Predigt zum Sonntag "Okuli"   -   27.3.2011

Textlesung: Mk. 12, 41 - 44

Und Jesus setzte sich dem Gotteskasten gegenüber und sah zu, wie das Volk Geld einlegte in den Gotteskasten. Und viele Reiche legten viel ein. Und es kam eine arme Witwe und legte zwei Scherflein ein; das macht zusammen einen Pfennig. Und er rief seine Jünger zu sich und sprach zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben. Denn sie haben alle etwas von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte.

Liebe Gemeinde!

Ich bin eigentlich ganz sicher, die Jünger hatten etwas anderes erwartet, als Jesus sie zu sich ruft. Etwas anderes als einen Hinweis auf eine bettelarme Frau, die zwei der kleinsten Münzen, die es damals gab, in den Kollektenkasten gelegt hatte. Vielleicht dachten sie, Jesus würde ihnen einen reichen Kaufmann zeigen, der gerade ein Goldstück gespendet hatte. Oder ein Mitglied aus dem Hohen Rat, das so viel in den Gotteskasten getan hatte, wie ein Handwerker im Monat verdiente. Aber es ist nur eine arme Witwe mit ihrer ganz und gar unbedeutenden Gabe! Was war das denn schon: zwei Scherflein!?

Aber sie müssen sich das anhören: "Diese arme Witwe hat mehr in den Gotteskasten gelegt als alle, die etwas eingelegt haben. Denn sie haben alle etwas von ihrem Überfluss eingelegt; diese aber hat von ihrer Armut ihre ganze Habe eingelegt, alles, was sie zum Leben hatte." Aber ob die Jünger so ganz begriffen haben, was Jesus ihnen sagen will? Eins war doch klar: Mit dem, was die Reichen gaben, konnte viel mehr Gutes getan werden, als mit dem Opfer der Witwe! Und das sah doch auch ganz anders aus, wenn im Opferkasten Gold- und Silbermünzen lagen!

Liebe Gemeinde, da möchte ich jetzt einmal Sie fragen: Wie denken Sie zum Opfer der armen Frau und den Spenden der Reichen? - - - Ich bin ganz sicher, dass Sie Jesu Anliegen verstehen! Es geht ja doch gar nicht so sehr um die Höhe der Spende! Es geht (wie schon an den letzten beiden Sonntagen) um Glauben und Gottvertrauen. Die Reichen, so viel sie auch in den Kasten legen, geben doch eigentlich nichts von ihrer Sicherheit und ihrer Lebensqualität auf. Die arme Witwe dagegen gibt alles her und sich selbst ganz in die Hand Gottes. Die Reichen haben weiter genug, um gut und ohne Sorgen zu leben. Die Witwe hat nichts mehr und ist nun ganz auf Gott angewiesen: Wenn er sie nicht ernährt und erhält, dann muss sie sterben.

Wir wollen nun nicht weiterfragen, ob das Verhalten der Witwe denn vernünftig ist und ob sie Gott damit nicht eigentlich versucht oder ob sie gar ihr Leben bewusst wegwerfen wollte. Mir ist über diesen Versen eine ganz andere Frage wichtig geworden, die sonst beim Lesen und Hören dieser Geschichte "Vom Scherflein der Witwe" eher ungefragt und unbesprochen bleibt.

Aber bevor ich verrate, was ich hier meine, noch ein paar Gedanken, die uns zu dieser Frage führen sollen: Ja, wir verstehen, was Jesus uns sagen will: "Schaut euch dieses Vertrauen zu Gott an! Alles gibt die arme Frau her, nichts bleibt ihr mehr zum Leben - aber sie weiß es ganz gewiss: Unser himmlischer Vater wird sie nicht umkommen lassen! Wie er die Lilien auf dem Feld mit allem ausstattet, wie er den Sperlingen ihr Futter gibt, so wird er auch für diese arme Frau sorgen!" Und sicher könnte Jesus auch noch hinzufügen: "Nehmt euch ein Beispiel an ihr!" Und damit würde er nicht nur die Jünger, sondern auch uns meinen!

Aber - und da wollen wir jetzt einmal ganz ehrlich sein! - einmal würde es uns sehr schwer fallen, es der Witwe gleichzutun! Oft ist ja nicht einmal das wirklich viel, was wir - wenn wir uns mit der Witwe vergleichen - aus unserer Fülle geben, geschweige denn, dass es ein echtes Opfer bedeutet! Zum andern aber haben wir es auch grundsätzlich lieber mit denen zu tun, die hier "die Reichen" genannt werden!

Wessen Nähe suchen wir denn bei einer Familienfeier? Die des schwarzen Schafs der Familie, dem nichts, aber auch gar nichts gelingt, dessen Ehe gescheitert ist und der neulich sogar noch seine Arbeit verloren hat - oder die des reichen Onkel Hermann, der einen gut gehenden Betrieb leitet, eine große Villa bewohnt, ein dickes Auto fährt, zwei-, dreimal im Jahr Urlaub in einem spanischen Nobelort macht und der auch Einiges zu vererben hat?

