Predigt zum Pfingstsonntag     -    23.5.2010

Textlesung: Apg. 2, 1 - 18

Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander.

Und es geschah plötzlich ein Brausen vom Himmel wie von einem gewaltigen Wind und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen zerteilt, wie von Feuer; und er setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist und fingen an, zu predigen in andern Sprachen, wie der Geist ihnen gab auszusprechen.

Es wohnten aber in Jerusalem Juden, die waren gottesfürchtige Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als nun dieses Brausen geschah, kam die Menge zusammen und wurde bestürzt; denn ein jeder hörte sie in seiner eigenen Sprache reden. Sie entsetzten sich aber, verwunderten sich und sprachen: Siehe, sind nicht diese alle, die da reden, aus Galiläa? Wie hören wir denn jeder seine eigene Muttersprache? Parther und Meder und Elamiter und die wir wohnen in Mesopotamien und Judäa, Kappadozien, Pontus und der Provinz Asien, Phrygien und Pamphylien, Ägypten und der Gegend von Kyrene in Libyen und Einwanderer aus Rom, Juden und Judengenossen, Kreter und Araber: wir hören sie in unsern Sprachen von den großen Taten Gottes reden. Sie entsetzten sich aber alle und wurden ratlos und sprachen einer zu dem andern: Was will das werden? Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein.

Da trat Petrus auf mit den Elf, erhob seine Stimme und redete zu ihnen: Ihr Juden, liebe Männer, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, das sei euch kundgetan, und lasst meine Worte zu euren Ohren eingehen! Denn diese sind nicht betrunken, wie ihr meint, ist es doch erst die dritte Stunde am Tage; sondern das ist's, was durch den Propheten Joel gesagt worden ist (Joel 3,1-5): »Und es soll geschehen in den letzten Tagen, spricht Gott, da will ich ausgießen von meinem Geist auf alles Fleisch; und eure Söhne und eure Töchter sollen weissagen, und eure Jünglinge sollen Gesichte sehen, und eure Alten sollen Träume haben; und auf meine Knechte und auf meine Mägde will ich in jenen Tagen von meinem Geist ausgießen, und sie sollen weissagen.

Liebe Gemeinde!

Das ist wohl einer der längsten Predigttexte gewesen, die es gibt. Und es ist eben die Pfingstgeschichte, die uns erzählt wird. Aber was ist jetzt, wenn wir diese Geschichte gehört haben? Worüber denken wir dann weiter nach? Was gibt uns einen Anstoß an diesen Versen, worin liegt Trost, ein Ansporn, Erbauung, Freude ...? Wirklich, nach einer so langen Geschichte müssen wir doch sagen: Es bleibt wenig übrig zum Bedenken, Besprechen, Vertiefen oder gar Nacheifern. Wir wissen jetzt, wie das damals war. Wir haben einige Bilder vor Augen, was damals geschehen ist. Wir haben Worte gehört, die damals gesprochen wurden und den Spott, den damals einige geäußert haben. Und sonst? Wenig. Sehr wenig. Was also nehmen wir mit von dieser Geschichte und dieser Predigt heute Morgen? Was wird uns nach Hause und in die neue Woche begleiten? Was sagt uns die Pfingstgeschichte, was uns in unserem Glauben ermutigen, in unserer Hoffnung festigen und in unserer Liebe stärken kann?

Mit diesen Fragen im Kopf, habe ich die Pfingstgeschichte noch einige Male gelesen. Und wirklich, drei Gedanken, die sich ein wenig im Text verstecken, sind mir aufgefallen, die für uns heute mehr hergeben, als die handelnden Personen, das Geschehen und die Worte der biblischen Pfingstszene.

