Predigt zum Sonntag "Reminiszere" - 20.3.2011

Textlesung: Mt. 12, 38 - 42

Da fingen einige von den Schriftgelehrten und Pharisäern an und sprachen zu ihm: Meister, wir möchten gern ein Zeichen von dir sehen. Und er antwortete und sprach zu ihnen: Ein böses und abtrünniges Geschlecht fordert ein Zeichen, aber es wird ihm kein Zeichen gegeben werden, es sei denn das Zeichen des Propheten Jona. Denn wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein. Die Leute von Ninive werden auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen; denn sie taten Buße nach der Predigt des Jona. Und siehe, hier ist mehr als Jona. Die Königin vom Süden wird auftreten beim Jüngsten Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen; denn sie kam vom Ende der Erde, um Salomos Weisheit zu hören. Und siehe, hier ist mehr als Salomo.

Liebe Gemeinde!

Bevor wir jetzt der Frage nachgehen, warum Jesu fromme Zeitgenossen denn ein "böses und abtrünniges Geschlecht" genannt werden, fragen wir lieber uns, ob wir nicht auch immer wieder von Gott ein Zeichen fordern. Darum nämlich geht es hier. Und das - eben ein Zeichen - verweigert Jesus den Pharisäern und Schriftgelehrten. Was aber ist so schlimm daran?

Denken wir einmal an unsere menschlichen Beziehungen:

- Da hat es ein junger Mann der von ihm ehrlich geliebten Frau immer wieder versichert: "Ich liebe dich mehr als alles in der Welt!" Sie aber glaubt ihm nicht. Vielleicht sagt sie das auch nur, jedenfalls spricht sie immer wieder davon, er müsse ihr das beweisen: "Wenn du mich wirklich liebst, dann zeig' es mir!" Wie der junge Mann das anstellen soll, sagt die Frau allerdings nicht.

Wir, wenn wir das jetzt hören, denken gewiss auch bei uns: Wie soll man Liebe beweisen? Auch wenn der junge Mann seiner Geliebten ganz teure Geschenke machen oder für sie irgendeine große Tat vollbringen würde - den letzten Zweifel an seiner Liebe könnte das nicht ausräumen! Immer weiter wird sie sagen können: "Das ist nicht genug. Ich kann dir nicht glauben. Du musst mir einen größeren Beweis geben, dass du mich liebst."

Der junge Mann hat dieselben Gedanken. Er fragt sich: Was soll ich denn nur tun, dass sie mir meine Liebe glaubt? Wie soll meine Liebe denn beweisen? - So wird die Beziehung wahrscheinlich zerbrechen. Hätte die Frau doch nur ein wenig Vertrauen aufgebracht, dann hätte die Liebe selbst sich als echt und ehrlich erwiesen!

- Da hat eine Frau ihrer Freundin gegenüber schwere Schuld auf sich geladen. Sie hat etwas weitererzählt, worüber sie Stillschweigen bewahren sollte. Und sie hatte doch hoch und heilig versprochen, niemandem davon zu sagen. Der Freundin hat der Wortbruch sehr geschadet und sie war bitter enttäuscht und hat die Freundschaft beendet.

Lange hat die Frau nun über ihr Verhalten nachgedacht. Sie bereut, dass sie weitergesagt hat, was sie doch hätte für sich behalten müssen. Jetzt hat sie wieder Kontakt mit der ehemaligen Freundin aufgenommen, ihr gesagt, dass es ihr leid tut, um Verzeihung gebeten und ihr versichert, dass so etwas nie mehr vorkommen wird. Aber die ehemalige Freundin entgegnet ihr nur: Wie soll ich wissen, ob du nicht bei nächster Gelegenheit wieder weitererzählst, was ich dir anvertraut habe? Mit einer Entschuldigung allein ist es nicht getan, du musst mir das schon beweisen, dass du heute anders über die Sache denkst und zukünftig nichts mehr ausplauderst.

Auch hier denken wir jetzt: Wie soll die Frau das machen? Was kann schon beweisen, dass man sich geändert hat, wenn die anderen doch keine Beziehung mehr mit uns wollen? - So kann die Freundschaft wohl nicht mehr gekittet werden. Bei der Freundin fehlt das Vertrauen, das es der anderen erst möglich gemacht hätte, zu beweisen, dass sie sich geändert hat.

Liebe Gemeinde, ich könnte noch viele Beispiele dafür bringen, die es deutlich zeigen: Es gibt Dinge, die kann man nicht beweisen: Die Liebe gehört dazu. Die Freundschaft und die Treue. Und der Glaube und das, worauf er sich verlässt - und darum eben geht es in den Versen, die wir heute betrachten, in denen die Pharisäer und Schriftgelehrten das von Jesus fordern: "Meister, wir möchten gern ein Zeichen von dir sehen." Und auch hier, wenn wir dem nachdenken, werden wir zu dem Schluss kommen: Jesus hätte hier tun können, was er nur wollte - geglaubt, dass er von Gott kommt, hätten sie ihm nicht! Dass er Kranke geheilt hatte, wussten sie ja schon! Dass er Wasser zu Wein verwandeln konnte, hatten sie auch gehört. Dass selbst Tote von ihm zurück ins Leben gerufen worden waren, war ihnen auch bekannt. Was also hätte Jesus noch an Wundern und Zeichen vollbringen sollen, dass sie ihm geglaubt hätten, dass er Gottes Sohn war?

