Predigt zum Sonntag "Invokavit" - 26.2.2012

Textlesung: 2. Kor. 6, 1 - 10

Als Mitarbeiter aber ermahnen wir euch, dass ihr die Gnade Gottes nicht vergeblich empfangt. Denn er spricht (Jesaja 49,8): "Ich habe dich zur Zeit der Gnade erhört und habe dir am Tage des Heils geholfen." Siehe, jetzt ist die Zeit der Gnade, siehe, jetzt ist der Tag des Heils! Und wir geben in nichts irgendeinen Anstoß, damit unser Amt nicht verlästert werde; sondern in allem erweisen wir uns als Diener (und Dienerinnen) Gottes: in großer Geduld, in Trübsalen, in Nöten, in Ängsten, in Schlägen, in Gefängnissen, in Verfolgungen, in Mühen, im Wachen, im Fasten, in Lauterkeit, in Erkenntnis, in Langmut, in Freundlichkeit, im heiligen Geist, in ungefärbter Liebe, in dem Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken, in Ehre und Schande; in bösen Gerüchten und guten Gerüchten, als Verführer und doch wahrhaftig; als die Unbekannten, und doch bekannt; als die Sterbenden, und siehe, wir leben; als die Gezüchtigten, und doch nicht getötet; als die Traurigen, aber allezeit fröhlich; als die Armen, aber die doch viele reich machen; als die nichts haben, und doch alles haben.

Liebe Gemeinde!

Die Passionszeit hat begonnen und mit ihr die Zeit der ernsteren Themen in unseren Andachten und Gottesdiensten. Aber um welches Thema geht es heute? Klein ist das Angebot ja gerade nicht: "Gnade, Geduld, Trübsal, Nöte, Ängste, Schläge, ungefärbte Liebe, Wahrheit, Kraft Gottes..." Und so geht das weiter, bis fast 40 Themen zusammen sind, über die wir sprechen könnten! Aber - keine Angst! - wir wollen es nicht übertreiben! Hinter dem allem steht sozusagen ein Oberthema, ein Gedanke, genau: eine Eigenschaft, eine Art, wie sie die Diener und Dienerinnen Gottes, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an seiner Sache in der Welt auszeichnet. Und davon hören wir in nur einem einzigen Satz: "...wir geben in nichts irgendeinen Anstoß, damit unser Amt nicht verlästert werde; sondern in allem erweisen wir uns als Diener (und Dienerinnen) Gottes."

Hier ist nun zwar das Amt der Christin, des Christen gemeint, aber wir denken gewiss gerade in dieser Zeit auch an die Ämter in der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Politik, deren Missbrauch für ganz eigene Zwecke und Interessen wir immer wieder und immer mehr erleben müssen. Nun spricht der Apostel Paulus aber die Menschen an, die sich Christinnen und Christen nennen (wobei allerdings besonders auch die Amtsträger aus den Parteien mit dem "C" im Namen angesprochen sind!). Wir wollen also dem nachdenken, was es heißt, ein Christ, eine Christin zu sein, in Zeiten, in denen das nicht immer leicht ist.

- Wir geben in nichts einen Anstoß..., schreibt Paulus. Christinnen und Christen vergessen nie, nach wem sie heißen! Sie denken, reden und handeln so, wie es dem entspricht, ja, wie der es tun würde, dessen Namen sie tragen: Jesus Christus. Und dazu ist es wirklich gut und hilfreich, sich immer wieder zu fragen, besonders bei schwierigen Entscheidungen an Stellen, an denen sich der Lebensweg gabelt oder mehr als in "normalen" Zeiten auf dem Spiel steht: "Was hätte Jesus jetzt getan?" Wenn wir dabei sein Leben, wie es in den Evangelien beschrieben ist, vor Augen haben, dann werden wir nicht vergeblich nach einer Antwort suchen! Und wenn wir auch noch in die Geschichten schauen, die ER erzählt hat, dann werden wir immer einen klaren Hinweis finden, wie wir uns entscheiden und was wir jetzt tun sollen, da bin ich ganz sicher!

So ist es die positive Seite, wie wir unser Amt als Christinnen und Christen führen. Die andere Seite ist diese: Wir nutzen unser Amt niemals für einen persönlichen Vorteil aus. Wir behandeln jeden Menschen gleich freundlich und gut, ob er uns nun fördern oder unserer Karriere dienlich sein kann, ob er reich ist oder arm, Ansehen genießt oder eher unbedeutend ist, ob alt, ob jung, einheimisch oder fremd... Wir nehmen keine Geschenke an, die uns beeinflussen sollen. Wir lassen keine Beziehungen spielen - am Ende gar, um eine Stellung im Beruf oder eine Position in der Gesellschaft oder der Politik zu erreichen, die uns nicht zusteht und die wir eigentlich nicht ausfüllen können. Wir sprechen und handeln stets ehrlich, nach bestem Wissen und Gewissen.

Und warum tun wir das? Paulus schreibt weiter: Wir geben in nichts irgendeinen Anstoß...damit unser Amt nicht verlästert werde... Wir wissen, wie schnell das geschieht! Da hat eine Ministerin eine Dienstfahrt von Berlin nach ihrem deutschen Heimatort mit einem Umweg über die spanische Costa Blanca fahren lassen - und es wird ein Untersuchungsausschuss eingesetzt, ob das denn mit den Gesetzen übereinstimmt - und das ist gut so! Da hat ein Bundespräsident einen sehr günstigen Kredit gewährt bekommen - es wird gefragt, ob das nicht Vorteilsnahme war - und mit Recht! Aber wir wollten ja beim Amt des Christen und der Christin bleiben: Ein Christ, der irgendeinen Nutzen daraus zieht, dass er zu Jesus Christus gehört und an ihn glauben darf, der verursacht bei anderen Menschen - besonders bei denen, die keine Christen sind - ein Denken und Reden, das dem Ansehen aller Christen und des Christentums schadet.

