Predigt zum Heiligen Abend - 24.12.2011

Geeignet für Christvesper oder Christmette
(Gestaltungsmöglichkeiten: Auch auf 6 SprecherInnen zu verteilen, an 2 oder 3 Stellen durch Musik oder Lied unterbrechen, am Ende der Predigt Kerzen in der Gemeinde entzünden...)

Zur Einstimmung: Textlesung: Jes. 9, 1 - 6 (Auszug)

Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des Herrn Zebaoth.

Liebe Gemeinde!

Stellen Sie sich doch einmal vor, heute wäre eine Frau zu Gast in unserer Mitte, die damals zur Zeit der Geburt Jesu in Bethlehem lebte. Stellen wir uns weiter vor, sie stünde jetzt auf und spräche zu uns so:

Guten Abend, ihr lieben Leute hier in ........... Mein Name ist Martha. Ihr werdet von mir noch nicht gehört haben. Vor bald 2000 Jahren war ich auch in diesem Leben, in dem ihr noch seid und an dem ihr manchmal schwer tragen müsst.

Was ich heute Abend hier mache? Ausgerechnet in der Heiligen Nacht? - Ich habe eine Botschaft für euch! Gerade für euch, die ihr jetzt zu dieser Stunde hierher gekommen seid.

„Was kann uns eine wie die sagen?", werdet ihr denken? Die kommt doch aus einer ganz anderen Zeit. Die kennt doch nicht unsere Sorgen und Ängste. Die weiß doch nicht, was uns beschäftigt, wenn wir an die Zukunft denken und was noch wird, bei uns persönlich und in der Welt.

Ihr habt recht. Von eurem Leben verstehe ich nicht viel, und noch weniger von den Zeitproblemen, mit denen ihr euch herumschlagt: Klimawandel, Finanzkrise, Arbeitslosigkeit, Schwierigkeiten mit der jungen Generation, kein Sinn im Leben, Einsamkeit und Angst und was euch noch alles beschwert. Wirklich: Das war ganz anders zu meiner Zeit.

Eines aber sollt ihr wissen, ja, müsst ihr wissen, deshalb bin ich gekommen. Das hat mit dem Warten zu tun. Denn ihr wartet doch alle, nicht wahr. Und genau so habe auch ich einmal warten müssen, vor bald 2000 Jahren in Israel. Mein Mann ist Hirte gewesen, damals auf den Feldern vor Bethlehem. Über 20 Jahre lang hat er Schafe gehütet, die nicht ihm gehörten. Einen Hungerlohn bekam er dafür, zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig. Aber immer hat er gesagt: „Warte nur, Martha, eines Tages kommt einer, der sieht auch uns, der bringt uns eine Botschaft, die unser elendes Leben umkrempelt. Dann werden wir wissen, dass wir nicht vergessen sind bei Gott! Warte nur, Martha..."

Ich könnte mir denken, dass jetzt einer von uns, ein Mann aus der heutigen Zeit aufstünde und das Wort an Martha richtete:

Du hast Recht, Martha. Auch ich warte. Jetzt, wo du das sagst, weiß ich, dass ich deswegen heute Abend hierher gekommen bin. Ja, ich warte. Worauf? Nun, auf das Glück vielleicht, das tun ja sicher alle Menschen. Aber ich besonders warte auch noch auf ein Zeichen... Ja, ich bin heute hierher gekommen, weil ich gedacht habe: Ich will doch einmal sehen, ob Gott mir ein Zeichen schenkt, einen Halt, eine Hoffnung... Ich will jetzt, wo ich schon einmal davon rede, so weit gehen, dass ich es ausspreche, aber du lachst bitte nicht darüber! Ich habe vorhin beim Eintreten in diese Kirche gedacht: Gott, wenn es dich gibt und wenn dieses Weihnachten wirklich ein besonderes Fest ist und das Kind in der Krippe wirklich dein Kind, dann lass mich hier heute abend ein Wort hören, das mir ganz tief in die Seele fällt, ein Wort, das es bei mir ein wenig heller macht, denn es ist sehr dunkel in mir und ich lebe hoffnungslos und ohne rechtes Ziel. Ich wünschte mir wirklich, dass ich heute hier etwas höre und erlebe, was mir dieses furchtbare, leere Gefühl von der Seele nimmt! Ich wüsste so gern, für was ich da bin. Ich würde ihn so gern kennen, endlich erkennen, an den andere glauben können. Und ich beneide sie manchmal darum. Ja, ich warte. Wirklich, ich warte!