Der erste Gedanke ist gleich im ersten Vers verborgen: "Und als der Pfingsttag gekommen war, waren sie alle an einem Ort beieinander." Die hier beisammen waren, sind gewiss nicht nur die Jünger Jesu gewesen! Inzwischen war das schon eine ziemliche Menge von Anhängerinnen und Anhängern dieses Mannes, der für die Menschen gelitten hatte, ans Kreuz gegangen und nach drei Tagen auferstanden war und den viele Zeugen nach seiner Auferstehung gesehen hatten. Es werden an diesem Morgen wohl über hundert Personen gewesen sein, die da im "Obergemach eines Hauses", wie wir an anderer Stelle hören, zusammen saßen.

Sie fragen jetzt vielleicht: Was ist da besonderes dran? Und ich antworte: Die Leute Jesu hatten sich eben nicht wieder verlaufen. Sie waren nicht an ihre Arbeit zurückgekehrt, in die Orte, in denen sie gewohnt und gelebt hatten. Sie waren bei Jesu Sache und beisammen geblieben! Sie konnten ihr früheres Leben nicht wieder aufnehmen, so als wäre nichts gewesen.

Aber das sagt uns nun nicht nur, dass Menschen, die von Jesus Christus wissen und von ihm in ihren Herzen berührt worden sind, sich zueinander gehörig fühlen und auch die Begegnung miteinander suchen. Es sagt uns auch das: Der Heilige Geist Gottes will gerade dort brausen und wirken, wo die Menschen miteinander in der Gemeinde Jesu Christi verbunden sind. - Ich glaube fest, das war kein Zufall, wenn es bei der ersten Ausgießung des Heiligen Geistes so war - das ist bis heute so: Der Geist Gottes ist da besonders spürbar, wo wir uns als Gemeinde zum Hören, Singen und Beten versammeln.

Der zweite Gedanke, der uns heute etwas geben kann, verbirgt sich hier: "... und der Geist setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist." Nicht war, wir haben so viel von dem gehört, was die Leute aus dieser ersten Pfingstgemeinde tun, reden, predigen... Vielleicht ist uns da gar nicht aufgefallen, dass sie nichts, wirklich gar nichts dazu beigetragen haben, dass der Heilige Geist Gottes die Szene betritt und weht, braust und sich wie Feuerflammen auf die Köpfe der Menschen setzt. Das ist aber sehr wichtig, finde ich. Wir denken doch immer wieder, dass auch von uns irgend etwas ausgehen müsste, dass Gottes Geist zu uns kommt. Bei dem, was wir uns in unseren Gebeten erbitten ist es vielleicht noch deutlicher: Wenn wir von Gott etwas haben wollen, dann müssen wir - wie wir meinen - etwas anbieten. Einen Verzicht vielleicht? Einen Kirchgang? Eine gute Tat oder eine Spende für einen guten Zweck?

Genau so denken wir insgeheim, wenn wir uns Gottes Geist, seinen Segen und seine Begleitung wünschen. Damit denken wir aber falsch: "... und der Geist setzte sich auf einen jeden von ihnen, und sie wurden alle erfüllt von dem heiligen Geist." Nichts war vorbereitet für den Fall, dass an diesem Morgen so etwas geschehen würde! Niemand hatte damit gerechnet und in seinem Gebet schon einmal irgendetwas angeboten ... zum Ausgleich für die göttlichen Gabe. - Auch das ist heute nicht anders: Gottes Geist weht wo er will. Wir können ihn nicht herbeizwingen. Wir können ihm nichts anbieten, dass er gerade uns aufsucht. Aber die andere Seite davon ist nun: Wir können es auch nicht verhindern. Und wir können von uns noch so schlecht denken - wenn der Heilige Geist zu uns kommen will, dann kommt er! Er fragt nicht danach, ob wir uns seiner für würdig halten. Er tritt bei uns ein - selbst ungebeten! - und verändert uns.

