeder Einsatz! Wir können es auch so ausdrücken: Wenn wir nur das "Himmelreich" gewinnen, dann haben wir alles, was wir uns wünschen und brauchen! - Aber was ist das eigentlich, das Himmelreich?

Von allen Erklärungen, die ich dazu in verschiedenen Büchern gelesen habe, hat mir diese am besten gefallen: "Teilhabe an Gottes neuer Welt". Das ist nun sprachlich nicht besonders elegant und eingängig ausgedrückt, aber trotzdem können wir es verstehen: Wer das Himmelreich gewinnt, der ist für immer Erbe und Bürger in Gottes Ewigkeit - schon hier und heute und nach dem Tod.

Ich denke, da gibt es bei uns Christinnen und Christen auch keine Einwände. Und sicher fühlen sich die meisten von uns bestätigt: Ja, das Himmelreich ist eine gewaltige Sache, die alles, worum es sonst im Leben geht, weit überragt. Vielleicht fragen wir uns jetzt auch, was wir denn alles bereit wären oder waren für die "Teilhabe an Gottes neuer Welt" aufzugeben. Dabei erkennen wir auch, dass die beiden Menschen im Gleichnis, nicht wenig geopfert haben, um den Acker oder die Perle zu gewinnen. Zweimal heißt es: "Er verkaufte alles, was er hatte!" Da blieb also nichts übrig, was als Sicherheit hätte dienen können. Die Männer haben, wie man so sagt, alles auf eine Karte gesetzt. Hätten sie nach dem Verkauf aller Dinge, die sie besaßen, den Acker oder die Perle nicht bekommen, sie wären ruiniert gewesen. Es war also nicht ungefährlich, was sie taten.

Weil wir ja nun schon ganz selbstverständlich angefangen haben, die beiden Gleichnisse auf uns zu beziehen, will ich auch noch das hinzufügen, was eigentlich nicht im kurzen Text der Gleichnisse steht: Aber ganz gewiss hatten die beiden Männer auch noch Familien, die von ihnen abhängig waren. Auch deren Existenz stand auf dem Spiel!

Jetzt sind wir mittendrin in den Gedanken, was wir persönlich für das Himmelreich aufgegeben haben oder opfern würden. Und da scheint es uns doch zu viel, wirklich alles loszulassen, was wir in dieser Welt unser Eigen nennen: Unser Haus, unser Auto, unser Sparkonto, unser Aktienpaket... Wirklich keine Sicherheiten zurückbehalten, das scheint uns schwer, ja, gar nicht möglich! Aber eigentlich geht der Einsatz, wenn wir uns an die Gleichnisse halten, noch weiter: Die beiden Männer hätten ja auch ihre gesellschaftliche Stellung verloren, wäre etwas mit dem Erwerb des Ackers oder der Perle schief gegangen. Ihre Familien wären zerstört und sie selbst wären auch beruflich am Ende gewesen. - Kann das wirklich der Preis für die "Teilhabe an Gottes Reich" sein? Ist dieser Preis nicht zu hoch? Wer würde ihn zahlen?

Liebe Gemeinde, was jetzt kommt, ist kein Zurückschrauben und Verharmlosen der Forderungen dieser beiden Gleichnisse. Ich will sie nicht, damit Sie die Gleichnisse nicht ganz abtun, auf ein Maß zurechtstutzen, das uns noch Möglichkeiten lässt, sie zu erfüllen. Ich will daran erinnern, dass Jesus - wie hier eben auch - immer wieder absolut radikale Forderungen gestellt hat. Denken wir zum Beispiel an die Bergpredigt: "Liebet eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen." (Mt.5,45) Wer von uns kann wirklich so sein? Aber es gibt dort auch Sätze, die noch viel weiter gehen: "Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist." (Mt.5,48) Ich glaube, das kann überhaupt kein Mensch erfüllen!

Überzogen ist auch, was Jesus seinen Jüngern in der Geschichte vom unfruchtbaren Feigenbaum verheißt. Er hatte den Baum verdorren lassen. Die Jünger hatten darüber gestaunt. Aber er spricht zu ihnen sogar noch so: "Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr Glauben habt und nicht zweifelt, so werdet ihr nicht allein Taten wie die mit dem Feigenbaum tun, sondern, wenn ihr zu diesem Berge sagt: Heb dich und wirf dich ins Meer!, so wird's geschehen." (Mt.21,21) Kein Jünger konnte das und ich habe noch keinen einzigen Menschen kennengelernt, der das kann.

