Predigt zum Buß- und Bettag - 18.11.2015

Textlesung: Lk. 13, 1 - 5 (6 - 9)

Es kamen aber zu der Zeit einige, die berichteten ihm von den Galiläern, deren Blut Pilatus mit ihren Opfern vermischt hatte. Und Jesus antwortete und sprach zu ihnen: Meint ihr, dass diese Galiläer mehr gesündigt haben als alle andern Galiläer, weil sie das erlitten haben? Ich sage euch: Nein; sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen. Oder meint ihr, dass die achtzehn, auf die der Turm in Siloah fiel und erschlug sie, schuldiger gewesen sind als alle andern Menschen, die in Jerusalem wohnen? Ich sage euch: Nein; sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen.

Er sagte ihnen aber dies Gleichnis: Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberg, und er kam und suchte Frucht darauf und fand keine. Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang gekommen und habe Frucht gesucht an diesem Feigenbaum und finde keine. So hau ihn ab! Was nimmt er dem Boden die Kraft? Er aber antwortete und sprach zu ihm: Herr, lass ihn noch dies Jahr, bis ich um ihn grabe und ihn dünge; vielleicht bringt er doch noch Frucht; wenn aber nicht, so hau ihn ab.

Liebe Gemeinde!

Das war tatsächlich passiert: Der römische Statthalter Pontius Pilatus, der ja auch in unserem Glaubensbekenntnis erwähnt wird, hatte unter Pilgern aus Galiläa ein Blutbad angerichtet, als sie gerade dabei waren im Jerusalemer Tempel ihre Opfergaben darzubringen.

Und auch das war geschehen: In der Nähe des Siloah-Teiches in Jerusalem war ein Turm aus der Stadtbefestigung eingestürzt und hatte 18 Menschen unter sich begraben.

Jesus spricht nicht nur zu seinen Jüngern, sondern zu einer Menge, die sich bei ihm versammelt hat, wenn er hier ein gängiges Vorurteil aufnimmt: Die Juden damals waren überzeugt davon, ein Unglück, auch eine Krankheit wäre die Strafe Gottes für die Sünden, die ein Mensch begangen hat. Jesus ist anderer Ansicht, seine Meinung dazu ist klar: "Meint ihr, dass diese Galiläer mehr gesündigt haben als alle andern Galiläer, weil sie das erlitten haben? Ich sage euch: Nein; sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen. Oder meint ihr, dass die achtzehn, auf die der Turm in Siloah fiel und erschlug sie, schuldiger gewesen sind als alle andern Menschen, die in Jerusalem wohnen? Ich sage euch: Nein; sondern wenn ihr nicht Buße tut, werdet ihr alle auch so umkommen."

Was uns geschieht, was uns zustößt und was wir tragen müssen ist also niemals Gottes Strafe, sondern die Folge davon, dass wir nicht bereuen, was wir an Sünde und Schuld auf uns geladen haben. - Einige denken jetzt sicher: Aber das wussten wir doch schon! Als evangelische Christinnen und Christen ist uns das nun wirklich nicht neu. Wir bekennen schließlich bei jedem Abendmahl unsere Sünden und bitten dann, wie ja auch im Vaterunser, um die Vergebung unserer Schuld.

Ja, so ist es. Und wir müssen, wenn uns unsere Schuld reut und Leid tut, auch gar nicht daran zweifeln, dass Gott sie uns vergibt. Trotzdem sind wir oft dem gleichen Denken verhaftet, wie die Menschen, die Jesus damals auf ihr Vorurteil anspricht: "Meint ihr, dass diese Galiläer mehr gesündigt haben als alle andern Galiläer, weil sie das erlitten haben? Oder meint ihr, dass die achtzehn, auf die der Turm in Siloah fiel und erschlug sie, schuldiger gewesen sind als alle andern Menschen?" - Und was ich hier behaupte, will ich auch belegen:

- Einen unserer Ansicht nach guten Menschen aus unserer Bekanntschaft trifft ein Unglück nach dem anderen: Zuerst verliert er seine Arbeit, dann erkrankt die Frau schwer und schließlich gerät noch sein Sohn in kriminelle Kreise und wir straffällig. - Mal ehrlich, fragen wir dann nicht insgeheim oder auch vor anderen: "Womit hat er das nur verdient?"

- Ein anderer Mensch ist uns schon lange unsympathisch. Er hat so eine großspurige Art und nimmt es mit der Wahrheit nicht so genau. Außerdem wissen wir von ihm, dass er schon einiges getan hat, was nicht in Ordnung, ja, sogar ungesetzlich gewesen ist. Aber es geht ihm bestens! Er hat einen guten Job, verdient viel Geld, kann sich alles leisten und fällt trotz seines oft schlechten Tuns immer wieder auf die Füße. - Denken wir da nicht, wie das denn sein kann? Sieht Gott das gar nicht? Was ist mit seiner himmlischen Gerechtigkeit? Warum lässt er diesem Menschen nur alles durchgehen und belohnt ihn auch noch?

