Predigt zum Sonnt. "Rogate" - 13.5.2012

Textlesung: Kol. 4, 2 - 4 (5 + 6)

Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Betet zugleich auch für uns, dass Gott uns eine Tür für das Wort auftue und wir das Geheimnis Christi sagen können, um dessentwillen ich auch in Fesseln bin, damit ich es offenbar mache, wie ich es sagen muss. Verhaltet euch weise gegenüber denen, die draußen sind, und kauft die Zeit aus. Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt, dass ihr wisst, wie ihr einem jeden antworten sollt.

Liebe Gemeinde!

Gewiss, der heutige Sonntag heiß "Rogate" - "Betet". Und das Beten ist wichtig und dass wir darüber nachdenken, wie wir richtig beten, ist auch wichtig... Trotzdem hat mich heute ein anderer Gedanke aus diesen Versen mehr angesprochen. Und ich glaube, dieser Gedanke ist nicht weniger wichtig als der, wie wir recht beten sollen. Hier ist, was ich meine: "Eure Rede sei allezeit freundlich und mit Salz gewürzt, dass ihr wisst, wie ihr einem jeden antworten sollt." Besonders hat mich hier das angesprochen, was sich wie ein Teil aus einem Rezept anhört: "Eure Rede sei ... mit Salz gewürzt!" Das Salz ist allemal eine unverzichtbare Zutat eines Rezepts, denn wenn es fehlt, schmeckt auch noch die beste Speise fad und nicht anregend. Und wenn in unserer Rede zu wenig Salz enthalten ist, dann wird sie niemand hören wollen, denn sie ist langweilig und wird niemanden zum Nachdenken anregen oder gar dazu, sich zu verändern. Ob wir dagegen beim Kochen mehr oder weniger Zucker verwenden, macht kaum einen Unterschied. Vielmehr ist es so: Wenn unsere Rede "süß" und leicht eingängig gestaltet ist, wird sie von unseren Hörern sicher lieber aufgenommen, aber sie wird sie weit weniger bewegen und nicht nachhaltig überzeugen können. Also: Wenn wir mit anderen Menschen reden, soll das zwar freundlich geschehen, doch immer auch mit der angemessenen Schärfe. - Aber jetzt wird es Zeit, dass wir deutlicher sprechen und nicht sozusagen um den faden oder gesalzenen Brei herum:

Von was sollen wir reden? - Vom "Geheimnis Christi" - das ist nichts anderes als das Evangelium, das Paulus nicht müde geworden ist zu verkündigen: Dass Jesus Christus für die Schuld aller Menschen gestorben ist und auferstanden ist am dritten Tag und dass er uns damit das ewige Leben in Gottes neuer Welt verdient hat.

Wie sollen wir davon reden? - So, dass Gott bei den Menschen, die es hören, eine Tür für das Wort des Evangeliums auftun kann und sie die Botschaft annehmen und zum Glauben finden.

Zu wem sollen wir reden? - Zu denen, "die draußen sind", die also noch nicht zu den Leuten Jesu Christi und noch nicht in seine Gemeinde gehören.

Und das alles ist Paulus so wichtig, dass er die Glieder der Gemeinde von Kolossä, an die er schreibt, um ihr Gebet für die Menschen bittet, die noch draußen sind: "Seid beharrlich im Gebet und wacht in ihm mit Danksagung! Betet zugleich auch für uns, dass wir das Geheimnis Christi sagen können!"

Liebe Gemeinde, wie die Bitte des Paulus damals aufgenommen wurde und wie hilfreich das Gebet der Kolosser dazu war, dass Gott eine Tür für das Wort aufgemacht hat bei denen, die Jesus Christus noch nicht kannten, wissen wir: Seine Mission hatte Erfolg, ja sie so erfolgreich, dass aus den bescheidenen Anfängen in Kolossä, in Ephesus oder Rom bis heute eine Weltreligion geworden ist, zu der rings um die Erde über zwei Milliarden Menschen zählen - und auch uns, dich und mich hat die Botschaft erreicht. Und sie hat uns auch überzeugt - sonst wären wir wohl nicht hier. Vielleicht hat dabei auch das Wort und das Gebet anderer Menschen geholfen, die Tür zu unserem Herzen aufzutun. Und vielleicht verdanken wir unseren Glauben auch dem beharrlichen Gebet unserer Mitmenschen, unserer Mutter, unseres Vaters, unserer Paten, unserer Gemeinde oder anderer, von denen wir das gar nicht wussten und vielleicht auch nicht erwartet hätten...

Aber wie sieht es damit bei uns selbst aus? Wo und wie reden wir vom Geheimnis Christi? Auf welche Weise helfen wir mit, dass andere Menschen zum Glauben kommen? Nehmen wir in Sachen des Glaubens überhaupt Kontakt zu unseren Mitmenschen auf? Beten wir für die, die (noch) draußen sind? - Fragen über Fragen. Lassen Sie uns ehrliche Antworten suchen.