Wen würden die Frauen unter uns als ihr Vorbild bezeichnen: Eine gefragte und gut verdienende Schauspielerin, die eigentlich nicht mehr bietet, als äußerliche Schönheit und nicht mehr für andere Menschen tut, als Filme zu drehen, die dann viele sehen wollen oder die ältere Frau aus unserer Straße, die sich für ihre pflegebedürftige Nachbarin - ohne Bezahlung! - täglich stundenlang abrackert?

Und wie sieht es bei den Männern aus? Wer entspricht eher unserem Ideal: Der gefeierte Rennfahrer, der viele Millionen verdient, der - was er zugegeben gut kann! - eigentlich nur seinen Beruf ausübt und oft genug nur durch Glück und das Pech der anderen auf die vorderen Plätze gekommen ist oder der junge Mann aus der Nachbarschaft, der gerade Elternzeit macht und auf diese Weise ernst nimmt, dass er der Vater seines Kindes ist und die Chance nutzt - auch wenn er für ein halbes Jahr weit weniger Einkommen hat - mit seinem Kind eine echte Beziehung aufzubauen? - Ich glaube, die Wahl fiele auf die Schauspielerin und den Rennfahrer! Dabei stört es uns auch gar nicht, dass beide nicht einmal in Deutschland ihre Steuern zahlen!

Ich könnte noch viele Beispiele dafür geben, dass wir immer mehr denen zugeneigt sind, die reich sind, berühmt und die zur Prominenz zählen. Zu den armen Schluckern, den Menschen, die - oft auch noch durch ihre eigene Entscheidung! - mehr im Schatten leben, fühlen wir uns nicht so hingezogen!

Aber - und das ist ein seltsamer Widerspruch - insgeheim wissen wir auch hier, wie wir es bei der armen Witwe wissen, diese Menschen im Schatten, diese armen Schlucker, die mehr im Hintergrund leben und dort anderen Menschen dienen, tun das Richtige, das Nötige und das, was unsere Gesellschaft und die Gemeinschaft, in der wir leben, wirklich braucht - mehr braucht als die Filme der Schauspielerin und die Erfolge des Rennfahrers!

Und hier kommen wir jetzt auch zu der meist unbesprochenen Frage, die uns die Geschichte vom Scherflein der Witwe auch stellt. Sie lautet: Wie halten wir's mit der Solidarität mit denen, die unter uns und oft auch für uns ein so wichtiges Beispiel geben, so wesentliche Arbeit tun und anderen so selbstlos helfen? Denken wir doch nur nicht, diese Menschen hätten ja schon das schöne Bewusstsein, in einer wertvollen Arbeit zu stehen, vorbildlich zu handeln und den Dank der Menschen, die sehen oder von dem profitieren, was sie tun. Es ist vielmehr oft gerade so, dass sie Ablehnung erfahren, dass keiner sieht oder sehen will, wie sie anderen dienen und dass ihnen eben niemand dankt, nicht einmal die, die am meisten Hilfe von ihnen bekommen!

Haben die Jünger wohl zu der armen Witwe gesprochen: "Das ist wirklich sehr schön und nachahmenswert, dass du so viel Vertrauen zu unserem Vater im Himmel aufbringst!" Und hört die Frau, die sich so für ihre kranke Nachbarin aufopfert, von uns ein ermutigendes Wort, etwa so eines: "Ich finde es beeindruckend, wie sehr Sie sich für ihre Mitmenschen einsetzen. Ich wünschte mir die Kraft, es Ihnen gleichtun zu können!" Schließlich wird auch kaum einer die Entscheidung des jungen Vaters für sein Kind und die Elternzeit einmal ehrlich anerkennen. Eher wird man ihm Dinge sagen, die ihn verunsichern und Zweifel daran aufkommen lassen, ob es richtig war, wozu er sich entschieden hat.

Noch einmal: Hier geht es auch um Solidarität. Hier geht es um Ermutigung, darum, dass Menschen bestärkt werden in dem, was sie an Vorbildlichem tun, dass sie spüren, es ist richtig, ich bin nicht allein, andere würden mir gern folgen in dem, was ich tue ...

Ich bin überzeugt, wenn dieses solidarische Denken, Reden und Handeln unter uns häufiger und ausgeprägter wäre, dann würden es viel mehr Menschen wagen, das Gute, was ja oft genug auch das Christliche ist, zu tun. Und diese Solidarität wäre auch die angemessene Würdigung der guten Taten und der schuldige Dank an die Menschen, die sich für die Sache Jesu Christi oder der Gemeinschaft stark machen. Wie von selbst würde es dann auch uns leichter fallen, dem Vorbild solcher Menschen nachzueifern. Wie gut täte das unserer Gesellschaft! -

"Schaut euch dieses Vertrauen zu Gott an! Alles gibt die arme Frau her, nichts bleibt ihr mehr zum Leben - aber sie weiß es ganz gewiss: Unser himmlischer Vater wird sie nicht umkommen lassen! Nehmt euch ein Beispiel an ihr!" AMEN