Predigt zum 7. Sonnt. nach Trinitatis - 22.7.2012

Textlesung: Phil. 2, 1 - 4

Ist nun bei euch Ermahnung in Christus, ist Trost der Liebe, ist Gemeinschaft des Geistes, ist herzliche Liebe und Barmherzigkeit, so macht meine Freude dadurch vollkommen, dass ihr eines Sinnes seid, gleiche Liebe habt, einmütig und einträchtig seid. Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst, und ein jeder sehe nicht auf das Seine, sondern auch auf das, was dem andern dient.

Liebe Gemeinde!

Es ist manchmal schon erstaunlich, wie deutlich die bald 2000 Jahre alten Texte des Neuen Testaments uns auch in unserer Zeit heute ansprechen. Oder sagen wir besser: wie sie uns treffen und mahnen. In Philippi scheint es schon genauso zugegangen zu sein, wie in unserer Welt heute. Es muss viel Zwietracht gegeben haben, viel Selbstsucht und Hochmut und viele haben wohl nur auf das Ihre geschaut und nicht auf das, "was dem anderen dient". Und das galt anscheinend auch in der christlichen Gemeinde!

Auch wenn Sie jetzt vielleicht nicht derselben Meinung sind wie ich, ich möchte es einmal aussprechen, wo mir in diesen Zeiten der "eine Sinn", die "Liebe", die "Eintracht" und die "Demut" zu fehlen scheinen. Und ich fange in der großen Politik an, ohne dabei "parteipolitisch" zu werden, denn es ist überall, bei allen Parteien so: Es gibt nicht allzu viele Menschen, die in den Ländern und im Bund Verantwortung tragen, denen ich noch glauben kann, dass für sie das Wohl der Bürger (und damit ihrer WählerInnen, also der Menschen, die ihnen ihre Ämter anvertraut haben) an erster Stelle steht. Wichtiger ist sehr oft das eigene Fortkommen, die Karriere, der Einfluss, die Macht und selbstverständlich auch das Geld. Oft genug sind ihre Entscheidungen nicht davon bestimmt, was den einfachen Bürgern dient, sondern was möglichst vielen Interessengruppen in Industrie und Wirtschaft Vorteile bringt und das Geld derer mehrt, die schon übergenug davon haben. Solche Entscheidungen dienen dann auch wieder denen, die sie treffen, denn es wird irgendwann und auf irgendeine Weise honoriert, wenn man sich für die einsetzt, die an den Schaltstellen großer Unternehmen oder Banken sitzen. Die Armen und Schwachen in der Gesellschaft haben dagegen keine Lobby und am Ende immer das Nachsehen. Besonders schlimm ist dabei, dass viele Politiker, die für eine Politik verantwortlich sind, die überwiegend ihnen selbst und nicht den Schwachen und den kleinen Leuten dient, sich, ohne dabei irgendwelche Bedenken zu haben, auch noch Christen nennen.

Aber sehen wir nach anderen gesellschaftlichen Bereichen, Institutionen und Einrichtungen: In den Behörden, Büros, Fabriken und Betrieben herrscht heute nicht selten ein unguter Geist der Missgunst und Konkurrenz. Die höhere, besser bezahlte Position bekommt nicht unbedingt der mit der größten Kompetenz und Eignung, sondern der mit den besten Beziehungen. Mobbing ist an der Tagesordnung. Menschen, die die gleiche Arbeit tun, werden aber nicht gleich bezahlt. Wer sich dazu oder zu anderen ungerechten Verhältnissen kritisch äußert, muss um seinen Arbeitsplatz fürchten.

