Predigt zum Sonntag "Kantate" - 3.5.2015

Textlesung: Mt. 11, 25 - 30

Zu der Zeit fing Jesus an und sprach: Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart. Ja, Vater; denn so hat es dir wohl gefallen. Alles ist mir übergeben von meinem Vater; und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will. Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.

Liebe Gemeinde!

Das wissen wir: Jesus war kein politischer Revolutionär. Er wollte nicht die Herrschaft der Römer beenden. Und er wollte nicht die Macht im jüdischen Land oder in Jerusalem an sich reißen. Gewalt hat er verabscheut. Trotzdem war er kein harmloser Wanderprediger, der nur erbauliche Reden hielt, die zum Guten anspornen sollten, aber niemanden aufregten. Im Gegenteil! Dass er die religiösen Führer in Israel immer wieder heftig angegriffen hat, dafür sind die Verse, die wir eben gehört haben, ein gutes Beispiel. Auch wenn wir heute vielleicht den Zündstoff, der in seinen Worten liegt, nicht gleich erkennen. Aber etwa dieses Wort Jesu war für die Pharisäer und Schriftgelehrten damals ein heftiger Angriff auf ihre Autorität: "Ich preise dich, Vater, Herr des Himmels und der Erde, weil du dies den Weisen und Klugen verborgen hast und hast es den Unmündigen offenbart."

Das heißt doch nichts anderes als dies: Die religiösen Führer des Volkes haben keine Ahnung von dem, was Gott will. Den einfachen Leuten dagegen, denen, die gerade von den Pharisäern und Schriftgelehrten als unmündig angesehen und bevormundet werden, wollte Gott seinen Willen offenbaren. Und wer den einfachen Leuten richtig vermittelte, was Gottes Wille ist, war auch klar: Jesus, der sich hier der Sohn Gottes nennt, was in den Ohren der Führer des Volkes ja eine klare Gotteslästerung war.

Aber auch die weiteren Worte Jesu müssen sie empört haben: "...niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will." Das war ungeheuerlich! Die Schriftgelehrten glaubten sehr wohl, Gott und seine Gerechtigkeit zu kennen und da schwingt sich dieser hergelaufene Wanderprediger dazu auf, sie über Gott und seinen Willen belehren zu wollen!? Aber es kommt noch schlimmer: "Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir..." Mit "Joch" war traditionell das Gesetz Moses gemeint, das die Pharisäer sehr eng auslegten und - wie Jesus an anderer Stelle sagt - zu großen Lasten zusammenschnürten und den Menschen auf die Schultern legten, während sie selbst keinen Finger rühren wollten, um diese Lasten zu tragen. (Mt.23,4)

Schließlich macht Jesus das Volk den jüdischen Oberen ganz und gar abspenstig und benutzt dafür die schönsten Worte: "Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken, [...] denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht." Wir können uns vorstellen, wie die Führer des Volkes innerlich getobt haben und empört waren über diesen Jesus, der dabei war, sie völlig zu demontieren. Wenn auch nicht politisch, religiös waren die Worte Jesu in den Ohren der Pharisäer und Schriftgelehrten ganz gewiss die Worte eines Revolutionärs, eines Umstürzlers der Ordnung, die für sie bisher gegolten hatte und in der sie es sich gern bequem machten.

Liebe Gemeinde, kann man die Worte Jesu, die er damals gesprochen hat, in unsere Zeit und unsere religiösen Verhältnisse übertragen? Denn dann erst käme ihnen eine Bedeutung zu, die über das bloße Hören und Wahrnehmen dieser Verse hinausginge. Wenn wir nur verstehen, wie das damals war und wie Jesu Worte bei den religiösen Führern der Juden vor bald 2000 Jahren angekommen sind, ist das ja doch ein bisschen wenig. Eine Predigt soll uns ja heute ansprechen und uns heute zum Nachdenken bringen und uns Anregung, Weisung und Ansporn sein.

Ganz deutlich: Ja, ich denke die Worte Jesu damals haben auch uns heute etwas zu sagen, auch wenn wir es Gott sei Dank meist nicht mehr mit so starker religiöser Bevormundung zu tun haben, wie zur Zeit, als Jesus die Oberen des Volkes gegen sich aufgebracht hat. Die Zeiten jedenfalls, in denen sich theologisch Gebildete, Priester und andere vermeintliche Würdenträger zwischen Gott und die einfachen Christen stellten und sich die Auslegung und manchmal schon die Lektüre der Heiligen Schrift vorbehalten haben, sind mindestens für uns Evangelische lange vorbei. Und trotzdem ist das Wort Jesu "...niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will" für uns eine Mahnung, immer wieder auf das zu hören, was Jesus sagt und auf das zu sehen und dem zu folgen, was er tut. Es gibt heute viele Sekten, religiöse Gemeinschaften und Gruppen - auch innerhalb der Kirche -, die uns in die Irre führen und deren Lehren nicht mit Jesu Worten und Taten übereinstimmen, oft genug geleitet von finanziellen Interessen derer, die an ihrer Spitze stehen. Und es gibt auch einzelne Christen in unseren Gemeinden, die uns mit der Meinung, die sie über dieses oder jenes religiöse Thema haben, verwirren und verunsichern. Immer ist es deshalb gut, was wir hören oder lesen mit dem zu vergleichen, was uns Jesus gesagt und vorgelebt hat. Dabei hilft uns immer wieder der Griff zu unserer Bibel. Besonders im Neuen Testament offenbart uns Jesus Christus auch heute den Willen des Vaters!

