Predigt zum 22. So. n. Trin. - Reform.-tag - 31.10./1.11.2015


Textlesung:
Mt. 5, 1-10 (11-12)

Als Jesus die vielen Menschen sah, stieg er auf einen Berg. Er setzte sich, und seine Jünger traten zu ihm. Und er tat seinen Mund auf, lehrte sie und sprach:

Selig sind, die da geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich.

Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.

Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen.

Selig sind, die da hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden.

Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen.

Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen.

Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.

Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich.

Selig seid ihr, wenn euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und reden allerlei Übles gegen euch, wenn sie damit lügen.

Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden. Denn ebenso haben sie verfolgt die Propheten, die vor euch gewesen sind.

Liebe Gemeinde!

Heute ist Reformationstag. Heute denken wir daran, dass unser Reformator Martin Luther das Evangelium in der Heiligen Schrift wiederentdeckt hat. Diese "Frohe Botschaft" ist im Römerbrief des Paulus besonders deutlich beschrieben:

"Nun aber ist ohne Zutun des Gesetzes die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten. Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die da kommt durch den Glauben an Jesus Christus zu allen, die glauben. So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben." (Röm.3,21f.28)

Vor Gott gelten also keine Verdienste und keine Werke, die uns einen Lohn einbringen könnten und kein Ruhm, den einer hat. Allein Jesus Christus macht uns gerecht vor Gott. Allein der Glaube an ihn, der ihn als den Heiland und Erlöser bekennt, tilgt all unsere Schuld und Sünde. Das ist - kurz gesagt - die "Frohe Botschaft", die "Gute Nachricht", die uns Gott durch Jesus Christus hat ausrichten lassen.

Wie aber sollen wir da die Seligpreisungen verstehen, über die wir heute nachdenken und über die wir predigen sollen: Selig sind die geistlich Armen, die Sanftmütigen, die Barmherzigen, die Friedfertigen... Selig...also für die Auferstehung und Gottes neue Welt bestimmt, Menschen, die, wie Jesus sagt, "im Himmel reich belohnt werden". Was gilt denn nun: Lohn für unsere Werke oder allein der Glaube, das Vertrauen auf Jesus Christus, der uns am Kreuz die Auferstehung und das Ewige Leben verdient hat? - Wie passen die Seligpreisungen zur Botschaft des Reformationstages?

Vielleicht lösen wir den Widerspruch indem wir sagen: Jesus, als er hier spricht, war ja noch nicht ans Kreuz gegangen. Er hatte die Schuld der Menschen noch nicht hinweggenommen. Es galt also noch eine andere Gerechtigkeit. Die Gerechtigkeit der Werke? Konnte man sich den Himmel noch selbst verdienen durch Sanftmut, Barmherzigkeit und Friedfertigkeit?

Es gibt eine andere Antwort auf die Frage, wie die Seligpreisungen zum Reformationstag passen. Versetzen wir uns doch einmal in die Lage der Menschen, die damals am Berg, auf dem Jesus die "Berg"-predigt gehalten hat, versammelt waren. Sie waren sicher nicht zu Jesus gekommen, weil sie "geistlich arm" waren und sich etwas darauf einbildeten. Vielmehr haben sie gewiss darunter gelitten, dass sie von den Pharisäern und Schriftgelehrten als Leute angesehen wurden, die religiös einen minderen Rang haben. Sie wollten auch nicht damit prahlen, dass sie "sanftmütig" waren und dafür auf einen Lohn pochen. Vielmehr hatten sie die Sanftmut lernen müssen, weil man als kleiner, schwacher Mensch vor denen, die in der Gesellschaft oben sind, nicht auftrumpfen sollte. Auch die Friedfertigkeit war für sie nichts, was sie als ihre Leistung vor sich her trugen. Mit Auflehnung und einer kämpferischen Haltung wären sie schnell ins Visier derer geraten, die in Israel die Macht besaßen. Alles andere, für das sie von Jesus selig gepriesen wurden, war genauso wenig ihr Verdienst oder etwas womit sie sich hätten rühmen wollen. Nein, so waren sie nunmal, selbstverständlich, notgedrungen, ihnen selbst wohl gar nicht bewusst oder so, dass sie es von sich gesagt hätten: Ich bin "geistlich arm", "sanftmütig", "friedfertig"... Und vor allem hätten sie sich dafür nicht als Anwärter auf Gottes Reich und einen "Lohn im Himmel" gesehen!

