Predigt zum Sonntag "Laetare" - 10.3.2013

Textlesung: Jh. 6, 47 - 51

Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer glaubt, der hat das ewige Leben. Ich bin das Brot des Lebens. Eure Väter haben in der Wüste das Manna gegessen und sind gestorben. Dies ist das Brot, das vom Himmel kommt, damit, wer davon isst, nicht sterbe. Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel gekommen ist. Wer von diesem Brot isst, der wird leben in Ewigkeit. Und dieses Brot ist mein Fleisch, das ich geben werde für das Leben der Welt.

Liebe Gemeinde!

Was für ein Wort: "Wer glaubt, der hat das ewige Leben." Wenn auch nur die Christen dieses Wort beherzigten und darauf vertrauten, die Welt sähe anders aus! Die Nächstenliebe würde regieren. Zwischen den Menschen herrschte Vertrauen. Niemand würde Gewalt üben. Keiner, der den anderen zu übervorteilen sucht. Überall Herzlichkeit und menschliche Wärme in den Beziehungen. Und alles das käme von diesem einen Wort her: "Wer glaubt, der hat das ewige Leben." - Aber ich merke, ich muss das erklären, ein wenig plastischer machen, konkreter und so, dass man es verstehen und sich vorstellen kann:

Denken wir uns einen Mann, der beruflich am Fuß der Karriereleiter steht. Er arbeitet in einer Bank und will um jeden Preis ganz nach oben. Er weiß, das kann er nur schaffen, wenn er keine Hemmungen hat, immer zuerst den Vorteil der Bank zu suchen, nicht den der Kunden, denn das Bankwesen ist ein hartes Geschäft. Wahrscheinlich würde er so auf der Leiter Sprosse um Sprosse nach oben steigen. Langsam oder schneller, je nach dem wie skrupellos er sein kann. - Denken wir uns jetzt, auch wenn es uns vielleicht schwer fällt, der Mann hörte dieses Wort Jesu und es käme ihm nahe: "Wer glaubt, der hat das ewige Leben." Es würde sein Leben grundlegend verändern! Denn was steht im Hintergrund, wenn ein Mensch Karriere machen und nach oben kommen will? Er will ein Leben erreichen, das ihm gefällt, das frei von Sorgen ist, das Fülle hat und Sinn und an dem er Freude hat. Ich glaube, wir sind uns alle einig darüber, dass ein solches Leben selbst an der Spitze einer Bank nicht zu finden ist. - Und genau das, würde unser Mann jetzt auch begreifen, wenn er Jesu Wort vom Ewigen Leben hört. Und er würde sich sagen: Was nützt mir eigentlich das alles, was ich mit meinen Anstrengungen und fragwürdigen Mühen erreiche? Glücklich werde ich damit nicht. Und Erfüllung wird es mir auch nicht bescheren. Die aber suche ich doch im Grunde. Ein Leben, das sinnvoll ist und echte Freude schenkt... Wenn ich die nun im Vertrauen auf diesen Jesus fände? Dann lohnte sich das alles nicht mehr, was ich mir hier so mühsam aufbauen will. - Eigentlich müßig zu sagen, dass der Mann mit seinen Gedanken völlig richtig liegt!

Aber wir denken uns jetzt noch einen ganz anderen Menschen, diesmal eine Frau. (Aber ich betone an dieser Stelle, was ich von ihr erzähle, könnte ähnlich auch von einem Mann erzählt werden.) Die Frau ist seit 20 Jahren mit einem Mann verheiratet, den sie eigentlich nicht liebt. Ihre zwei Kinder sind erwachsen und sie möchte sich jetzt gern verändern. Nicht dass ihr Mann sie irgendwie schlecht behandelt, das nicht. Aber das Leben an seiner Seite ist für sie nicht einfach. Sie fühlt sich nicht geborgen bei ihm. Er ist ihr immer fremd geblieben. Denn ohne Liebe zu ihm, konnte auch keine tiefere Bindung entstehen. Immer wieder träumt sie von einem anderen Leben. Wie gern würde sie mit einem anderen Mann noch einmal anfangen. Andererseits: Soll sie sich trennen, bevor sie sicher weiß, dass es den "Anderen" überhaupt gibt? - In diese Frage, diese Situation hinein würde die Frau jetzt das Wort Jesu hören: "Wer glaubt, der hat das ewige Leben." Wenn sie darüber nachdenkt, wird ihr vielleicht aufgehen, dass diese Welt ja nicht alles ist. Und dann wird ihr klar werden, dass es sich vor dem Hintergrund der Zukunft, die Jesus Christus uns verspricht, wohl nicht lohnt, ein doch immerhin erträgliches Leben aufzugeben und das Risiko auf sich zu nehmen, dass die Suche nach einem anderen Partner und einem bunteren Leben scheitert. Aber vielleicht sind es am Ende bei dieser Frau ja nicht nur solche Überlegungen um das Risiko und die Gefahr des Scheiterns, sondern sie empfindet auch ein wenig Freude über die Aussicht, die uns das Wort Jesu eröffnet, denn es ist schon ein wunderbarer Ausblick, den wir durch ihn gewinnen: Das Ewige Leben!