Jetzt hat auch eine junge Frau den Mut gefunden, ein paar Worte zu sagen:

Mir scheint, ich bin hier in guter Gesellschaft. Ich warte auch. Nein, nicht was wir den Glauben nennen, ist es, was ich suche. Den habe ich. Ich bilde mir nichts darauf ein! Ich weiß, dass ich dafür nichts kann, nichts getan habe. Ich warte...ja, auf die Liebe. - Ich merke, das hört sich an wie in den Groschenromanen: „Junges Mädchen an Weihnachten...wartet auf die Liebe..." Ich meine gar keinen Mann damit, nach dem ich mich sehne. Ich suche eine Liebe, die viel größer ist, als zwei Menschen sie sich geben können. Ich meine die Liebe... Es müsste etwas geschehen, dass die Menschen die Liebe wieder lernen. Wer kann das denn noch: An den anderen denken...nicht nur mal an Weihnachten...so ein bisschen... Nein, immer! Das müsste uns doch bewegen: Was braucht mein Mitmensch? Wonach sehnt er sich? Was wünscht er sich von mir? Was kann ich ihm geben? Was kann ich mit ihm teilen? Die Welt, die Menschen heute sind so kalt. Uns fehlt die Liebe! Uns fehlt einer, der uns das wieder zeigt, wie das geht: Sich selbst vergessen. Zurückstehen. Sich freuen, wenn ein anderer sich freut. Ich warte auf die Liebe!

Jetzt steht ein Mann in den mittleren Jahren auf:

Ich will gar nicht so hochtrabend reden: Mir fehlt ganz einfach ein Mensch! Ich bin oft sehr einsam. Dann sitze ich zu Hause und schaue gegen die Wand und warte: Am frühen Morgen, bis es Zeit ist, dass ich zur Arbeit fahren kann und abends, bis zur Zeit, ins Bett zu gehen. Am Wochenende warte ich, dass einer anruft, dass es gutes Wetter gibt und ich ein paar Schritte draußen machen kann, und ich warte, bis es wieder Sonntagabend geworden ist. Und so reiht sich Woche an Woche...wie dunkle Perlen an eine Schnur. Es gibt ihn nicht, den Menschen, der sagt, dass er auch wartet...auf mich... Es gibt ihn nicht. Heute Abend war es besonders schlimm! Ahnt ihr, was die Heilige Nacht auslöst in einem Menschen, wie ich einer bin? All die zerbrochenen Träume, die begrabene Sehnsucht, die unerfüllten Wünsche... Sie steigen herauf in solchen Nächten aus der Kammer deines Herzens, wo du sie doch so fest verschlossen glaubtest, und sie stellen sich alle vor dich hin und schweigen und sehen dich an und ihr Blick fragt: Ist noch Hoffnung? Und du möchtest weinen und den Kopf schütteln und dich verkriechen, aber wohin? Ja, ich warte. - Und ich warte doch auch nicht mehr.

Und noch eine will etwas sagen - eine ältere Dame:

Worauf ich warte, ist einer, der mir die Angst nimmt, diese scheußliche Angst, die sich immer mehr breit macht in meinem Leben, je älter ich werde! Ich denke so oft, wann wird das Leid über dich herfallen? Wann wirst du krank? Wer wird dich pflegen? Und es gibt auch an so vielen Orten Krieg auf der Welt! Wird der immer vor unseren Grenzen halt machen? Und der Hunger? Werden sich die Menschen in der dritten Welt nicht einmal holen, was wir ihnen vorenthalten? Und es ist ja auch so vieles ungerecht und schlecht und nur dem Streben nach Macht und der Gier nach Geld entsprungen. Und unsere Welt geht ja auch nach und nach vor die Hunde! Ausgebeutet ist sie, geschunden und vergewaltigt.

Wer bringt das alles zurecht? Wer sagt da ein tröstliches Wort hinein, eines, was nicht nur einlullt und beschönigt? Wer hat auch wirklich die Macht, unsere Bruchstücke überall wieder zu einem Ganzen zu verbinden? Wer wird mir diese Angst nehmen? Wer schenkt mir endlich ein wenig Ruhe und einen Schimmer von Zuversicht, dass doch noch nicht alles verloren ist - für die Welt und bei mir persönlich? Ich warte...und bin hier drinnen schon ganz krank davon!