Was hier noch weiter gemeint sein könnte, verdeutlichen besonders schön die Worte Jesu über einige fromme Juden seiner Zeit: "Sie binden schwere und unerträgliche Bürden und legen sie den Menschen auf die Schultern; aber sie selbst wollen keinen Finger dafür krümmen. Alle ihre Werke aber tun sie, damit sie von den Leuten gesehen werden. Sie machen ihre Gebetsriemen breit und die Quasten an ihren Kleidern groß. Sie sitzen gern obenan bei Tisch und in den Synagogen und haben's gern, dass sie auf dem Markt gegrüßt und von den Leuten Rabbi genannt werden. Aber ihr sollt euch nicht Rabbi nennen lassen; denn einer ist euer Meister; ihr aber seid alle Brüder." (Mt. 23,4-8) Nun wird uns keiner "Rabbi" nennen, aber ich denke, wir wissen doch, was gemeint ist, denn auch das gibt es: Dass wir uns gern mit dem Christennamen schmücken und uns vielleicht sogar "christlicher" geben, als wir sind. Dass wir mit Bibelsprüchen glänzen wollen und mit unserer Frömmigkeit blenden und es genießen, wenn die Leute von unserer Christlichkeit höher denken, als sie eigentlich ist. Und auch das will ich noch sagen: Die "Rabbis" unserer Religion, die Pfarrerinnen und Pfarrer und andere kirchliche "Würdenträger" (schon dieses Wort macht ja das Missverständnis deutlich!) müssen sehr aufpassen, dass sie die Demut nicht verlieren oder vergessen, die uns Christen allein angemessen ist. Denn wir sind keine Herrinnen und Herren, sondern Geschwister und alle gleich vor ihm, der unser einziger Herr ist: Jesus Christus. Und es beschädigt nicht nur unser Ansehen, wenn wir uns damit hervortun, dass wir Christen sind und glauben können, es beschädigt auch das Amt der Christin und des Christen, das uns geschenkt ist und schließlich beschneidet es die Ehre unseres Herrn Jesus Christus, der uns dieses Amt anvertraut hat. Denn unsere Mitmenschen, die Christen darunter, aber auch die Nichtchristen schauen sehr wohl danach, wie wir uns verhalten - und besonders dann, wenn wir unsere Christlichkeit und Frömmigkeit vor uns hertragen wie eine Fahne.

Und so bringt Paulus seine Mahnung an uns zu Ende: Wir geben in nichts irgendeinen Anstoß...damit unser Amt nicht verlästert werde...sondern in allem erweisen wir uns als Diener (und Dienerinnen) Gottes. Aber jetzt kommt, was das bedeutet, Gott zu dienen und das ist nicht gerade verlockend: "Geduld in Trübsal, Nöten, Ängsten, Schlägen, Gefängnissen, in Verfolgungen, in Mühen, im Wachen, im Fasten..." Gut es gibt auch einige positive Begleiterscheinungen des Dienstes für Gott: "Lauterkeit, Erkenntnis, Langmut, Freundlichkeit, im heiligen Geist, in ungefärbter Liebe, im Wort der Wahrheit, in der Kraft Gottes, mit den Waffen der Gerechtigkeit zur Rechten und zur Linken..." Aber es scheint doch so, als würden im Dienst Gottes die schlechten Erfahrungen zahlreicher sein als die guten, denn der düstere Grundton in diesem Leben als Dienerin und Diener Gottes bleibt: Uns erwarten "Ehre und Schande; böse Gerüchte und gute Gerüchte, wir werden Verführer, und doch wahrhaftig; sind Unbekannte und doch bekannt; Sterbende, und siehe, wir leben; Gezüchtigte, und doch nicht getötet; Traurige, aber allezeit fröhlich; Arme, aber die doch viele reich machen; Leute, die nichts haben, und doch alles haben."

Liebe Gemeinde, was könnte uns denn nun dazu bringen, gegen alle böse Erwartung, gegen die Angst, die uns gewiss befällt und eigentlich auch gegen jede Vernunft den Dienst an der Sache Gottes anzutreten und ihm treu zu bleiben? Hier fällt mir eigentlich nur ein, noch einmal zu wiederholen, was wir eben schon gehört haben: Im Dienst für Gott an den Menschen werden wir unterstützt durch den "heiligen Geist", empfangen und geben "ungefärbte Liebe", ist uns das "Wort der Wahrheit" gegeben und die "Kraft Gottes" geschenkt und wir tragen die "Waffen der Gerechtigkeit" zur Rechten und zur Linken.

Nicht nur Paulus, auch alle, die seitdem und bis in unsere Tage im Dienst Gottes stehen, würden und werden uns ganz gewiss bezeugen: Am Ende überwiegen bei allen Dienerinnen und Dienern die guten Erfahrungen, die uns Sinn und eine Aufgabe in unser Leben geben, die uns jeden Tag neu versichern, wozu wir in der Welt sind und die uns neben aller Mühsal, allen Sorgen und Ängsten doch auch viel Freude schenken. Und uns wird in unserem Dienst immer deutlicher werden, dass es stimmt, was unser Herr uns in der Jahreslosung verheißt: Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig. AMEN