Predigt zu "Christi Himmelfahrt" - 13.5.2010

Textlesung: Apg. 1, 3 - 4 (5 - 7) 8 - 11

Jesus zeigte sich den Aposteln nach seinem Leiden durch viele Beweise als der Lebendige und ließ sich sehen unter ihnen vierzig Tage lang und redete mit ihnen vom Reich Gottes. Und als er mit ihnen zusammen war, befahl er ihnen, Jerusalem nicht zu verlassen, sondern zu warten auf die Verheißung des Vaters, die ihr, so sprach er, von mir gehört habt; denn Johannes hat mit Wasser getauft, ihr aber sollt mit dem heiligen Geist getauft werden nicht lange nach diesen Tagen. Die nun zusammengekommen waren, fragten ihn und sprachen: Herr, wirst du in dieser Zeit wieder aufrichten das Reich für Israel? Er sprach aber zu ihnen: Es gebührt euch nicht, Zeit oder Stunde zu wissen, die der Vater in seiner Macht bestimmt hat; aber ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde. Und als er das gesagt hatte, wurde er zusehends aufgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf vor ihren Augen weg. Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern. Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen.

Liebe Gemeinde!

Das hört sich jetzt sicher wie eine etwas klägliche Begründung an, dass dem Prediger (der Predigerin), also mir, zu diesen Worten aus der Apostelgeschichte heute nichts Rechtes eingefallen ist, aber ich sage es trotzdem: Nicht alle Predigttexte, auch und gerade wenn sie länger sind, geben für uns heutige Menschen etwas her, über das sich zu sprechen und nachzudenken lohnt. Ich betone noch einmal: für uns heutige Menschen - denn nur über das Damals zu reden, über die Apostel, die Zeugen der Auferstehung Jesu geworden sind, über die Erwartungen der Jünger an den Auferstandenen oder wie sie Christi Himmelfahrt erlebt haben, gibt uns heute, in dieser ganz anderen Zeit, ja nicht so sehr viel! Was uns interessiert, ist doch eher: Was bedeutet Jesu Auferstehung für uns? Und - an diesem Tag ganz besonders: Welcher Sinn liegt für uns in der Himmelfahrt unseres Herrn, welchen Auftrag hat er für uns und sind wir mit diesem Auftrag jetzt für alle Zeit allein in der Welt? - So gesehen, scheinen mir die letzten Zeilen der Verse, die wir eben gehört haben, die wichtigsten. Ich will sie noch einmal lesen: "Und als sie ihm nachsahen, wie er gen Himmel fuhr, siehe, da standen bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern. Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel? Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen."

Liebe Gemeinde, diese Frage: "Was steht ihr da und seht zum Himmel?", kann ich nun wirklich gut auf uns beziehen. Das ist nämlich auch - oft genug (und manchmal ein Leben lang!) - unsere Art: Dass wir voller Erwartung zum Himmel schauen, mit anderen Worten, dass wir meinen, was jetzt getan werden und geschehen müsste, würde von oben kommen. Es kommt aber nicht von oben! Und wir spüren ihn, diesen leisen Vorwurf in den Worten der zwei Männer in den weißen Gewändern: "... was seht ihr zum Himmel?" Und wir nehmen ihre Worte gewiss richtig auf, wenn wir sie so fortführen: Was schaut ihr in den Himmel? Jetzt seid ihr dran! Ihr habt diesen Jesus gekannt. Ihr wisst, worauf es ihm ankam, wie er gehandelt und was ihn angetrieben hat. Ihr habt seine Liebe kennen gelernt. Ihr durftet an ihm erfahren, wie wichtig und wertvoll ihm alle Menschen waren - nicht nur die guten. Ihr habt gesehen, dass er gerade zu den Sündern gegangen ist und dass er es mit den einfachen Leuten und auch mit den Schwachen, Behinderten und Kranken besonders gern zu tun hatte. Und ihr habt auch verstanden, warum, denn er hat es euch erklärt: "Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken." (Lk. 5,31b) Schließlich durftet ihr auch miterleben zu welchem Ziel das alles geführt hat: ER hat sich geopfert für die Sünde aller Menschen. Er ist für euch ans Kreuz gegangen, gestorben und wurde begraben - aber er ist auferstanden am dritten Tag! Jetzt habt ihr ihn noch auffahren sehen in den Himmel und habt seine Verheißung gehört: "Ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfangen, der auf euch kommen wird, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis an das Ende der Erde." Mehr braucht es nun nicht mehr, dass ihr künftig in der Welt als seine Jüngerinnen und Jünger, seine Nachfolgerinnen und Nachfolger zurechtkommt.

Das sind sie, die Worte, die auch für uns gesagt sind, die uns meinen und Mut machen wollen, sein Werk in dieser Welt zu tun und seine Arbeit in seinem Sinn und in seiner Liebe fortzusetzen. Denn wie Jesu eigene Worte vor seiner Auffahrt nicht leer waren, so sind auch das keine leeren Worte, wenn die zwei Männer sagen: "Ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfangen!" Dieser Geist Gottes, der uns an Pfingsten ein für allemal und immer wieder neu versprochen ist, lässt uns dort weiter arbeiten, wo es unser Herr getan hätte, dort das Wort und Partei ergreifen wo unser Herr nicht zu Bosheit und Unrecht geschwiegen hätte und dort trösten, einspringen, zur Seite stehen und helfen, wo unser Herr sich mit seiner Liebe eingesetzt hätte.

