Predigt zum 14. Sonntag nach Trinitatis - 6.9.2015

Textlesung: Lk. 17, 11 - 19

Und es begab sich, als er nach Jerusalem wanderte, dass er durch Samarien und Galiläa hin zog. Und als er in ein Dorf kam, begegneten ihm zehn aussätzige Männer; die standen von ferne und er-

hoben ihre Stimme und sprachen: Jesus, lieber Meister, erbarme dich unser! Und als er sie sah, sprach er zu ihnen: Geht hin und zeigt euch den Priestern! Und es geschah, als sie hingingen, da wurden sie rein.

Einer aber unter ihnen, als er sah, dass er gesund geworden war, kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm. Und das war ein Samariter. Jesus aber antwortete und sprach: Sind nicht die zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde? Und er sprach zu ihm: Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen.

Liebe Gemeinde!

Auch an so bekannten Geschichten wie dieser von den "Zehn Aussätzigen", die auch "Der dankbare Samariter" heißt, kann man immer wieder etwas entdecken, was einem bisher noch nie aufgefallen ist. Zuerst meint man doch, Jesus habe die zehn Männer geheilt, ohne Rücksicht darauf, ob sie Glauben haben oder Vertrauen zu ihm. Er fragt nicht, ob sie ihm die Heilung zutrauen. Er sagt nur: "Geht hin und zeigt euch den Priestern!" Dann aber hören wir: "Und es geschah, als sie hingingen, da wurden sie rein." Wo ist hier von Glauben und Vertrauen die Rede?

"Die Rede" ist nicht davon. Aber hinter dem, was Jesus den zehn Männern sagt, geht es doch um den Glauben. Wenn Jesus den Aussätzigen mitgibt: Geht hin und zeigt euch den Priestern!", dann hat er schon die Heilung buchstäblich auf den Weg gebracht. Denn wenn sie sich jetzt wirklich zu den Priestern aufmachen, dann nur weil sie Jesus vertrauen, dass sie gesund werden. Sonst hätten sie ja bei den Priestern nichts "zu zeigen". Wir können es so sagen: Sie werden auf dem Weg zu den Priestern rein, weil sie den Glauben haben, dass Jesus Macht hat sie zu heilen.

Aber warum sind diese Gedanken so wichtig? Warum habe ich überhaupt nach dem Glauben der zehn Männer gefragt? Wären sie ohne Vertrauen zu Jesus etwa nicht rein geworden?

Wichtig sind diese Gedanken, weil wir eigentlich in allen Heilungsgeschichten, die von Jesus erzählt werden, auch den Hinweis finden, dass die Menschen, die zu Jesus kamen, um ihn um Heilung zu bitten, auch an ihn glaubten. Da lesen wir in den Evangelien zum Beispiel: "Dein Glaube ist groß! Dir geschehe wie du willst!" (Mt.15,28) oder "...dein Glaube hat dich gesund gemacht; geh hin in Frieden." (Mk.5,34) oder auch: "Dein Glaube hat dir geholfen." (Lk.7,50), was wir ja auch in der Geschichte von den zehn Aussätzigen hören, allerdings erst nachdem die zehn Männer längst rein geworden sind.

Es bleibt also auch hier dabei, dass der Glaube das Wunder - hier die Heilung - empfängt. Und es ist nicht so, dass erst das Wunder den Glauben hervorruft!

Bleibt noch die etwas heikle Frage, ob die Männer ohne Glauben an Jesus nicht rein geworden wären? Genau wissen wir das nicht. Aber eine andere Geschichte einer Heilung gibt mir fast die Gewissheit, dass Jesus nicht so kleinlich gewesen wäre, die Männer, falls sie nicht zum Glauben an ihn kommen, dann nicht doch zu heilen: Im Markusevangelium (Mk.9,17ff) lesen wir von einem Vater, dessen Kind von einem bösen Geist besessen ist. Der Vater sagt zu Jesus: "Wenn du etwas kannst, so erbarme dich unser und hilf uns!" Und Jesus antwortet: "Du sagst: Wenn du kannst - alle Dinge sind möglich dem, der da glaubt." Der Vater aber hat keinen Glauben, darum entgegnet er verzweifelt: "Ich glaube; hilf meinem Unglauben!" Und trotzdem heilt Jesus das Kind des Mannes.

Aber zurück zu den Zehn Aussätzigen. Jetzt kommt der Teil der Geschichte, weshalb sie auch heißt: "Der dankbare Samariter": Nur einer von den zehn Männern kehrt um zu Jesus, um ihm zu danken. Und es ist - ausgerechnet wieder einmal! - ein "Samariter", also ein Mann aus Samaria, wo Menschen wohnen, die nach Ansicht der "rechtgläubigen Juden" nicht den richtigen Glauben haben. Genauso wie in der Geschichte vom "Barmherzigen Samariter" ist es auch hier ein Fremder, der die anderen Männer, die Jesus gesund gemacht hat - wahrscheinlich rechtschaffene Juden - jetzt doch sehr undankbar erscheinen lässt.

Liebe Gemeinde, sicher überlegen Sie jetzt, was wir denn von dieser Geschichte mitnehmen können. Mancher denkt vielleicht auch: Das hat aber wenig mit mir zu tun. So bin ich nicht! So undankbar. Undankbar auch noch nachdem die Männer vom Aussatz rein geworden sind, was damals ja bedeutete, dass sie von jeder menschlichen Gesellschaft sicher schon lange ausgeschlossen waren.