Liebe Gemeinde, in den Serien des Fernseh-Vorabendprogramms, etwa in "Verbotene Liebe" oder in den nachmittäglichen Telenovelas würden wir wahrscheinlich zu meinen Geschichten von diesem Mann und dieser Frau etwas anderes hören können: Vielleicht würde dem Banker ein schlechter Charakter beigelegt und er würde sich wohl kaum durch ein Jesuswort zum Aufgeben seiner Karriere bekehren lassen. Und auch bei der Frau, die von einem besseren Leben mit einem anderen Mann träumt, würden zum Beispiel von ihren Freundinnen andere Töne angeschlagen, vielleicht solche: "Du musst der Stimme deines Herzens folgen!" - "Du hast ein Recht auf Glück!" - "Wenn du bei ihm nicht findest, was du suchst, dann musst du ihn verlassen!" Aber so wird das eben von einer unterhaltsamen Fernsehserie erwartet. Und es geht am Ende ja auch immer "gut" aus oder so, dass es die Zuschauer zufrieden stellt.

Apropos "Recht auf Glück" - und vielleicht könnten wir ja bei dem Banker auch von einem solchen Recht sprechen, bei ihm allerdings eher von einem "Recht auf Karriere". Jedenfalls frage ich mich immer wieder bei solch einer Rede über unser Recht, unseren vermeintlichen Anspruch auf ein glückliches, erfülltes Leben, was eigentlich die Milliarden Menschen in dieser Welt dazu sagen würden, die tagtäglich nicht um Glück oder ein schönes Leben kämpfen, sondern um nicht weniger als das nackte Überleben!? Und dann wird mir - auch wenn es mir auch gar nicht gefällt - eines immer wieder sehr deutlich: Wir verlieren leicht jedes Maß, unsere Lage in unserer sehr reichen, satten Welt recht und angemessen zu beurteilen. Die Alten haben etwa nach dem großen Krieg, den sie noch miterleben mussten, später oft gesagt: "Uns geht es einfach heute zu gut!" Sie haben damit gemeint: Für die Nachkriegsgenerationen ist ein ganz anderer Lebensstandart "normal" geworden, als sie ihn noch kannten. Nicht nur äußere Bedrohungen sind Gott sei Dank einem schon lange andauernden Frieden gewichen. Das Leben insgesamt ist auch leichter geworden: Viele Geräte helfen uns im Haushalt. Die medizinische Versorgung ist meist gut. Wir sind mobil durch ein Auto oder durch andere Verkehrsmittel. Wir können uns einiges leisten, auch Urlaub und manche Zerstreuung in der Freizeit. Nicht dass Sie jetzt denken, ich wünschte mir die alte, härtere Zeit zurück. Aber ich meine, wir sollten uns durch die Erinnerung an frühere Zeiten und daran, wie es anderen Menschen in dieser Welt geht, unser Maß zurechtrücken lassen, mit dem wir unser Leben und das Glück dieses Lebens messen. Durch diese Erinnerung würden die beiden, von denen ich erzählt habe, den Banker, der unbedingt Karriere machen will und die Frau, die ein ganz anderes Leben sucht, gewiss zufriedener werden. Außerdem könnten sie auch Jesu Verheißung eines Ewigen Lebens ganz anders schätzen.

Aber uns würde es gar nicht anders gehen. Ich bin sicher, wenn wir unsere Lebensumstände einmal ganz ehrlich und ohne sie schlechter darzustellen, als sie sind, prüfen, dann werden auch wir sagen müssen: Eigentlich ist mein Leben doch ganz gut verlaufen, trotz aller Um- und Irrwege, trotz aller Rückschläge, trotz der unerfüllt gebliebenen Wünsche, den zerplatzten Träumen, den Hoffnungen, die ich begraben musste... Auf der anderen Seite steht doch immer auch viel Schönes, was uns geschenkt wurde: Eine noch leidlich gute Gesundheit vielleicht, eine Ehe oder Partnerschaft, die viele glückliche Tage hatte. Kinder oder schon Enkel, an denen wir Freude haben können. Manches Erlebnis, das sich als wunderbar in unser Gedächtnis eingeprägt hat und manche Erfahrung, die wir nicht missen möchten. Und noch eines - und das sage ich jetzt nicht nur, weil man das halt in einer Predigt zu hören erwartet: Wir haben in unserem Leben auch den Glauben an Jesus Christus, das Brot des Lebens gefunden! Und dieser Glaube hat uns durch unser Leben getragen und er trägt uns noch heute. Und ich bin ganz sicher, dass es dieser Glaube ist, der es uns leicht macht, dieses Wort Jesu anzunehmen und uns darüber ehrlichen Herzens zu freuen: "Wer glaubt, der hat das ewige Leben." Denn es ist der Glaube an ihn, der uns zurückhält, immer mehr in diesem Leben erreichen zu wollen, höher aufzusteigen, Karriere zu machen oder für uns ein ganz anderes, besseres Leben anzustreben. Es ist der Glaube, der uns zufrieden sein lässt mit dem Geschick, das uns von Jesus Christus beschieden ist, weil wir wissen, dass es von dem herkommt, der uns liebt, der das lebendige Brot ist, das vom Himmel kommt und der sich selbst am Kreuz hingegeben hat für unser Leben "und für das Leben der Welt".

Liebe Gemeinde, der Glaube, der uns mit dem Schicksal zufrieden sein lässt, das uns bestimmt ist, weil wir wissen, dass einmal ein Ewiges Leben auf uns wartet, dieser Glaube würde auch die Welt hier und heute verändern. Wie habe ich am Anfang gesagt: Die Nächstenliebe würde regieren. Zwischen den Menschen herrschte Vertrauen. Niemand würde Gewalt üben. Keiner, der den anderen zu übervorteilen sucht. Überall Herzlichkeit und menschliche Wärme in den Beziehungen. Und alles das käme von diesem einen Wort her: "Wer glaubt, der hat das ewige Leben."

Ich wünsche uns, dass uns Jesu Verheißung froh macht und dass wir in unserem Leben - so wie es ist - Zufriedenheit finden. AMEN