Predigt zum Sonntag "Septuagesimä" - 20.2.2011

Textlesung: Lk. 17, 7 - 10

Wer unter euch hat einen Knecht, der pflügt oder das Vieh weidet, und sagt ihm, wenn der vom Feld heimkommt: Komm gleich her und setz dich zu Tisch? Wird er nicht vielmehr zu ihm sagen: Bereite mir das Abendessen, schürze dich und diene mir, bis ich gegessen und getrunken habe; danach sollst du auch essen und trinken? Dankt er etwa dem Knecht, dass er getan hat, was befohlen war? So auch ihr! Wenn ihr alles getan habt, was euch befohlen ist, so sprecht: Wir sind unnütze Knechte; wir haben getan, was wir zu tun schuldig waren.

Liebe Gemeinde!

Ganz schön hart, diese Verse! Da hat man zu kauen. Es fällt uns schwer, hier denselben Jesus zu erkennen, der die Mühseligen und Beladenen zu sich ruft, um sie zu erquicken. Nein, "erquicklich" ist das nicht: Ihr seid unnütze Knechte! Aber ist es denn wenigstens gerecht und richtig, so zu den Knechten (und Mägden) zu reden?

Erzählen wir die Geschichte einmal für uns und unsere Zeit:

Da ist das Kind in der Schule gewesen und hat sechs Stunden Unterricht gehabt. Daheim angekommen, sind die Schulaufgaben dran. Zwei weitere Stunden. Dann sind noch die Pflichten zu erledigen: Den Hund ausführen, das Zimmer aufräumen, die Akkordeonstunde ... Wird die Mutter am Abend sagen: Heute warst du aber ganz besonders fleißig? Wird sie loben, ja, wird sie überhaupt etwas von dem erwähnen, was das Kind an diesem ganz normalen Tag getan hat?

Die Mutter selbst hat vielleicht am selben Tag noch die Fenster geputzt und den Teppich gereinigt - zu ihrer üblichen täglichen Hausarbeit! Wird der Mann, wenn er am Abend nach Hause kommt, bemerken, dass die Fenster sauber sind? Wird ihm am Teppich etwas auffallen? Und wenn, wird er dann so sprechen: Nein, was hast du dir wieder für eine Mühe gemacht!?

Und schauen wir noch nach dem Vater: Der hat nämlich acht Stunden an einer Maschine gestanden und ist rechtschaffen müde. Ärger mit den Kollegen hat's auch gegeben, den muss er jetzt verdauen. Die eine oder andere Sache im Haus oder Garten wartet auch noch, dass er sich mit ihr beschäftigt. Werden Frau und Kinder am Abend herausstellen, was er doch für ein guter und gewissenhafter Mensch ist. Werden sie ihm dafür danken?

Gewiss freuen wir uns, wenn uns einer lobt, wenn einem Angehörigen ein gutes Wort herausrutscht, wenn ein Mitmensch Dankeschön sagt. Aber erwarten können wir das nicht. "Wenn wir alles getan haben", was uns aufgetragen war, dann sollen wir sprechen ... ja, heute vielleicht nicht gerade: "wir sind unnütze Knechte", aber: Das war doch selbstverständlich, was wir getan haben! Klingt es jetzt immer noch so hart, wenn Jesus diese Geschichte erzählt? Und vergessen wir nicht, in seinem Beispiel handelte es sich um Sklaven! Das waren keine Familienangehörigen, die mehr oder weniger freiwillig gearbeitet haben. Soll sich der Herr etwa bei denen bedanken? Können die irgendwelche Beachtung ihrer schuldigsten Pflicht erwarten? Mehr als selbstverständlich ist doch ihr Dienst, nicht wahr? Eine Selbstverständlichkeit ist es auch, dass der Herr sich bedienen und aufwarten lässt.

Wenn wir hier mit dem Kopf nicken und ja sagen müssen, dann hat uns Jesus, wo er uns haben will: Im Verhältnis vom Herrn zum Knecht ist Dienen und Bedientwerden nämlich ganz selbstverständlich. Da gibt es keinen Anspruch auf Lohn oder Dank, wenn einer seine Pflicht tut. Der eine ist eben der Herr, der andere ist der Sklave oder Untergebene!

Und jetzt kommt die Frage, die Jesus uns damit stellen will: Warum gilt das alles nicht in eurem Verhältnis zu Gott? Warum ist da nicht auch selbstverständlich, dass ihr tut, was ihr schuldig seid? Und warum erwartet ihr, wenn ihr es tut, Dank oder gar Lohn?

Ich nehme an, dass sich jetzt jeder überlegt, ob das denn für ihn gilt und stimmt. Ich will einmal ein paar Beispiele geben, an denen wir uns und unsere Beziehung zu Gott überprüfen können:

Denken wir doch einmal an diesen Gottesdienst. Die meisten wissen ja sicher, dass mit diesem Namen schon etwas anderes gemeint ist, als wir oft darunter verstehen: Gottes-dienst ... Gott dient ja eigentlich uns! Aber tun wir doch einmal so, als wäre es umgekehrt gemeint: Als hieße Gottes-dienst, dass wir einen Dienst für Gott tun, als wäre diese Stunde in der Kirche am Sonntagmorgen unsere schuldige Pflicht unserem Gott gegenüber. Merken Sie, worauf ich hinaus will? Bilden wir uns nicht doch eine Menge ein auf diese Stunde, dieses Opfer an Zeit, an Schlaf und sonst noch was. Meinen wir nicht auch ganz tief drinnen in unserem Herzen, es müsste Gott gefallen, dass wir hierher gekommen sind? Er müsste uns das anrechnen und im Gedächtnis behalten. Ja, glauben wir nicht insgeheim sogar, er müsste uns das doch lohnen ... denn immerhin: wer geht heute schon noch zur Kirche? Wie viele sieht man niemals hier - wie oft aber uns! Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben: Wir haben in unserem fragwürdigen Dünken und Denken alles herumgedreht! Nicht wir haben Gott zu danken - wenigstens indem wir am Sonntag sein Wort "gerne hören und lernen" (Zitat aus Luthers Erkl. zum 3. Gebot), nein, wir bilden uns ein, er müsste uns dankbar sein, wenn wir in seine Kirche kommen. Nicht er ist also der Herr, wir belohnen Gott durch unser Erscheinen! Welch eine Sicht!