In den Vereinen der Dörfer und Städte steht auch nicht immer die Sache im Mittelpunkt, für die der Verein gegründet wurde, also etwa der Sport, der Gartenbau oder der Gesang. Es menschelt an vielen Orten. Wer wird Vorsitzende oder Vorsitzender? - die am besten reden und sich am besten darstellen können, nicht die mit dem größten Sachverstand. Wer wird Kassenwart? - wer die besten Ideen entwickelt, wie man das Vereinsvermögen steigert. Überhaupt...das Geld! Daneben wird oft das Interesse am Sport, am Gartenbau oder Gesang und an der Steigerung der Qualität sehr gering. Ist man z.B. einmal dazu angetreten, guten Fußball zu spielen, so geht es bald mehr darum, dass der Umsatz stimmt und die Fan-Artikel sich gut verkaufen.

Und wie sieht es in der Kirche aus, in den Gemeinden, unter den Christinnen und Christen? - Auch hier will manche und mancher mehr sein als die anderen. Die "einfachen" Gemeindegliedern stellen an sich und die anderen die Fragen: Wer geht häufiger in die Kirche und setzt sich auch sonst in der Gemeindearbeit mehr ein? Wer weiß besser in der Bibel oder dem Gesangbuch Bescheid? Wer hat den heißeren Draht zur Leitung der Gemeinde?

Und wie ist es bei uns, den Menschen in der Gemeindeleitung, den KirchenvorsteherInnen, PfarrerInnen, PrädikantInnen und LektorInnen? - Hier will ich bei mir und damit bei denen bleiben, die in der Verkündigung stehen: Haben wir einerlei Sinn? - Warum fragen wir dann, wie viele Zuhörer der Kollege oder die Kollegin am vergangenen Sonntag gehabt hat? Geht es anscheinend nicht auch immer darum, wer "besser" predigen kann, obwohl wir doch wissen, dass nicht wir das Wort Gottes zu den Herzen der Menschen bringen können, sondern Gottes Heiliger Geist allein!
Haben wir die gleiche Liebe, sind wir einmütig und einträchtig? - Warum gönnen wir dann dem Mitarbeiter unserer Gemeinde nicht, dass er bei der Jugend besser ankommt als wir? Wissen wir denn nicht, dass die Gaben nicht alle gleich verteilt sind? Und ist nicht eigentlich am wichtigsten, dass die Jugend angesprochen wird und den Weg zu Jesus Christus findet? Können wir uns nicht mirfreuen, wenn einem anderen das besser gelingt als uns?
Ist uns das Tun aus Eigennutz und um eitler Ehre willen wirklich fremd? - Warum kommen uns immer wieder Gedanken an einen Wechsel an eine vermeintlich bessere Stelle oder in ein höheres Amt unserer Kirche? Warum reicht uns das nicht, wenn wir an dem Platz sind, an dem wir einen guten Dienst für die Sache Jesu tun können? Was haben wir denn von der höheren Gehaltsstufe, wenn wir dann aber nicht mehr in der Arbeit stehen, die unseren Talenten entspricht, die wir erfüllen können und die uns erfüllt?

Liebe Gemeinde, zugegeben, das war recht hart jetzt und es hat der Eindruck entstehen können, ich meinte, überall in Gesellschaft und Kirche gäbe es nur noch Karrieristen, Machtmenschen und solche, die dem Geld hinterherlaufen. Nein, so ist es sicher nicht. Aber ich behaupte doch, es gibt überall zu viele Menschen, die nicht demütig sind und nicht darauf sehen, was ihren Mitmenschen dient, die vielmehr selbstsüchtig sind und darum dort, wo sie leben und arbeiten Zwietracht sähen und zuerst die eigene Ehre suchen. Und ich behaupte, dass die Zahl dieser Menschen in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat, was sicher auch damit zu tun hat, dass durch Finanz- und Wirtschaftskrise der Verteilungskampf in unserer Gesellschaft härter und das Klima kälter geworden ist.

Aber jetzt wollen wir als Leute aus der Gemeinde Jesu Christi noch einmal auf die wichtigsten Empfehlungen des Paulus hören und uns fragen und fragen lassen, wie wir Menschen werden können, die diesen Empfehlungen entsprechen:

"...seid eines Sinnes, habt gleiche Liebe, seid einmütig und einträchtig. Tut nichts aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut achte einer den andern höher als sich selbst..."

