Predigt zum Sonntag "Trinitatis" - 26.5.2013

Textlesung: 4. Mos. 6, 22 - 27

Und der HERR redete mit Mose und sprach: Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet: Der HERR segne dich und behüte dich; der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden. Denn ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne.

Liebe Gemeinde!

Ich nehme an, dieser (sogenannte aaronitische) Segen ist der biblische Text, der uns im Laufe unseres Christenlebens neben dem Vaterunser am häufigsten begegnet. Und es sind auch ganz besondere Worte, die wir in diesem Segen hören. Irgendwie sind sie feierlich und groß, bedeutend und gewichtig und auch ehrfurchtgebietend, weil sie so uralt sind, bestimmt um die 3000 Jahre.

Aber vielleicht wird uns heute auch deutlich, dass wir diese Worte zwar gut kennen und wohl auch auswendig hersagen könnten - aber über das, was sie eigentlich meinen und sagen wollen, haben wir uns noch nie Gedanken gemacht. Das soll sich heute ändern. Und es lohnt sich auch, finde ich, ein bisschen in die Tiefe dieser Worte zu dringen.

Und der HERR redete mit Mose und sprach: Sage Aaron und seinen Söhnen und sprich: So sollt ihr sagen zu den Israeliten, wenn ihr sie segnet... - Ich finde das schon sehr wichtig, dass nicht Mose oder Aaron oder irgendein Mensch sich diesen Segen ausgedacht hat, sondern dass dieser Auftrag von Gott selbst kommt, genau diese Worte über den Israeliten zu sprechen. Und wir können gewiss sagen, dass diese Segensworte bis heute allen Menschen gelten, die an den Gott Israels, der ja der Vater Jesu Christi ist, als ihren Gott glauben - also auch uns! Aber dieser Segensauftrag enthält noch mehr: Sage Aaron und seinen Söhnen [...], so sollt ihr sagen [...], wenn ihr sie segnet... - Aaron als Priester Israels soll den Segen Gottes auf das Volk legen. Aber nicht nur er erhält diese Vollmacht, auch seine Söhne - und wir können sicher sagen, auch deren Söhne und alle, die bis heute von ihnen herkommen.

Hier regt sich bei uns als evangelische Christen des 21. Jahrhunderts sicher Protest! Nur die Söhne? Und nur Priester, also Menschen, die durch Weihe oder Ordination dazu befugt sind?

Ich glaube, hier darf ich zweimal Entwarnung geben: Das ist, wie manches andere in der Heiligen Schrift, der Zeit geschuldet. Es gab (und gibt bis heute in der katholischen Kirche) keine weiblichen Priester. Wie also hätte der Auftrag zum Segnen an Frauen gehen können? Wir sind da in unserer Kirche weiter: Selbstverständlich haben auch Pfarrerinnen die Vollmacht von Gott, den Segen über den Gläubigen zu sprechen.

Ja und andere Menschen, die nicht Priester oder Pfarrerinnen und Pfarrer sind? Dürfen die nicht segnen? - Ich bin hier ein wenig befangen...und vorsichtig. Der Segen Gottes ist eben eine sehr bedeutende Sache für mich und ich glaube für uns alle. Er gehört nicht in die Hand und den Mund von Leuten, die ihn nicht ernst nehmen, ihren Spott damit haben und ihn lächerlich machen. Und solche gibt es leider auch. Darum würde ich so antworten: Alle, Frauen und Männer, die das im Bewusstsein der Bedeutung des Segens tun, dürfen den Segen über anderen Menschen sprechen.

Jetzt kommen wir endlich zu dem Wortlaut des Segens: Der HERR segne dich und behüte dich... Und gleich bei den ersten vier Wörtern verstehen Sie, was Ihnen vielleicht in dem, was ich bisher gesagt habe, aufgefallen ist: Keinmal habe ich gesagt, dass wir Menschen segnen können. Hier lesen wir, warum: Der HERR segne dich... Es ist Gottes Segen, nicht unserer. Es bleibt immer Gottes Segen und es wird nie unser Segen. Wir mögen so fragen: Dürfen Menschen, die nicht Priester sind, segnen. Und wir dürfen so sprechen, wie wir es oft hören können: Dann hat die Pfarrerin uns gesegnet! Oder so: Der Segen des Pfarrers hat den Gottesdienst beschlossen! Angemessen ist solches Reden nicht! Gott allein kann segnen. Wir können nur darum bitten. Wir dürfen den Segen in Gottes Auftrag auf andere Menschen legen. Und selbst wenn wir sagen, was heute vielleicht eher selten vorkommt: Der Vater der Braut hat seinen Segen zur Heirat gegeben, dann ist das eigentlich nicht richtig. Es müsste so heißen: Der Vater hat der Braut (und dem Bräutigam hoffentlich auch!) Gottes Segen gewünscht. Er hat sie dem Segen Gottes empfohlen. - Herr des Segens ist allein Gott!