Wenn Jesus diese Menschen nun selig preist, dann ist das nicht eine Bestätigung ihrer Verdienste oder ein Lob ihrer Werke, sondern Zuwendung zu ihnen, Zuneigung zu ihnen als den Armen und Schwachen und Trost für ihre sicher durch ein schweres Leben geschundenen Seelen. Und das wird ihre Herzen für Jesus geöffnet und gewonnen, nicht aber ihr Selbstbewusstsein gestärkt haben, so dass sie sich ihrer Armut oder ihrer Friedfertigkeit gerühmt hätten. Und sie werden später Jesu Tod am Kreuz als Ergänzung seiner Predigt und als Vollendung seines Auftrags verstanden haben, gerade ihnen das Reich Gottes und das Ewige Leben darin zu schenken.

Jesus spricht also hier zu Menschen, die so sind: geistlich arm, sanftmütig, friedfertig und reinen Herzens...und die sich dafür nichts an Lohn ausrechnen, schon gar nicht einen Lohn im Himmel. Und er will sie damit aufbauen, stärken und ihnen das Selbstwertgefühl zurückgeben, das ihnen andere Menschen und ihr oft hartes Geschick genommen haben. Das ist etwas ganz anderes als ihre Verdienste zu loben und sie zu guten Werken anzuspornen! Was Jesus sagt, läuft also der Botschaft des Reformationstages von der geschenkten Gerechtigkeit Gottes nicht zuwider.

Aber übertragen wir seine Worte doch einmal in unser Leben:

Ich glaube, das gibt es auch bei uns: Sanftmut zum Beispiel und Barmherzigkeit, die wir uns gar nicht bewusst machen und erst recht nicht als lobenswerte, verdienstliche Werke ansehen. Nein, wir sind halt so! Oder Friedfertigkeit... Die haben wir vielleicht aus der guten Erziehung durch unsere Eltern schon aus unser Kindheit mitgenommen. Und bis heute haben wir noch nie darüber nachgedacht, ob das nicht auch unser Verdienst ist, dass wir so sind, wie wir sind. Und manche von uns fühlen sich vielleicht sogar geistlich arm und damit wollten sie sagen, dass ihnen manches am Glauben der Christen nicht einleuchtet oder fremd ist. Wobei es hier umgekehrt ist wie bei den anderen Dingen, die wir genannt haben: Denn wir denken ja oft, uns müsste doch als Christen der ganze Glaube einleuchten, ja, wir wären das doch schuldig, dass wir richtig und umfassend glauben und nichts als uns unverständlich oder unglaubhaft ausklammern!

Zu alledem sagt Jesus: Selig seid ihr...wenn ihr sanftmütig, barmherzig und friedfertig seid, und selig seid ihr, wenn ihr auch oft Mühe habt, alles zu glauben, was ihr meint, glauben zu müssen. Es ist gut, wenn ihr so seid! Aber es hat nichts zu tun mit Verdienst oder Versagen. Es hat nichts zu tun, mit Werken, die euch angerechnet würden oder - wie im Fall der geistlichen Armut - für die ihr bestraft oder auch nur getadelt werdet. Und Jesus würde auch für uns seinen Worten das hinzufügen: Seid fröhlich und getrost; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden!

Aber, und das hätten die Menschen damals am Berg noch nicht verstehen können, wir aber können es verstehen: Es ist ein Lohn, den nicht wir verdient haben! Es ist der Lohn, den uns unser Herr Jesus Christus durch sein Leiden und Sterben am Kreuz von Golgatha erworben hat! Es ist ein Lohn, den er uns schenkt, nicht wegen unserer Verdienste, nicht wegen unserer guten Taten und Werke - nur aus Liebe zu uns.

Liebe Gemeinde, heute ist Reformationstag. Heute denken wir daran, dass unser Reformator Martin Luther das Evangelium in der Heiligen Schrift wiederentdeckt hat. Die Worte, die Jesus heute zu uns sagt, die Seligpreisungen wollen uns nicht für unsere Werke und Verdienste loben. Sie sind sozusagen "nur" die Vorbereitung auf das, worum es am Reformationstag eigentlich geht: Dass uns das einleuchtet, dass Gott uns mit unserem Glauben allein an Jesus Christus weist, dass wir allein auf ihn vertrauen sollen und nicht auf unsere eigenen guten Taten.

Gott sieht unsere guten Werke und Eigenschaften! Er lässt uns sagen: Selig seid ihr, wenn ihr sanftmütig, barmherzig oder friedfertig seid. Aber bei ihm gilt allein, was sein Sohn Jesus Christus für uns alle getan hat. Er ist gehorsam seinen Weg von der Krippe zum Kreuz gegangen. Er hat unsere Erlösung vollbracht. Gott vergibt uns alle Sünde und Schuld - durch ihn.

So sagt es Paulus: "So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben." AMEN