Nehmen wir noch den Schluss der Geschichte vom reichen Jüngling. Dort sagt Jesus dem jungen reichen Mann, wie er das ewige Leben ererben kann: "Verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach!" (Mk.10,21) Das konnte der reiche Jüngling nicht und ich kann mir auch und gerade in unserer Zeit keinen Menschen vorstellen, der das fertigbrächte. (Ich weiß auch nicht, ob die Fürsorge für jemanden aufkommen würde, der in ihrem Sinn leichtfertig all sein Hab und Gut verschleudert hat?)

Was will uns das alles sagen? Dass Jesus immer gern übertrieben hat mit dem, was er von den Menschen verlangte? Ja, so ist es! Nur erklärt das noch nicht, warum er das getan hat.

Warum sagen wir unserem Kind oder Enkel, dass wir uns freuen würden, wenn es in Englisch oder Mathe beim nächsten Mal eine Eins schreibt? Wenn wir doch eigentlich mit einer Drei schon ganz zufrieden wären? Wieso sagt der Chef der Firma in der Vertreterversammlung, dass er seinen Leuten zutraut, dass sie im nächsten Geschäftsjahr eine Umsatzsteigerung von 10 Prozent schaffen können? Wenn er doch über fünf Prozent schon sehr froh wäre? Ich glaube, hier ist das Wort "Ansporn" am Platz! Wenn ich mehr verlange, als wirklich zu erreichen ist, kommt das Ergebnis am Ende dem näher, was ich mir wünsche. Ein zweiter Gedanke ist dabei sicher: Die überzogene Forderung prägt sich viel tiefer ein. In jedem Fall kommt bei dem Menschen, der so gefordert wird, heraus, dass er sich stärker bemüht: Wenn ich sogar meine Feinde lieben soll, dann werde ich versuchen, wenigstens meine Freunde und meine Nächsten zu lieben. Wenn ich vollkommen sein soll wie Gott, dann will ich wenigstens nach deutlicher Besserung streben. Wenn mein Glaube imstande sein soll, Berge zu versetzen, werde ich wenigstens mit kleineren Wundern rechnen - und die werden auch geschehen. Wenn Jesus von seinen Nachfolgern verlangt, alles zu verkaufen, was sie haben und es den Armen zu geben, dann wird es mein Herz öffnen, dass ich das Teilen mit denen lerne, die nicht genug zum Leben haben.

Und da sind wir jetzt zurück bei den beiden kleinen Gleichnissen: Hier geben zwei Menschen alles, was sie haben, dafür, dass sie das Himmelreich gewinnen. Aber ich glaube nicht, dass wir das nun genauso in unserem Leben umsetzen können. Und wir sollen es auch nicht! Aber es kann und soll uns anspornen, wieder einmal darüber nachzudenken, was wir eigentlich daran haben, dass uns - durch Jesus Christus - die "Teilhabe an Gottes neuer Welt" verheißen ist - und die kostet noch nicht einmal etwas? Vielleicht fragen wir uns, wenn hier zwei Männer alles für das Himmelreich hingeben, was es uns denn wert ist, von diesem großen Geschenk Gottes zu wissen?

Ich bin sicher, wir werden dabei erkennen, wie gering wir dieses Geschenk doch oft achten. Bei den meisten von uns vergeht bestimmt immer wieder eine ganze Woche, bis wir wieder einmal - vielleicht am Sonntag - daran denken, dass unser Leben diese gewaltige Aussicht hat: Es wird nicht in den Tod, sondern in ein ewiges Leben bei Gott münden.

Vielleicht wird uns beim Nachdenken auch aufgehen, dass uns der echte Glaube an diese Zukunft inzwischen unbemerkt abhanden gekommen ist. So geht es ja oft mit Dingen, die in unserem Leben keine ganz wichtige Rolle spielen. Vielleicht aber werden wir dann erschrecken, denn wie kann es sein, dass ein Leben in Gottes ewiger Welt aus der Mitte unserer Gedanken an den Rand rückt?

Schließlich kann es auch geschehen, dass uns aufgeht, dass wir das bisher noch nie so ganz in unser Herz aufgenommen haben, dass der Glaube der Christen diese wunderbare Verheißung eines ewigen Lebens hat und wir all die Worte Jesu, die davon sprechen, bis heute gar nicht so richtig gehört haben: "Ich lebe und ihr sollt auch leben!" ( Jh.14,19) "Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt; und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nimmermehr sterben. (Jh.11,25f) "Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen." (Jh.5,24)

Es ist sicher übertrieben, riskant und sogar verantwortungslos, wie sich die Männer in den beiden Gleichnissen verhalten. Aber was sie tun, kann ein Ansporn sein, dass wir uns fragen, wie sehr uns die Aussicht auf das Himmelreich, die Verheißung der "Teilhabe an Gottes neuer Welt", eigentlich noch prägt und bestimmt. Ich wünsche uns ein gesegnetes Nachdenken! AMEN