Predigt zum 3. Adventssonntag - 12.12.2010

Textlesung: Lk. 3, 1 - 14

Im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter in Judäa war und Herodes Landesfürst von Galiläa und sein Bruder Philippus Landesfürst von Ituräa und der Landschaft Trachonitis und Lysanias Landesfürst von Abilene, als Hannas und Kaiphas Hohepriester waren, da geschah das Wort Gottes zu Johannes, dem Sohn des Zacharias, in der Wüste.

Und er kam in die ganze Gegend um den Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden, wie geschrieben steht im Buch der Reden des Propheten Jesaja (Jesaja 40, 3 - 5): „Es ist eine Stimme eines Predigers in der Wüste: Bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige eben! Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden; und was krumm ist, soll gerade werden, und was uneben ist, soll ebener Weg werden. Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen."
Da sprach Johannes zu der Menge, die hinausging, um sich von ihm taufen zu lassen: Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken. Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; jeder Baum, der nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.

Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir denn tun? Er antwortete und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso.

Es kamen auch die Zöllner, um sich taufen zu lassen, und sprachen zu ihm: Meister, was sollen denn wir tun? Er sprach zu ihnen: Fordert nicht mehr, als euch vorgeschrieben ist!

Da fragten ihn auch die Soldaten und sprachen: Was sollen denn wir tun? Und er sprach zu ihnen: Tut niemandem Gewalt oder Unrecht und lasst euch genügen an eurem Sold!

Liebe Gemeinde!

Es sind keine so angenehmen Verse, die wir da eben gehört haben. Wir wünschten uns, sie stünden nicht in der Bibel und wenn schon, dass wir sie nicht ausgerechnet in dieser milden Zeit des Advents hören müssten. Vor Karfreitag zum Beispiel würde diese Geschichtet von Johannes dem Täufer viel besser passen ... meinen wir. Und so haben wir eben beim Hören der Verse auch ganz schnell Gedanken der Abwehr und Verteidigung gesucht ... und gefunden. Vielleicht haben wir gedacht: Wir leben schließlich in einer ganz anderen Zeit, nicht in der des Herodes, des Kaiphas und eines Hannas. Kaum wussten wir ja von den beiden letztgenannten, wer sie waren und wo sie hingehören. Außerdem spielt die Geschichte ja auch in einem ganz anderen Land: in der Gegend „um den Jordan" ... Und schließlich sind wir auch keine Zöllner oder Soldaten und so eine harte Rede mit solchen Bezeichnungen wie „Schlangenbrut" und solche Drohungen, dass uns sozusagen „die Axt schon an die Wurzel gelegt wäre", haben wir auch nicht verdient.

Da ist sicher etwas dran. Aber so ganz von der Geschichte abwenden, können wir uns darum wohl auch nicht. Nehmen wir doch einmal diese Frage und die Antwort des Johannes: „Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir denn tun? Er antwortete und sprach zu ihnen: Wer zwei Hemden hat, der gebe dem, der keines hat; und wer zu essen hat, tue ebenso." Da können wir uns doch wohl nicht herauswinden und sagen, es ginge uns nichts an! Wobei auch diese Antwort in unsere Zeit übertragen werden müsste. Da wäre dann nicht von „Hemden" die Rede und nicht nur vom „Essen", sondern es hörte sich vielleicht so an: Wem im Leben Gutes widerfahren ist, wer im Wohlstand lebt und wer Glück genießen darf, der vergesse die Schwachen in der Gesellschaft nicht, die armen Mitmenschen, die ohne Schuld keine Arbeit haben, die Hartz IV-Empfänger sind oder deren Gesundheit nicht gut ist oder die eine Behinderung haben. Wohlstand, gar Reichtum, Freude und Glück und der Platz auf der Sonnenseite des Lebens sind immer auch Verpflichtung: Nach Kräften denen abzugeben, die wenig oder gar nichts haben, sich für die einzusetzen und für die zu sprechen, die im Schatten sind, ihre Lebenschancen zu verbessern, ihre Not zu lindern und wo immer wir das können, mit ihnen zu teilen, was wir doch reichlich und übrig haben und sehr gut entbehren können.

Nicht wahr, liebe Gemeinde, das ist doch schon einmal etwas, was wir aus diesen Versen für uns herausnehmen und beherzigen könnten! Aber da ist noch mehr - hinter den sicher recht harten Worten:

„Ihr Schlangenbrut, wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet? Seht zu, bringt rechtschaffene Früchte der Buße; und nehmt euch nicht vor zu sagen: Wir haben Abraham zum Vater. Denn ich sage euch: Gott kann dem Abraham aus diesen Steinen Kinder erwecken." - Was das nun mit uns zu tun hat, fragen Sie? Hier geht es um dieses Gefühl, das uns auch immer wieder beschleicht, rechtschaffen zu sein vor Gott. Aus diesem Gefühl kommen - auch bei uns! - dann solche Gedanken: Ich bin doch eigentlich ganz in Ordnung und Gott kann doch sicher sehr zufrieden mit mir sein. Und diese Gedanken gehen so weiter: Ich habe mich ja aber auch bemüht, bin fleißig und strebsam gewesen und habe es deshalb auch zu einem gewissen Wohlstand gebracht. Und ein guter Kirchgänger bin ich eigentlich auch! Und meinen Glauben habe ich, den wird mir auch keiner nehmen! - Was daran nun falsch sein soll, fragen Sie? Es ist die Sicherheit, die sich hier ausdrückt - aber nicht nur, es ist auch dieses übersteigerte Selbstvertrauen. Und beides prangert auch schon Johannes an: „Wer hat denn euch gewiss gemacht, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?" Das hat er damals den Juden vorgehalten. Uns würde er vielleicht sagen: Was macht euch denn eigentlich so sicher, dass Ihr mit Gott im Reinen seid? Wenn man euch selbst anhört, dann sind es nur eure Mühen, eure Arbeit, eure Strebsamkeit. Und natürlich euer Glaube! Aber - so würde er weiter sprechen - woher ist denn das alles? Aus euch? Habt ihr das wirklich selbst hervorgebracht? Oder ist nicht die Kraft, die hinter eurem Bemühen steht, von Gott geschenkt? Sind nicht die Stärke eurer Arme, die Schärfe eures Geistes, die sich in eurer Arbeit zeigen, auch Gaben Gottes? Und dass ihr überhaupt Arbeit habt und dort strebsam und fleißig euer Geld verdienen könnt, kommt das von euch, weil ihr euch immer so anstrengt? Ach und der Glaube! Ist der etwa euer eigenes Werk, so dass ihr auf ihn weisen und sprechen könnt: Der kommt aus meinem Innern, dort ist er aus einem lauteren, guten Herzen entstanden? - Ist es nicht vielmehr so, dass alles, was ihr getan und erreicht habt in eurem Leben, aus den Gaben Gottes erwachsen ist, den Talenten, die er in euch hineingelegt, den Chancen, die er euch geschenkt und den Möglichkeiten, die er euch in seiner Gnade eröffnet hat? Und besonders der Glaube: Der hat am wenigsten mit euch selbst zu tun! Den hat Gott in euer Herz gepflanzt und sein Sohn Jesus Christus hat mit seinem Tod am Kreuz dafür gesorgt, dass ihr überhaupt etwas zu glauben und zu hoffen habt!

Das zweite, was Johannes den Juden damals vorhält: Sagt nicht, „wir haben Abraham zum Vater", würde sich für uns vielleicht so anhören: Gebt endlich diese Haltung der Selbstzufriedenheit und der Selbstsicherheit auf! Wenn ihr heute auch hier in der Kirche sitzt und meint, ihr hättet doch aber euren Glauben gefunden und ihr könntet ihn auch ein Leben lang festhalten und er würde sich in jeder Lebenssituation neu bewähren ... Ihr wisst nicht, was noch für euch kommt, durch welche Prüfungen ihr noch hindurch müsst und wie steinig und steil euer Weg vielleicht noch wird! Gott gibt, dass wir ihm vertrauen können - und er muss es jeden Tag neu geben. Es gibt in Glaubensdingen keinen Vorrat, der ein Leben lang halten würde. Unterwegs müssen wir uns damit versorgen, täglich neu! Oder besser und richtiger: Auf dem Weg muss Gott uns den Glauben und das Vertrauen zu ihm immer wieder schenken und bewahren.

Das Schöne, das Wunderbare dabei ist: Er will das auch tun! Aber er will keine Menschenkinder, die darauf pochen, dass er das tut, so als hätten sie einen Anspruch darauf. Und er will auch nicht, dass wir seine Gaben selbstverständlich hinnehmen, so als wäre sein Schenken ja nur recht und billig. Schon gar nicht will er, dass wir auf unsere Verdienste hinweisen und denken oder gar sagen: Das steht mir doch aber auch zu, weil ich so fleißig, strebsam, bemüht und erfolgreich bin.

Es ist sicher gut, jeden Tag einen Augenblick darüber nachzudenken, was denn geschähe, wenn Gott seine Hand von uns abzöge und seinen Segen, der er uns in der Taufe versprochen hat, von uns nähme. Was bliebe denn von uns? Was brächten wir denn noch - wirklich allein aus uns selbst - fertig?

„Und die Menge fragte ihn und sprach: Was sollen wir denn tun?" - Hören wir noch einmal, was Johannes uns heute dazu sagen würde: Wem im Leben Gutes widerfahren ist, wer im Wohlstand lebt und wer Glück genießen darf, der vergesse die Schwachen in der Gesellschaft nicht, die armen Mitmenschen, die ohne Schuld keine Arbeit haben, die Hartz IV-Empfänger sind oder deren Gesundheit nicht gut ist oder die eine Behinderung haben. Wohlstand, gar Reichtum, Freude und Glück und der Platz auf der Sonnenseite des Lebens sind immer auch Verpflichtung: Nach Kräften denen abzugeben, die wenig oder gar nichts haben, sich für die einzusetzen und für die zu sprechen, die im Schatten sind, ihre Lebenschancen zu verbessern, ihre Not zu lindern und wo immer wir das können, mit ihnen zu teilen, was wir doch reichlich und übrig haben und sehr gut entbehren können.

Liebe Gemeinde, wenn wir das alles tun, wenn wir uns darum bemühen und uns für unsere Mitmenschen wirklich einsetzen, dann kann das doch immer nur aus der Kraft, den Gaben und dem Glauben geschehen, die uns von Gott geschenkt sind. Nichts davon ist unsere Leistung. Nichts kommt aus unserer Mühe. Gottes Gnade ist alles. - Wir wollen dankbar sein. AMEN