Jetzt, nachdem keiner von uns mehr etwas sagen will, meldet sich noch einmal Martha zu Wort:

Das, worauf ihr alle wartet, ist geschehen. Damals und heute! Ihr glaubt gar nicht, wie aufgeregt mein Mann war, in jener Nacht! „Martha", hat er geschrien, als er vom Stall zurückkam, „Martha, wir haben nicht umsonst gewartet! Er ist gekommen! Der Retter, der uns erlöst aus allem Elend und von aller Furcht!" Dann hat er mir von der Botschaft des Engels erzählt und von der Freude, die ihn ergriffen hat, als er vor der Krippe dieses Kindes kniete.

Ich selbst habe diesen Jesus erst viel später kennengelernt. Das war, als er unterwegs gewesen ist zum Kreuz. Ich habe ihn da oben auf dem Hügel sterben sehen. Da habe ich gewusst, dass Gott treu ist und denen treu bleibt, die auf ihn warten: Den Armen, den Schuldigen, den Einsamen, denen die Angst haben und denen, die den Sinn ihres Lebens nicht wissen.

Das wollte ich euch heute sagen: Ihr habt nicht vergeblich gewartet! Er ist da, der euer Leben und diese ganze Welt in Ordnung bringt.

Und liebe Gemeinde, jetzt stellen wir uns vor, einer nach dem anderen, der vorhin das Wort ergriffen hat, steht noch einmal auf und spricht zu Martha und antwortet auf ihre Botschaft.
Der Mann ohne Glauben zuerst:

Soll das bedeuten, dass dieses Kind im Futtertrog das Zeichen für mich ist? Habe ich bis heute immer zu groß vom Glauben gedacht? Muss ich Gott gar nicht hinter den Wolken suchen als Herrscher und unnahbaren Himmelskönig? Ist Gott so klein geworden? Ein Arme-Leute-Kind? Dann ist der Glaube ja gar nicht mehr dieses schwierige, hohe Ding, den Schöpfer und Erhalter des Weltalls zu fassen. Dann muss ich ja nur zu einer Futterkrippe gehen und einem Kind mein Herz schenken!

Die junge Frau, die auf die Liebe wartet:

Wirklich, da ist das Vorbild, das Beispiel der Liebe, das ich immer gesucht habe! Gott gibt seinen Himmel auf! Gott steigt herab in den Dunst, die Kälte eines Viehstalls. Gott legt sich in einen Futtertrog. Wahrhaftig: Dem können wir nichts mehr hinzufügen! Da ist die Liebe greifbar geworden, zu einem Menschen geworden. Da ist der, an dem wir lernen können, was Liebe heißt, die Liebe! Dann ist mein Warten also am Ziel?

Der Mann in den mittleren Jahren, der so einsam ist:

Aber ist mir auch geholfen? Gut, die Botschaft dieser Nacht heißt schon einmal, dass Gott nun bei mir ist. Aber wo ist der Mensch, dem ich von mir erzählen kann? Wer teilt meine Freude, meine Ängste, meine Zeit? Ob es einem anderen Menschen nicht genau so geht wie mir? Ob es nicht auch andere Menschen gibt, die warten...auf mich...wie ich warte?

Die ältere Frau, die sich vor der Zukunft fürchtet:

Wenn das Gott ist, der in seine Welt kommt, dann hat er uns ja nicht vergessen! Dann sieht er ja nach ihr und nach uns... Nicht so, wie ich mir das wünsche, nicht so machtvoll und nicht so durchgreifend. Er lässt uns wohl noch gewähren. Auch gefährden und zerstören. Aber er ist schon da. Das ist gut zu wissen. Sehr gut. Dann wird wohl nichts geschehen, wovor ich wirklich Angst haben müsste.

Und noch einmal steht Martha auf:

Das, worauf ihr alle gewartet habt, ist geschehen! Aber denkt doch, wie es damals war, bei meinem Mann und mir. Im Stall hat Gott ja erst angefangen! Jahre später erst vollendet er an einem Kreuz, was er für uns tun wollte: Dass er uns frei macht von Angst, Schuld und vom Tod. Das Warten ist noch nicht vorbei! Es muss noch ganz wahr und wirklich werden, wie Gott euch erlöst! Aber der Anfang ist gemacht. Ihr müsst Geduld haben. Aber Gott erfüllt, worauf wir warten. Das wollte ich euch sagen. Deshalb bin ich gekommen.

„Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht...denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er's stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit." AMEN