Predigt zum Erntedanktag - 18. So. n. Trinitatis - 4.10.2015

Textlesung: Lk. 12,15-21

Es sprach aber einer aus dem Volk zu ihm: Meister, sage meinem Bruder, dass er mit mir das Erbe teile. Er aber sprach zu ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbschlichter über euch gesetzt? Und er sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat. Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mensch, dessen Feld hatte gut getragen. Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle. Und sprach: Das will ich tun: ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen, und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast? So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.

Liebe Gemeinde!

Mir ist etwas aufgefallen, nämlich dass die ersten Sätze dieser Verse meist übergangen werden. Und wir können uns auch denken, warum. Heute ist ja Erntedankfest, da passt die Geschichte vom Reichen Kornbauern sicher besser als die Frage des Mannes aus dem Volk, ob Jesus nicht als Erbschlichter tätig werden könnte. Aber diese Frage und damit der Anlass für Jesus, über Reichtum und Habgier zu sprechen, ist es wert, dass wir uns ein paar Gedanken darüber machen.

Der Mensch, der von Jesus verlangt, dass er dem Bruder sagt, dass er das Erbe mit ihm teilt, hat sich durchaus zurecht an Jesus gewandt! Als Rabbi hätte Jesus auch die Aufgabe gehabt, Richter und wie hier Erbschlichter zu sein. Daran, dass er den Mann so schroff abweist, wird uns, dem Mann und dem versammelten "Volk" damals klar, dass Jesus eben nicht nur ein Rabbi gewesen ist und dass seine Aufgabe in der Welt eine andere war, nämlich den Anbruch der Gottesherrschaft zu verkünden und die Menschen zum Glauben an Gott einzuladen und zu einem Leben zu befreien, das Gott gefällt und sein Wort und Gebot achtet und befolgt. Aber das führt uns jetzt zu der Geschichte vom Reichen Kornbauern, denn die Habgier und die Gottvergessenheit, die er so deutlich zeigt, passt nicht zu Gottes Wort und Gebot!

Liebe Gemeinde, würden wir diesen reichen Bauern nicht alle für ziemlich dumm halten? Weiß er denn nicht, dass er seine gute Ernte nicht allein sich selbst verdankt, sondern äußeren Einflüssen, die er nicht in der Hand hat: Nicht er hat das Wetter gemacht, das die Saat keimen und die Frucht wachsen und reifen ließ. Und er hat sich auch nicht selbst die Gesundheit geschenkt, dass er das Feld bestellen und bearbeiten und am Ende die große Ernte einbringen konnte. Auch dass er viele Helfer hatte, die ihn bei der Feldarbeit und in der Ernte unterstützt haben, war nicht sein Verdienst, auch nicht, wenn er sie sicher selbst bezahlt hat. Wir wissen, wem er letztlich alles verdankt, was jetzt seinen Reichtum ausmacht. Er aber weiß es nicht. Statt Gott zu danken, führt er nur Selbstgespräche: "Das will ich tun: ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen, und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!" Ja, dieser reiche Bauer scheint uns nicht nur dumm, er ist auch undankbar!

Wie sieht das bei uns aus? Manche von uns werden denken, dass sie ja nicht mehr auf dem Feld oder im Garten arbeiten. Sie brauchen darum auch keine Helfer und sind nicht vom Wetter abhängig, höchstens wenn sie einen Ausflug geplant haben, der dann wegen Dauerregen buchstäblich ins Wasser fällt. Dann aber sagen sie vielleicht doch zu sich selbst: Hätte Gott nicht diesen Tag etwas schöner werden lassen können? Und wenn der Sturm Schäden an ihrem Dach verursacht hat oder ihr Keller voll Wasser gelaufen ist, dann machen sie doch Gott dafür verantwortlich und beklagen sich bei ihm, dass er sie nicht vor dem Unglück bewahrt hat.

Und was unsere Gesundheit angeht, da kommen uns auch eher unsere ausgewogene Ernährung, die guten Medikamente, die wir nehmen und unser Hausarzt in den Sinn. Wenn wir dann aber im Krankenhaus liegen und die Operation bevorsteht, bringen wir doch im Gebet unsere Ängste und unsere Bitten vor Gott: Dass ER die Hände der Chirurgen führt und wir nach der Narkose auch wieder aufwachen und wieder ganz gesund werden.