Ich finde eines immer wieder besonders schön und tröstlich und am Handeln und Reden Jesu, von dem die Evangelien berichten, wird es uns ganz deutlich: Gott wendet sich in Jesus wirklich besonders den "Unmündigen" zu, das sind die Geringen, die Kleinen, die Armen und Bedrückten, die Schwachen und Kranken, die Behinderten und die Außenseiter... Denken wir nur an Jesu Liebe zu den Kindern, die er in seine Nähe ruft, an die arme Witwe, die er lobt, weil sie aus ihrem Mangel heraus eine zwar kleine Münze in den Gotteskasten wirft, damit aber alles, was sie besitzt. Oder denken wir an die vielen Menschen, die Jesus gesund und heil gemacht hat und an den Zöllner Zachäus, bei dem er einkehrt, obwohl der gesellschaftlich geächtet ist. Und es gibt noch viele weitere Beispiele dafür, dass Jesus - im Auftrag seines und unseres himmlischen Vaters - gerade die "Unmündigen", die den religiösen Führern wenig galten, aufgesucht hat. Umgekehrt allerdings gibt es auch einige Reiche und Vornehme, von denen wir erfahren, mit denen er keine Beziehung aufnehmen konnte. Da fällt uns gewiss zuerst der "Reiche Jüngling" (Mt.19,17ff) ein, der um des Reiches Gottes willen nicht von seinen Gütern lassen wollte und wir denken eben an die Pharisäer und Schriftgelehrten, von denen Jesus gesagt hat: Weh euch, Schriftgelehrte und Pharisäer, ihr Heuchler, die ihr das Himmelreich zuschließt vor den Menschen! Ihr geht nicht hinein und die hineinwollen, lasst ihr nicht hineingehen. (Mt.23,13)

Ja, ich finde es tröstlich, dass unser Gott sich besonders der Unmündigen, der Geringen und Armen annimmt. Mir macht das Mut und es schenkt mir die Hoffnung, dass all den Vielen bei uns und überall in der Welt, die heute noch unterdrückt werden, in Armut und Elend leben, an Krankheit und Behinderung leiden, Flüchtlinge sind und Asylanten im fremden Land, Gerechtigkeit widerfahren wird. Und ich hoffe, dass sie diese Gerechtigkeit Gottes nicht erst in Gottes neuer Welt erleben werden. "Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken", sagt Jesus. Ich wünsche es diesen Menschen allen, dass sie Jesu Ruf folgen und bei ihm wirklich Hilfe für ihr Leben und Entlastung von ihren Sorgen und Ängsten finden.

Aber neben dem Trost, den ich bei Jesu Worten empfinde, höre ich auch seinen Auftrag an uns - und der ist ganz persönlich: Du, wenn es dir gut geht, besser als den Menschen, zu denen mich der Vater besonders gesandt hat, hilf mir dabei, denen die Last ihres Lebens zu erleichtern, die sich selbst nicht helfen können. Du hast Gaben, die jene nicht besitzen. Du hast dein Auskommen, diese müssen um ihr Überleben kämpfen. Du bist leidlich gesund und hast starke Arme und geschickte Hände, jene sind krank und behindert. Du hast viele Güter, teile sie mit ihnen.

Ich bin ganz sicher, wenn wir Jesu Auftrag hören und befolgen, werden wir auch erleben, was dieses Wort meint und dass es wahr ist: "Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir; [...] denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht." Es ist wahrhaftig eine leichte Last, die Jesus uns auflegen will: Nicht die enge Auslegung des Gesetzes mit seinen vielen Einzelvorschriften, wie sie die Pharisäer hatten, sondern das sanfte Joch der Liebe zum Nächsten, die immer wieder neu von Jesu Liebe zu uns allen gespeist wird. Wir werden dabei eine erstaunliche und ganz wunderbare Erfahrung machen: Wer sich unter das Joch Jesu begibt, wird von ihm mehr getragen, als dass er selber trägt und es wird geschehen, was Jesus uns verspricht: "Ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen" - das bedeutet Heil und Segen für unser Leben hier und heute und in Ewigkeit. AMEN