Wo, zu wem und wie reden wir vom Geheimnis Christi? - Wenn die Frage wäre: Wo wird in der Öffentlichkeit von Jesus Christus gesprochen und was er für uns getan hat und woran wir Christen glauben, dann wären wir schnell fertig! Denn sehr viele Gelegenheiten, wo das heute noch geschieht, könnten wir nicht aufzählen: Das Wort zum Sonntag vielleicht (- dem wir oft genug auch nicht mehr ansehen und abhören können, dass die Kirchenleute, von denen es vorgetragen wird, sich auf Jesus Christus berufen!). Ein religöser Film zu Karfreitag oder Ostern fällt uns noch ein und vielleicht die Rede des Papstes im deutschen Bundestag. Und sonst? Da wird in den Medien und der Gesellschaft überhaupt eher nach der Übereinkunft verfahren: Religion ist Privatsache. Das drückt sich ja auch ohne Worte darin aus, dass in den Klassenzimmern unserer Schulen kein Kruzifix mehr hängen darf und wir eigentlich kaum ein Problem damit haben, wenn der Sonntag immer mehr ein Tag wird wie jeder andere Tag.

Aber die Frage geht ja an uns persönlich: Wo, zu wem und wie reden wir vom Geheimnis Christi? - Da müssen wir bekennen, dass auch wir selbst es heute kaum anders halten als die Gesellschaft insgesamt. Von Jesus Christus, von unserem Glauben und unserer Hoffnung auf ein ewiges Leben ist bei uns kaum noch die Rede. Machen wir die Probe: Wenn Sie sagen sollten, wann Sie zuletzt mit einem Mitmenschen über Christus, über ihre Hoffnung und Ihren Glauben gesprochen haben, müssten Sie nicht lange überlegen und fiele Ihnen möglicherweise nicht überhaupt kein solches Gespräch mehr ein? Dabei dürfen Sie hier gern auch Ihre Familienmitglieder einbeziehen. Aber auch mit denen sprechen wir ja eher selten über solche Dinge! Wir müssen also feststellen, auch persönlich gilt für uns: Religion ist Privatsache.

Auf der anderen Seite beklagen wir doch, wie wenig Interesse unsere jungen Leute noch an religiösen Fragen und einem christlichen Leben haben, nachdem sie konfirmiert sind - was dann ja auch die Folge hat, dass wir sie kaum noch in der Kirche sehen. Aber - wie die meisten Dinge im Leben - muss auch das religiöse Interesse und die entsprechende christliche Praxis gelernt werden. Und wie soll man etwas lernen, wenn niemand darüber mit uns spricht und wenige es uns noch vorleben und ein Beispiel dafür geben? Da hilft es auch gar nichts, wenn wir sagen: "Aber dafür haben wir sie doch in die Konfirmandenstunde geschickt!" Noch der beste Unterricht, noch die gelungendste Konfirmandenzeit kann nicht ersetzen, was schon die ganze Kindheit über an Gespräch und Vorbild gefehlt hat. Und wenn nach der Konfirmation keine christlichen Impulse mehr kommen und niemand mehr die jungen Leute auf ihren Glauben anspricht und schon gar keiner sie mehr einlädt: "Komm doch mit in den Gottesdienst!", wie sollen sie denn dann den Glauben festhalten (wenn sie ihn bis dahin überhaupt gefunden haben!) und in der Spur des Herrn Jesus Christus bleiben (der doch in der Gesellschaft und in der Familie so gar keine Rolle mehr spielt)?

Ich denke, wir spüren das jetzt: Es gibt nur eins, wir müssen das Gespräch mit unseren Kindern und Enkeln wieder aufnehmen, nicht nur über vergleichsweise belanglose Alltagsfragen wie die Schule oder ihre Hobbys, sondern darüber, was und wer sie auch in schwierigen Zeiten trägt, ihnen Halt gibt, Sinn und ein Ziel, für das es sich zu leben lohnt - und das ist der Glaube und Jesus Christus.

Es mag nun hart sein und schwer zu fassen, dass wir, wenn wir die Worte des Paulus in unsere Lebenswelt übertragen, jetzt eigentlich sagen müssen: Die Menschen, denen wir vom Geheimnis Christi reden sollen, die Menschen also, die nach Paulus "draußen sind" und "noch nicht zu den Leuten Jesu Christi und noch nicht in seine Gemeinde gehören", diese Menschen sind unsere Kinder, unsere Enkel und andere unserer engsten Familienangehörigen.

Wir wollen nun auch die Fürbitte nicht vergessen, nicht nur weil dieser Sonntag "Rogate" - "Betet!" heißt, sondern weil wir als Christinnen und Christen für unsere Mitchristen beten sollen und weil jedes Gebet die Verheißung hat, dass Gott es hört. Es darf uns nicht gleichgültig sein, ob Gott bei unseren Mitmenschen, schon gar bei unseren Angehörigen eine Tür für sein Wort auftut und sie das Geheimnis Christi verstehen! AMEN

(eventuell 2. Textlesung!)