Ja, liebe Gemeinde, es ist schon richtig: Wir arbeiten nicht mehr alle auf dem Feld und bringen auch keine Ernte an Feldfrüchten ein. Und ja, wir sind nicht mehr in dem Maß wie noch der Reiche Kornbauer angewiesen auf gutes Wetter, Regen und Sonnenschein zur rechten Zeit. Aber genau wie damals gibt es viele Dinge, die auch wir nicht beeinflussen können, die aber unser Schicksal bestimmen und von denen wir als Christinnen und Christen sagen müssen: Sie sind uns von Gott geschenkt! Und zu diesen Dingen zählen nicht nur eine reiche Ernte, gutes Wetter und unsere Gesundheit. Es gibt noch so viel mehr Gottesgeschenke. Ich will nur einige davon nennen:

Dass jede und jeder von uns seine Talente hat, ein Geschick für ein Handwerk, den Verstand für eine Wissenschaft, Sinn für Zahlen, die Gabe, Worte zu sagen, die aufbauen und trösten, Verständnis für Kinder und wie sie gut erzogen werden... Die besten Geschenke aber fehlen noch in dieser Reihe: Dass wir verlässlich sind und andere Menschen auf unser Wort bauen und wir auf ihres vertrauen können, dass wir Geduld aufbringen und warten können, bis unsere Arbeit Erfolg hat und dass andere auch mit uns Geduld haben und uns nicht vorschnell be- oder gar verurteilen. Die Treue fällt mir hier noch ein, dass wir beharrlich bei einer guten Sache bleiben können und andere dabei mittun. Wenn wir Glauben an Gott haben, dann ist das eine der besten Gottesgaben und noch schöner ist, dass wir in unserer Gemeinde Menschen finden können, die vom gleichen Glauben beseelt sind. Auch die Hoffnung ist etwas, was uns oft genug nach einer Trauerzeit oder einer durchwachten Nacht wieder neuen Mut fassen lässt und unsere Kraft erneuert. Wie gut auch, dass andere Menschen uns mit ihren Worten neue Hoffnung geben können. Das größte Geschenk aber haben wir noch nicht genannt. Ich meine die Liebe! Dass wir fähig sind, andere Menschen anzunehmen und zu lieben, obgleich sie doch - wie wir selbst ja auch - unvollkommen sind und mit Fehlern und Mängeln behaftet. Dass wir eine Frau oder einen Mann so lieben können, dass wir uns mit ihm oder ihr für ein ganzes langes Leben verbinden und dass sich die Liebe in langen Jahren nicht aufbraucht, sondern sogar noch größer und tiefer wird.

Eine Liebe aber ist gewiss die allergrößte Gabe, an die im Himmel und auf Erden nichts anderes heranreicht: Die Liebe Gottes zu uns Menschen! Es ist doch eigentlich gar nicht zu verstehen und wird bis in die Ewigkeit ein Rätsel bleiben, warum Gott so große Zuneigung zu uns Menschen empfindet: Sind wir so liebenswert? Kann er an uns wirklich Freude haben? Tun wir nicht täglich genug, was nicht gut ist und nicht richtig und was nicht vor Gott bestehen kann? Woher kommt die Liebe, die den eigenen Sohn in diese unvollkommene Welt voller Bosheit und Hass, voller Neid und Missgunst, voller Streit und Krieg sendet, um diesen Sohn für alles Böse, das wir getan haben und tun, ans Kreuz zu bringen, schändlich sterben zu lassen, damit wir frei werden von Sünde und Schuld und das Leben finden, hier und ewig?

Der Reiche Kornbauer hat so gesprochen: "Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut!" An Gott hat er nicht gedacht. Und gedankt hat er ihm schon gar nicht.

Wir würden, wenn es uns gut geht und alle Dinge zum Besten stehen, vielleicht so denken und sprechen: "Ich habe viel geleistet, war immer fleißig und habe mich nicht geschont, jetzt will ich mein Leben und das, was ich mir erworben habe, auch einmal genießen!" An Gott aber, dem wir alles verdanken, denken wir nicht. Und Worte findet unser Dank schon gar nicht.

Liebe Gemeinde, nach diesen Gedanken ist es wohl das Erste, was wir tun sollten, dass wir Gott wieder mehr danken. Nicht nur am Morgen für eine Nacht mit erholsamem Schlaf und abends für einen Tag, an dem wir vor Unglück und Gefahr behütet worden sind. Wir wollen auch die anderen Gaben sehen lernen und wahrnehmen, die von Gott her kommen: Unsere Talente, Geschick für ein Handwerk, den Verstand für eine Wissenschaft, Sinn für Zahlen, die Gabe, Worte zu sagen, die aufbauen und trösten, Verständnis für Kinder und wie sie gut erzogen werden...und noch vieles mehr, was wir persönlich von Gott geschenkt bekommen haben. Besonders aber das Vertrauen, die Geduld, die Treue, den Glauben, die Hoffnung und die Liebe zu den Menschen und zu Gott - und vor allem anderen seine Liebe zu uns, die er uns in Jesus Christus gezeigt hat. ---

Heute ist Erntedanktag. Seit alters gehört zu diesem Tag, dass unser Dank für Gottes Gaben auch sichtbar und greifbar wird. In ländlichen Gegenden, oft auch in den Städten werden Früchte der Gärten und Felder für die gespendet, die arm sind und Hilfe brauchen. In unserer und allen Kirchen wird heute für Brot für die Welt gesammelt. Auch eine gute Möglichkeit unseren Dank an bedürftige Menschen, weiterzugeben. Gott danken heißt nämlich immer auch, mit anderen teilen. AMEN