Ich möchte zu diesen Gedanken direkt nichts sagen. Mir gehen aber doch ein paar Fragen im Kopf herum, die ich einmal stellen will:

Sie beten? - Ich nehme das einmal an. Sie beten sicher nicht nur das Vaterunser. Vielleicht am Morgen oder am Abend bitten Sie Gott auch einmal um das eine oder andere, was sie sich wünschen. Vielleicht bitten Sie um die Sicherheit Ihres Arbeitsplatzes. Oder um die eigene Genesung oder die eines Familienangehörigen von einer Krankheit. Junge Leute bitten gar nicht selten um die Liebe eines Menschen, mit dem sie sich gern verbinden möchten. Auch um die Rettung aus einer finanziellen Notlage wird häufig gebetet.

Sicher hatten diese Gebete nicht immer "Erfolg", das heißt, sie wurden nicht (gleich) erhört. (Ich habe bewusst er-hört gesagt, denn ge-hört wurden sie gewiss!) Andere Bitten aber haben sich erfüllt. Vielleicht nicht gleich, aber so, dass es Ihnen rechtzeitig geholfen hat. Und da frage ich Sie jetzt - und ich stelle diese Frage genauso an mich selbst: Haben wir dann den Weg zurück zu Jesus oder zu Gott gefunden, die wir so inständig gebeten haben. Hören wir doch, wie der Samariter damals gedankt hat: "Einer aber unter ihnen, als er sah, dass er gesund geworden war, kehrte er um und pries Gott mit lauter Stimme und fiel nieder auf sein Angesicht zu Jesu Füßen und dankte ihm." Es geht hier nicht um die Art, wie der Samaritaner Jesus seine Dankbarkeit zeigt. Es geht darum, wie intensiv er dankt. Und da, so glaube ich, kommt unser Dank und was wir ihn uns kosten lassen, nicht mit, bei weitem nicht.

Seelsorger können davon ein trauriges Lied singen, wie oft sie im Gespräch mit Kranken oder sonstwie Leidenden hören, was diese Menschen alles tun wollen, wenn sie nur gesund oder ihr Leiden los würden. Die zweite Strophe dieses Liedes aber ist allzu oft: Sie wurden zwar gesund, ihr Leid wurde von ihnen genommen, aber was sie alles tun wollten, hatten sie vergessen.

Aber mir fällt noch etwas dazu ein, warum wir oft nicht dankbar sind, wenn wir durch unser Gebet erreicht haben, was wir uns von Gott erbeten hatten. Manchmal nämlich dauert es sehr lange, bis Gott unsere Bitten erfüllt: Die Genesung von einer Krankheit stellt sich erst nach vielen Monaten ein. Unser Arbeitsplatz bleibt sicher bis zur Rente. Wir gewinnen die Liebe eines Menschen erst nach Jahren - und es ist gar nicht der Mensch, den wir uns zuvor als Lebenspartner gewünscht hatten. Schließlich kommen wir auch aus der finanziellen Notlage heraus, die uns lange Zeit Sorgen bereitet hat. Bei alledem passiert es oft und leicht, dass wir gar nicht mehr daran denken, wie lange wir einmal darum gebetet haben, dass es geschieht. Unser menschliches Gedächtnis ist viel kürzer als das unseres himmlischen Vaters. Jedenfalls vergessen wir mit unseren Gebeten, die wir irgendwann zum Himmel gesandt haben, auch den Dank, den wir dafür schuldig sind, dass sich erfüllt hat, was wir einmal erbeten hatten.

Liebe Gemeinde, ich denke, keine und keiner von uns sagt nun: "Der Dank ist doch auch nicht so wichtig, Hauptsache wir haben bekommen, was wir uns gewünscht haben." Das ist die Haltung der neun Männer gewesen, die den Weg zurück zu Jesus nicht finden. Und ich glaube, so wollen wir nicht sein. Mögen die Männer bei den Priestern im Tempel auch ein Dankgebet gesprochen und vielleicht Gott ein Opfer dargebracht haben, es war Jesus, der ihre Heilung auf den Weg gebracht hat und sie haben sehr wohl gewusst, wo sie Jesus selbst hätten danken können.

Aber ich frage mich, ob wir hier eigentlich wirklich von "Heilung" sprechen können. Vielleicht wäre es besser, wir sagten "Gesundung"? Denn heil Werden ist etwas anderes, als dass die Haut rein vom Aussatz wird. Heil wird ein Mensch, wenn er durch die Kraft Gottes an Körper und an seiner Seele verändert wird. Hören wir noch einmal auf den Schluss der Geschichte: "Jesus aber [...] sprach: Sind nicht die zehn rein geworden? Wo sind aber die neun? Hat sich sonst keiner gefunden, der wieder umkehrte, um Gott die Ehre zu geben, als nur dieser Fremde? Und er sprach zu ihm: Steh auf, geh hin; dein Glaube hat dir geholfen." Gott die Ehre geben, Jesus danken, das erst macht die Heilung vollständig. Erst nachdem er Jesus seinen Dank abgestattet hat, ist der Mann aus Samaria wirklich heil geworden, also gesund an seinem Leib und seiner Seele! AMEN