Ich denke, von selbst werden wir nicht so. Wir brauchen Hilfe dabei. Und ein Vorbild. Wenn wir da noch einmal die ersten Verse des Abschnitts aus dem Philipperbrief lesen, die wir vorhin schon gehört haben und die Paulus ganz bewusst vor seine Mahnungen stellt, dann führt uns das vielleicht auf die rechte Spur: "...bei euch ist Ermahnung in Christus, Trost der Liebe, Gemeinschaft des Geistes, herzliche Liebe und Barmherzigkeit..."

Die Menschen aus der Gemeinde von Philippi hatten alles, was es braucht, sich neu zu besinnen und gleicher Liebe, einmütig, einträchtig und demütig" zu werden. Ihr Vorbild war Jesus Christus, seine Liebe war ihr Trost! Die Hilfe war der Heilige Geist, durch ihn hatten sie Gottes herzliche Liebe und Barmherzigkeit erfahren. Es konnte für die Gemeinde von Philippi eigentlich nur noch darum gehen, sich neu auf das Vorbild Jesus Christus und die Hilfe des Heiligen Geiste zu besinnen und dann weiterzugeben, was sie empfangen hatten.

Und für uns, liebe Gemeinde hier in ................... ist es ganz genauso: Auch unser Vorbild ist Jesus Christus. Auch wir haben die Hilfe des Heiligen Geistes erfahren! Wir sind auf Christi Namen getauft und konfirmiert. Keiner von uns kann sagen, er wüsste nicht, wie ein Leben im Sinne Jesu aussehen müsste! Wie oft schon wurde uns die Freude geschenkt, die es macht, gegen den Zeitgeist und gegen die Einflüsterungen der Menschen den Willen Gottes zu tun. Wir kennen die tiefe Zufriedenheit, die sich in unserem Herzen ausbreitet, wenn wir von unserem Überfluss abgeben und unsere Habe und unsere Gaben und Talente mit anderen teilen. Und wir haben auch erlebt, wie viel Trost der Glaube an Jesus Christus schenken kann: Wenn sich unsere Pläne zerschlagen und unsere Wünsche nicht erfüllt haben, wenn wir von einem lieben Menschen Abschied nehmen mussten oder wenn wir die Hoffnung in Zeiten der Krankheit oder an der Schwelle unserer älteren Tage nicht verloren haben. Und Hilfe dazu, dass wir Gottes Willen tun und unseren Glauben auch in schweren Lebensphasen festhalten konnten, kam uns immer wieder auch von oben her! Wer anderes als der Heilige Geist, der Beistand und Tröster sollte uns da geholfen haben?

Eigentlich sind wir heute in der selben Lage wie die Philipper zur Zeit des Paulus! Auch wir sollten uns neu auf das Vorbild Jesu Christi und die Hilfe des Heiligen Geiste besinnen, wahrnehmen, wie viele gute Erfahrungen wir damit schon gemacht haben und dann weitergeben, was wir empfangen haben: Alle in einem Sinn, in gleicher Liebe, einmütig und einträchtig. Nicht aus Eigennutz oder um eitler Ehre willen, sondern in Demut und so, dass einer den andern höher achtet als sich selbst! Und wir werden erfahren, dass es geht und dass es uns glücklich und zufrieden macht und in unserem Glauben an Jesus Christus stärkt und in unserer Hoffnung auf den Heiligen Geist festigt.

Liebe Gemeinde, Sie haben jetzt vielleicht vermisst, dass ich auch darüber rede, wie sich in der Politik und anderen gesellschaftlichen Bereichen die Menschen in diesem Sinn zum Guten verändern können. Ich bin ganz sicher, wenn wir Christinnen und Christen damit anfangen und diese Neubesinnung auch in unserem Leben sichtbar machen, dann wird das nicht ohne Wirkung in der ganzen Gesellschaft bleiben. Uns Menschen aus der Gemeinde Jesu Christi aber steht es wohl an, voranzugehen. AMEN