Mir fällt dabei eine kleine Geschichte ein: Der neue Gemeindepfarrer hat die Angewohnheit - anders als sein Vorgänger - beim Schlusssegen im Gottesdienst nicht die Hände zu heben und dann das Kreuzeszeichen zu schlagen. Ein Kirchenvorsteher traut sich nach einigen Wochen den Pfarrer darauf anzusprechen: "Herr Pfarrer, Ihr Vorgänger hat, wenn er uns gesegnet hat, immer die Arme ausgebreitet. Ich fand das schöner und habe mich dann irgendwie viel stärker gesegnet gefühlt." Der Pfarrer hat eine Weile nachgedacht und dann geantwortet: "Warum ich die Hände nicht ausbreite, hat den einfachen Grund, dass die Gemeinde nicht denken soll, es käme beim Segen irgendwie auf mich an. Ob ich die Arme hebe oder nicht, ist völlig unbedeutend. Es ist Gottes Segen, um den ich für die Gemeinde und mich selber bitte." Als der Kirchenvorsteher weiter so geschaut hat, als wäre er mit der Antwort nicht zufrieden, hat der Pfarrer dann hinzugefügt: "Weil ich aber weiß, dass es für die Gemeinde wichtig ist, den Segen irgendwie auch zu sehen und zu spüren, will ich zukünftig doch die Arme bei der Segensbitte ausbreiten!"

Liebe Gemeinde, ist sich dieser Pfarrer am Ende nicht treu geblieben? Man könnte so denken. Aber das Beispiel der Taufe macht deutlich, dass auch Zeichen helfen, den Segen Gottes recht zu empfangen: Eigentlich ist es doch völlig unbedeutend für den Segen, den Gott uns in der Taufe schenkt, ob wir Wasser über den Kopf des Täuflings gießen, ob wir ein Kreuz auf seine Stirn zeichnen oder eine Taufkerze anzünden. Und doch ist das wichtig für uns. Es versinnbildlicht, dass beim Segen auch wirklich etwas mit und an uns geschieht. Es zeigt uns sichtbar, was eigentlich unsichtbar ist. Und es ist auch in Ordnung so - wenn wir nie vergessen, dass es nicht zuerst auf diese Zeichen ankommt, sondern auf Gott, der den Segen gibt und durch den er an uns wirkt, uns begleitet, uns hilft und behütet...

So geht der Wortlaut des uralten Segens weiter: ...der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig... - Wie von selbst denken wir hier doch an die Sonne, die über uns leuchtet, die uns wärmt und die uns und alles Geschaffene erst Leben schenkt und uns am Leben erhält. Es ist ein wunderschönes Bild, das der Segen hier malt: So wie die Sonne ist Gott! Wir sind unter seinen wärmenden Strahlen geborgen. Freundlich wendet er sich uns zu und gibt uns alles, was wir zum Leben brauchen. Aber Gott ist noch mehr als die Sonne. Seine Zuwendung ist persönlich. Er schenkt nicht nur Licht und Wärme, er schenkt auch Gnade. Wie die Sonne jeden Morgen neu über uns aufgeht, so geht seine Liebe über uns auf. Wenn wir am Abend niedergeschlagen und müde waren, aber auch wenn uns eine Schuld gequält hat, so sind wir am Morgen wieder frisch und kräftig und alles, was schwer auf uns liegt, kann von uns abfallen, wenn wir Gott darum bitten.

Und so endet der aaronitische Segen: ...der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir Frieden. - Auch dieser dritte Teil ist bildhaft: Wer sein Angesicht über einem anderen hebt, der blickt ihn freundlich an. Ein Mensch im Zorn, einer der auf den anderen böse ist, senkt den Blick und schaut dem anderen nicht ins Gesicht. Wie sollen wir Menschen uns das bei Gott anders vorstellen? Aber der Segen wünscht jedem, der ihn hört, dass Gott ihm sein Angesicht voller Güte und Gnade zuwendet. Und wir dürfen ganz sicher sein, das will und wird Gott auch tun, wenn wir seinen Segen ganz offen und erwartungsvoll empfangen. Wer seinem Segen etwas zutraut, der wird seine Macht erfahren. Er wird Gottes Segen in seinem Leben spüren und Gottes Frieden wird in sein Herz einziehen.

Liebe Gemeinde, vielleicht war die Predigt heute ein wenig anders als sonst, weniger kurzweilig vielleicht, nicht so eingängig, keine leichte Kost. Aber ich glaube, uninteressant war sie nicht, zumindest nicht für die Menschen, die den Segen Gottes tiefer verstehen wollen - und ich finde, das hat eine so wichtige Sache wie Gottes Segen schon verdient.

Eines sollten wir von heute unbedingt mitnehmen, ich halte es für das wichtigste am Segen überhaupt: Es ist immer Gott, der segnet! Wir Menschen sind seines Segens nicht mächtig, wie wir ja zum Beispiel auch des Glaubens nicht mächtig sind. Alles, was uns leben lässt, kommt von Gott. Alles müssen wir uns schenken lassen. Das liegt auch in den letzten Worten, mit denen der uralte Segen schließt: Denn ihr sollt meinen Namen auf die Israeliten legen, dass ich sie segne. AMEN