Und wenn die Kraft des Heiligen Geistes über uns kommt, geschieht das ganz selbstverständlich, sozusagen von allein, jedenfalls ohne unsere Mitwirkung oder gar Berechnung ... Vielleicht können wir es so ausdrücken: Es ist so, wie wenn unserem Einatmen, ohne dass wir mit Kopf und Willen beteiligt sind, das Ausatmen folgt oder wie sich Hände und Herzen, die uns reichlich gefüllt wurden, dann für unsere Mitmenschen öffnen und austeilen, was wir auch für sie empfangen haben.

Und da wird uns nun auch der vermeintliche Widerspruch deutlich, wie er in den Worten der Männer in den weißen Gewändern liegt: Einerseits fordern sie uns auf, nicht mit offenem Mund und voller Erwartung in den Himmel zu starren, vielmehr selbst etwas zu tun. Andererseits aber kommt der Heilige Geist ja mit seiner Kraft über uns und lässt uns so handeln und reden, wie es im Sinne Jesu richtig ist. Aber der Widerspruch ist wirklich nur "vermeintlich"! Irgendwie liegt der Widerstand gegen das, was uns Gottes Geist zu tun heißt, ja doch sehr tief und darum sehr prägend in uns: Dass wir nämlich meinen, wir müssten selbst alles machen, alles anstoßen und auf den Weg bringen. "Nur" dem Heiligen Geist zu folgen, scheint uns doch eher billig und ein zu geringer eigener Aufwand und Leistung. Und irgendwie ist in unserem Handeln als Christen auch immer noch und immer wieder ein Fünklein des Gedankens verborgen, wir müssten uns mit unseren Taten an den Menschen auch bei Gott verdient machen. Was ist wohl durch diesen Gedanken schon an Liebe, an Güte und echter Menschlichkeit zwischen uns verhindert, ja, zerstört worden? Denn unsere Liebe, unsere Taten und unsere Worte sollen und können nicht den leisesten Geruch von Verdienstlichkeit tragen! So ist es Jesu Vorbild gewesen: Um des Mitmenschen willen, setzen wir uns für ihn ein. Seine Wohlfahrt liegt uns am Herzen und treibt uns an, dass wir ihm helfen. Seine Trauer geht uns nah und wir suchen und finden Worte, die ihn trösten. Wenn er sich freut, dann freuen wir uns mit ihm, weil uns das - wie ihn - glücklich macht.

Wir hören beides: "Was steht ihr da und seht zum Himmel? Und: "Ihr werdet die Kraft des heiligen Geistes empfangen!" Und beides passt und gehört zusammen: Jesus ist nicht mehr als Mensch unter uns - aber wir wissen, was sein Wesen war, wie er gelebt, gewirkt und geliebt hat. Das muss und das kann uns genügen. Und das andere gilt auch: Wir werden jeden Tag neu Gottes Kraft empfangen. Sein Heiliger Geist wird uns führen und leiten und uns - frei von irgendwelchem Schielen nach Lohn - so handeln und reden lassen, wie es den Mitmenschen und damit auch immer uns selbst - gut tut!

Vielleicht ist es ja eine Hilfe, wenn wir uns immer wieder, wenn es um eine Entscheidung in unserem Leben und Zusammenleben geht, fragen, was hätte Jesus wohl jetzt getan? Menschen, die diese Frage stellen, erzählen, dass dann meist bestimmte biblische Geschichten über oder von Jesus in ihrer Erinnerung auftauchen, deren Sinn, Aussage und Bedeutung ihnen dann Hinweis und oft ganz klare Weisung werden. Auf diese Weise, oft auch durch unser Gebet oder ein Gespräch mit einem lieben Mitmenschen, bringt uns der Heilige Geist auf die Spur unseres auferstandenen Herrn - auch wenn der in den Himmel aufgefahren ist und jetzt zur Rechten Gottes sitzt nach unserem Glauben!

Die letzten Worte der Männer in den weißen Gewändern sind für mich immer wieder die schönsten und verheißungsvollsten: "Dieser Jesus, der von euch weg gen Himmel aufgenommen wurde, wird so wiederkommen, wie ihr ihn habt gen Himmel fahren sehen."

Liebe Gemeinde, es war und ist kein Abschied für immer, wenn Jesus zum Vater heimkehrt. Es ist vielmehr auch an uns das klare Versprechen, dass wir ihm einmal dorthin folgen und ewig bei ihm bleiben werden. Als Christinnen und Christen ist also das unser Weg:

Leben in der Nachfolge unseres Herrn, lieben wie er, uns denen zuwenden, die ihm besonders am Herzen lagen: die Kleinen und Schwachen, handeln, wie er es uns geheißen hat. Bei alledem wird uns der Heilige Geist Gottes beistehen und Kraft geben. Und einmal werden wir IHN sehen und er wird uns als seine Schwestern und Brüder dorthin heimholen, wo schon heute im Glauben unsere Heimat ist. AMEN