Beim Beten verhalten wir uns oft ganz ähnlich: Wenn wir lange genug um dieses oder jenes gebetet haben, dann werden wir ungeduldig. Wir räumen Gott noch eine kleine Nachfrist ein, aber dann ...! Dann muss er uns doch erhören! Dann muss er uns doch geben, was wir begehren! Was passiert hier eigentlich? Der Herr wird von seinen Knechten unter Druck gesetzt: Wenn du mir nicht endlich tust, was ich von dir haben will, dann ... stelle ich mein Beten ein! Es nützt ja doch nichts. Es ist ja vergeblich. - Die Knechte (und Mägde) wollen besser wissen, was richtig wäre. Wir schreiben unserem Herrn vor, was er für uns zu tun hat. Wir verweigern den "Dienst" des Betens, wenn der Herr nicht "funktioniert", wie wir es wünschen. Welch ein Hochmut!

Unser ganzer Glaube hat viel von dieser verkehrten Haltung! Wenn wir Gottes Willen tun, dann soll aber auch etwas herausspringen. Wenn wir Nächstenliebe üben, dann ist das doch gewiss eine besondere Leistung! Wenn wir uns gehorsam gegen Gottes Wort erweisen, dann muss das doch besonderen Lohnes wert sein! Wenn wir ... Immer wieder werden wir an uns diese Haltung entdecken! Wenn nicht, dann gehören wir gewiss zu den wenigen Ausnahmen - oder wir sind einer Täuschung erlegen!

Mich persönlich trifft dieses Wort Jesu wie ein Pfeil: Wenn ihr alles getan habt, was euch aufgetragen war, dann sollt ihr sprechen: Wir sind unnütze Knechte! Mir wird daran schmerzlich deutlich, wie berechnend ich oft bin, wie viel Anmaßung oft in meinem Denken ist und wie wenig ich Gott wirklich meinen Herrn sein lasse!

Müsste ein Knecht seinem Herren nicht gern und freudig dienen? Dem Herrn zumal, der ihm das Leben gegeben hat, der ihn erhält, der ihn mit einem ewigen Leben beschenken will? Wird eine gute Magd - nachdem ihr schon so viel geschenkt ist - sich noch jeden Handgriff extra bezahlen lassen? Wird der Knecht sich einen Lohn für jede seiner Taten ausrechnen? Wird die Magd bei der Stunde am Sonntag meinen: Was bin ich doch für ein guter Mensch! Ich folge dem Ruf meines Herrn! Können wir uns wirklich mit dem Hinweis auf die schlafenden Mitknechte und -mägde brüsten, die die Einladung ihres Gottes missachten?

Müssten wir als rechte Knechte und Mägde nicht auch anders beten?: Mein Gott, ich bitte dich um dieses und das ..., ich wünsche mir, dass du mir schenkst, dass du mir erfüllst ... Aber müsste nicht jedes Gebet so schließen: Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe! Und nicht, weil ich ja doch nichts an Gottes Willen ändern kann, sondern weil ich von diesem Gott doch weiß und glaube, dass er's gut mit mir meint, dass er mich liebt und schon alles für mich getan hat, was in Ewigkeit zählt. Müsste mein Gebet nicht von einem Grundton des Vertrauens durchzogen sein, weil ich doch weiß, wie gütig dieser Herr ist, wie wertvoll und lieb ich ihm bin.

Müssten wir in unserem Glaubensleben nicht jeden Lohngedanken abtun? Ist der Wille des Herrn, ja, nicht nur das Beste für uns, sondern auch das selbstverständlichste Maß unseres Dienens? Ist unsere Liebe zum Mitmenschen wirklich irgendwie verdienstlich? Tun wir nicht nur ihm, wie unser Herr schon längst davor uns getan hat? Mit welcher Begründung soll denn dabei ein Extra-Lohn herausspringen? Und wenn wir gehorsam sind, wollen wir wirklich darüber diskutieren, ob Knechte und Mägde tun, was ihr Herr von ihnen fordert?

Wenn wir gegenseitig unser oft sehr schweres Tagwerk in Arbeit und Beruf schon so wenig beachten und würdigen, wenn wir uns gegenseitig so wenig danken, wenn unser Tun füreinander doch so selbstverständlich ist - wie viel mehr ist unser Dienst vor Gott selbstverständlich und eigentlich keines Dankes und schon gar keines Lohnes wert!

Übrigens: Wenn wir künftig nach einem Beispiel und Vorbild für einen "guten Knecht" suchen ... Jesus Christus selbst hat uns dieses Beispiel gegeben: Er entäußerte sich selbst ... er erniedrigte sich und nahm Knechtsgestalt an ... er war gehorsam bis zum Tode, ja, zum Tode am Kreuz! Diese Worte aus dem Philipperbrief (Phil. 2,5-11) beginnen übrigens so: "Ein jeglicher sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war!" AMEN