Jetzt ist bei der einen oder dem anderen von uns gewiss die Frage entstanden, ob wir denn überhaupt auf irgendeine Weise dabei mithelfen können, dass uns der Heilige Geist besucht und sein Werk an uns tut? Und ich sage: Ja! Wir können etwas tun. Und ich erinnere hier noch einmal an den ersten Gedanken, von dem ich vorhin gesprochen habe: Der Geist Gottes ist da besonders spürbar, wo wir uns als Gemeinde zum Hören, Singen und Beten versammeln. Sicher kann und will ich nicht ausschließen, dass Gott uns im Kämmerlein zu Hause, auf einem Spaziergang durch den Wald oder auf einem Berggipfel im Urlaub seinen Heiligen Geist schenken kann. In der Gemeinde aber, dort wo wir mit anderen Christinnen und Christen zusammen sind, da ist sozusagen des Heiligen Geistes liebster Ort und seine Möglichkeiten, viele Menschen zu erreichen sind dort am besten.

Aber wir wollen noch den dritten Gedanken hören, den wir von heute in unser Leben mitnehmen können: "Andere aber hatten ihren Spott und sprachen: Sie sind voll von süßem Wein."

Es ist diese Gelassenheit des Petrus, die mir wichtig und vorbildlich erscheint. Immerhin: Hier geschieht etwas Unfassbares, sehr Großes, Heiliges ... Und die Spötter haben nichts besseres zu tun, als die vielen Menschen, die hier der Geist Gottes gerade zu seinem Sprachrohr, seinen Boten und Verkündigern gemacht hat zu verdächtigen, sie wären nur betrunken. Wir könnten das weiß Gott verstehen, aber Petrus regt sich nicht darüber auf, dass sie so dumm daherreden. Und die anderen anscheinend auch nicht. Mir gefällt das. Ich glaube, so gelassen und standhaft bei unserer Sache müssten wir auch werden. Wie oft müssen wir doch bei unseren Mitmenschen heute diese kleinen Spötteleien hören: "Na, warst du wieder beim Abendmahl? Du musst es ja nötig haben!" Oder: "Hast du eigentlich auch ein Namensschildchen auf deiner Kirchenbank?" Und das Klima in unserem Land ist ja auch nicht besonders christlich, genau besehen entwickeln wir uns immer mehr in Richtung Ellenbogengesellschaft. Und auch unsere politischen Parteien scheinen kaum noch etwas davon zu wissen, dass unsere Verfassung einmal bewusst und gewollt auf christlichen Werten und Vorstellungen gegründet worden ist. Anders lassen sich Klientelpolitik, Eliteförderung und zunehmende Kinderarmut in unserem Land nicht erklären.

Ja und da gefällt mir die Haltung des Petrus: Er bleibt ganz ruhig und erklärt, von was die Spötter eigentlich Zeugen werden: "Hier ist der Heilige Geist Gottes am Werk. Hier geschieht, was uns der Prophet vorausgesagt hat." - Wir werden heute gewiss anders reden. Aber wir wollen eben nicht klein bei geben, wenn sich jemand darüber lustig macht, dass wir zu Jesus Christus gehören. Wir wollen auch nicht schweigen, wenn die Menschen unserer Umgebung abfällig über den Glauben sprechen oder Politiker vergessen haben, dass wir ein Teil des christlichen Abendlands sind. Vielleicht sagen wir dann: "Was dir unwichtig ist, ist für mich die Mitte meines Lebens." - "Ich wollte und könnte nicht ohne den Halt leben, den mir Gottes Wort schenkt!" Und wir können auch die Gelegenheiten wenigstens der Wahlen nutzen, dass wir den Parteien, die keine christlichen Werte vertreten oder sie gar mit Füßen treten, unsere Stimme nicht mehr geben.

Bei alledem aber wollen wir gelassen bleiben. Der Glaube an Jesus Christus gibt innere Sicherheit und Frieden. Er macht uns stark genug, dass wir allen Angriffen und allem Spott widerstehen können.

Liebe Gemeinde, nun wünsche ich uns von Herzen, dass auch uns heute Morgen der Heilige Geist besucht und unsere Herzen ergreift und verändert. Gesegnete, frohe Pfingsten!