Jesus verweist nur auf ein Zeichen - aber das steht noch aus: "... wie Jona drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches war, so wird der Menschensohn drei Tage und drei Nächte im Schoß der Erde sein." Aber er erwähnt gar nicht das eigentliche Zeichen: Dass er danach auferstehen wird! Warum? Wohl darum, weil es aussichtslos ist, den Pharisäern und Schriftgelehrten dieses Zeichen glaubhaft zu machen! Ihnen fehlt einfach eins - und damit kommen wir zum Kern und zur Mitte dieser Verse - ihnen fehlt Vertrauen!

Und es ist schon hart, wenn Jesus jetzt von den Leuten von Ninive spricht, den Bewohnern einer verruchten, heidnischen Stadt, die aber doch nach der Predigt des Jona zur Buße gefunden haben. Und es war gewiss ein ungeheuerlicher Angriff auf die frommen Juden, die ihn um ein Zeichen gebeten hatten, wenn er ihnen die heidnische Königin von Saba als leuchtendes Beispiel hinstellt, die Vertrauen in die Weisheit Salomos aufgebracht hatte.

Aber kehren wir zu uns zurück: Wie in der Liebe und der Freundschaft geht es auch im Glauben um das Vertrauen. Und dieses Vertrauen kommt nicht durch machtvolle Zeichen zustande. Dieses Vertrauen fordert auch keine Zeichen, weil es weiß, es muss selbst immer den ersten Schritt machen! Vertrauen, das nach Beweisen und Sicherheiten fragt, ist schon kein Vertrauen mehr. Vertrauen kommt dem anderen entgegen und denkt so lange nicht schlecht von ihm, bis er mir bewiesen hat, dass er meinen Vertrauensvorschuss nicht verdient. Aber oft ist es auch umgekehrt: Weil ich dem anderen Vertrauen entgegengebracht habe, enttäuscht er mich eben nicht, sondern kann mein Vertrauen rechtfertigen. Und ich habe eben bewusst gesagt: Weil ich dem anderen Vertrauen entgegengebracht habe ... Das Vertrauen selbst stärkt auch den, dem ich vertraue. Vielleicht stand es ja auf der Kippe, wie er sich verhält? Vielleicht hat er überlegt, ob er wirklich tun soll oder kann, was ich ihm zutraue. Durch mein Vertrauen aber habe ich ihn ermutigt, sich so zu verhalten, wie ich es von ihm erhofft und erwartet habe. Durch mein Vertrauen ist er über sich hinaus gewachsen und wurde ... meines Vertrauens würdig! Liebe Gemeinde, wie wichtig ist es, den Menschen zu zeigen, dass man ihnen vertraut!

Gewiss, hier kommt Ihnen auch der Einwand in den Sinn: Aber ist das denn nicht ein großes Risiko, dieses vielleicht ungerechtfertigte Vertrauen aufzubringen? - Mir fallen dazu zwei Dinge ein, die ich sagen möchte: Einmal geht es den anderen Menschen mit uns ja genauso! Auch bei uns wissen sie schließlich nicht, ob sie uns wirklich vertrauen können und müssen es riskieren. Aber das zweite ist noch wichtiger: Einem Mitmenschen nicht zu vertrauen, deutlicher: ihm zu misstrauen, kann und wird - wenn er mein Vertrauen eigentlich verdient hatte! - bei ihm sehr viel mehr Schaden anrichten, als bei mir, wenn er mich enttäuschen sollte. - Denken Sie einen Augenblick an die letzte Situation in Ihrem Leben, in der Sie das ungerechtfertigte Misstrauen eines Mitmenschen gespürt haben! - - -

Noch eins muss hier unbedingt noch angesprochen werden - und da sind wir wieder zurück bei der Forderung der Pharisäer und Schriftgelehrten nach einem Zeichen: Wenigstens beim Glauben gibt es ja - wohl kein beglaubigendes Zeichen - aber doch Hilfen, die uns das Vertrauen leichter machen: Kennen Sie nicht auch Menschen, von denen Sie zunächst nicht gedacht hätten, dass sie gläubig sind? Ich denke da an schwer Behinderte oder auf andere Weise Leidende, Menschen auch, die durch furchtbare Schicksalsschläge gebeutelt oder durch einen sehr frühen Abschied in tiefe Trauer gestürzt worden sind. Wie kommt das denn nur, dass diese Menschen am Glauben festhalten können? Wie ist das möglich, dass sie über ihrem Leid nicht ihr Vertrauen ein für allemal wegwerfen? Ja, es ist doch geradezu so, dass den gläubigen Menschen von Gott oft besonders schwere Lasten auferlegt werden, Lasten, von denen wir meinen, die könnten wir niemals tragen! Diese Menschen aber tragen sie und geben ihren Glauben und ihr Vertrauen zu Gott nicht auf! - Wie gesagt: Zeichen sind das nicht, aber doch bedenkenswerte Hilfen dazu, es auch selbst beharrlich mit dem Vertrauen zu wagen!

Ein letztes: Geben auch wir uns mit dem Zeichen des Jona zufrieden! Es ist ja nicht wenig, einen Herrn zu haben, der durch sein Leiden und Sterben am Kreuz Hölle, Tod und Teufel besiegt und uns das Ewige Leben verdient hat. Wir wollen zu ihm Vertrauen haben und auch unseren Mitmenschen vertrauensvoll begegnen. AMEN