- Aber wir wollen nicht nur über andere Menschen reden. Bei uns selbst, wenn es um unsere Taten geht und das, was Gott uns an hartem Geschick und schweren Lasten auferlegt, denken und fragen wir doch genauso: Was hab' ich nur getan, dass Gott mich so straft? Warum schickt mir Gott diese Krankheit, dieses Unglück? Ich habe mich doch immer bemüht, ihm zu gefallen, recht zu handeln und Nächstenliebe zu üben!

"Wenn ihr nicht Buße tut...", sagt Jesus auch zu uns und er würde vielleicht hinzufügen: "...dann habt ihr nicht verstanden, was Gott von euch will und auch nicht, warum ich in die Welt gekommen bin. Denn unser himmlischer Vater möchte, dass ihr nicht von eurer Mühe redet, die ihr aufwendet, um vor ihm gut dazustehen, sondern davon, dass ihr auf seine Güte angewiesen seid." Und von sich selbst würde Jesus so sprechen: Ich bin in die Welt gekommen, um eure Sünde und Schuld ans Kreuz zu tragen, dass euch vergeben werden kann.

Liebe Gemeinde, hören wir noch auf das Gleichnis vom Feigenbaum, das Jesus hier noch erzählt. Wie schön fügt es sich zu den Gedanken darüber, was Gott von uns haben will, statt unserer Mühen um seine Anerkennung unserer vermeintlichen Verdienste! Und es passt auch zu dem, warum Jesus in die Welt gekommen ist und was er für uns getan hat:

"Es hatte einer einen Feigenbaum, der war gepflanzt in seinem Weinberg, und er kam und suchte Frucht darauf und fand keine." Schon oft im Alten Testament wurde Israel, also das von Gott auserwählte Volk, mit einem Feigenbaum verglichen. Hier wird ihm ein hartes Urteil gesprochen: Israel bringt keine Frucht, gemeint ist die Frucht der Buße, die Frucht, auf alle eigene Mühe und Anstrengung, Gott zu gefallen, zu verzichten. Und gemeint ist auch schon die Frucht, Jesus Christus als Messias und Gottes Sohn anzunehmen und von ihm Vergebung und Rechtfertigung zu erwarten. Es ist Gott, der hier spricht: "Da sprach er zu dem Weingärtner: Siehe, ich bin nun drei Jahre lang gekommen und habe Frucht gesucht an diesem Feigenbaum und finde keine. So hau ihn ab! Was nimmt er dem Boden die Kraft?" Das Volk Gottes ist dabei geblieben, die eigene Gerechtigkeit zu suchen, die der Mensch aus sich selbst doch nicht finden kann. Es hat die Buße abgelehnt. Es hat die Vergebung nicht angenommen, die Jesus Christus allein schenken kann.

Aber das Urteil Gottes trifft auch uns, und es ist unser Reden, das unser Denken verrät: "Womit hat dieser Mensch das verdient?" - "Warum belohnt Gott den, der Böses tut?" - "Was hab' ich nur getan, dass Gott mich so straft? Ich habe mich doch immer bemüht, ihm zu gefallen, recht zu handeln und Nächstenliebe zu üben!" Wir suchen auch die Gerechtigkeit, die wir selbst schaffen können. Wir meinen, das Tun des Menschen könne Gottes Gefallen finden, wenn es gut ist und er müsste es bestrafen, wenn es schlecht ist. Dass uns Jesus Christus von Gott zur Vergebung unserer Sünden gesandt ist, bekennen zwar unsere Lippen, aber unser Kopf denkt anders und mit unserem Tun wollen wir doch Gottes Lohn herbeizwingen und unser Herz verlangt danach, dass die schlechten Taten anderer bestraft werden.

Hören wir doch, was der Weingärtner sagt: "Er antwortete und sprach zu ihm: Herr, lass ihn noch dies Jahr, bis ich um ihn grabe und ihn dünge; vielleicht bringt er doch noch Frucht; wenn aber nicht, so hau ihn ab." Der Weingärtner ist Christus! Er will, dass die Menschen begreifen: Ihr könnt eure Gerechtigkeit vor Gott nicht selbst schaffen! Er erbittet Aufschub für die Juden damals und für uns heute: Gib ihm noch ein Jahr! Zwar war der Herr des Weinbergs schon lange geduldig, doch die Frucht blieb aus. Und es wäre nur recht, den Feigenbaum umzuhauen. Aber der Weingärtner bittet um eine weitere Spanne Zeit, vielleicht bringt der Feigenbaum ja doch noch Frucht! - Gott sei Dank, läuft diese Spanne Zeit immer noch. Werden wir noch die Frucht bringen, die Gott von uns mit Recht erwartet: Dass wir uns durch Jesus Christus Gottes Gerechtigkeit schenken lassen. Dass wir begreifen, all unsere Mühe kann uns Gottes Vergebung nicht verdienen. Christus allein, der für uns ans Kreuz ging, kann uns von Sünde und Schuld frei machen.

Liebe Gemeinde, wir wissen nicht, wann die Zeit abgelaufen ist, die Gott uns noch gibt, endlich die Frucht zu bringen, die er von uns haben will. Was wir wissen, ist dies: Gott ist geduldig. Er ist barmherzig und gnädig und will nicht den Tod des Sünders, sondern dass er sich bekehrt. AMEN